Exodus / 1. Mose 3

14.05.2007 | 00:34

Dr. J. Taschner

Liebe Gemeinde!


Angenommen, Sie suchen eine Person auf, die Sie nicht kennen. Wie in unserem Kulturkreis üblich, klopfen Sie zunächst an und warten, bis Sie hereingebeten werden. Sie geben Ihrem Gegenüber die Hand und nennen ihren Namen. Dann nimmt das Gespräch seinen Lauf und Sie bekommen einen ersten Eindruck von dieser Person und lernen Sie langsam kennen.
Jedes dieser Rituale hat seinen guten Sinn. Mit dem Anklopfen bekunden Sie, dass Sie den Schutzraum um diese fremde Person respektieren. Der Händedruck ist ein Zeichen aus dem Mittelalter, das besagt: "Ich trage keine Waffe bei mir, ich komme in friedlicher Absicht." Und mit der Nennung Ihres Namens geben Sie bereits etwas von ihrer unverwechselbaren Identität preis. Dadurch stiften Sie Beziehung. Mit dem Namen werden Sie ansprechbar. Alles, was von nun an geschieht, wird mit Ihrem Namen in Verbindung gebracht.
Die biblische Lesung, der Bericht von der Berufung des Mose, handelt von einer ersten Begegnung. Doch diese verläuft in Vielem völlig anders als das nicht nur in unserem Kulturkreis üblich ist. Die erste Kontaktaufnahme Gottes mit Mose ist nicht in erster Linie durch den Respekt vor Moses Privatsphäre getragen. Vielmehr steht Gott oder vielmehr sein Bote als brennender Dornbusch da, der nicht verbrennt. Von vorne herein bricht Gott als unerklärliches Phänomen in das Leben von Moses, der doch gerade die Schafe seines Schwiegervaters hüten wollte. Merkwürdige Asymmetrie: Aus diesem Dornbusch heraus redet Gott Mose mit seinem Namen an: "Mose Mose!" Dieser steht – ohne es freilich zu wissen – mitten im Privatbereich Gottes: "Zieh deine Schuhe aus, das Land auf dem du stehst ist heiliger Boden. Dann erst stellt Gott sich vor: "Ich bin die Gottheit deiner Vorfahren". Seinen Namen nennt Gott an dieser Stelle aber immer noch nicht.
Dann erst kommt die erste konkrete gegenwartsbezogene Aussage: "Ganz genau habe ich das Elend meines Volkes gesehen, das in Ägypten ist, und ich habe ihren Hilfeschrei gegen seine Antreiber gehört." (2x)
Daraufhin bekommt Mose seinen Auftrag. Er soll zum Pharao gehen und Israel aus Ägypten führen.
Verständlich, dass Mose es nun genauer wissen will, mit wem er es da zu tun hat. Er stellt die Frage nach dem Namen seines Gegenüber jedoch wie ein Billiardespieler und benutzt dabei das Volk gleichsam als Bande: "Sieh doch , wenn ich zu den Israeliten und Israelitinnen komme und zu ihnen sage 'die Gottheit eurer Vorfahren hat mich zu euch gesandt', da werden sie sagen: 'was ist ihr Name?' – was soll ich ihnen da antworten?"
Wer jedoch erwartet hat, nun würde die Gottheit ihren Namen einfach nennen, sieht sich enttäuscht. "Ich bin und werde sein, was ich sein werde und bin". Das ist im Grunde ein völlig nichtssagender Satz – eine Tautologie. Etwas wird mit sich selbst gleichgesetzt, d.h. der Hörer, die Hörerin erhält durch diesen Satz keine neuen Informationen.
Nach dem brennenden, aber nicht verbrennenden Dornbusch ist dies der zweite Hinweis auf das geheimnisvolle dieser Gottheit, die sich Mose hier vorstellt. Wir erfahren über den Gott Israels in dieser Berufungsgeschichte im Grunde kaum etwas: Er platzt in das Leben eines Hirten hinein und sagt diesem, dass seine Vorfahren es bereits mit ihm zu tun hatten. Das einzige, wo diese Gottheit konkreter wird, ist die Aussage, dass sie das Elend ihres Volkes gesehen und den Hilfeschrei gegen dessen Antreiber vernommen hat. Und dann ist da diese Zusage: Ihr werdet wieder hierher kommen und Gott hier in Freiheit ein Fest feiern. So verweist das Gespräch auf Ereignisse, von denen in den nächsten Kapiteln berichtet wird. Erst durch die Befreiung Israels aus Ägypten lernen wir diese Gottheit wirklich kennen. Erst in dieser Befreiung erfahren wir etwas über das Geheimnis des Namens dieses Gottes. Von dieser Befreiung lässt sich nur erzählen, begreifen, gar erfassen lässt sie sich nicht. In der Präambel der 10 Gebote wird deutlich, dass diese Freiheit geradezu die Selbstdefinition dieser Gottheit ist. "Ich bin Adonaj, deine Gottheit, weil ich dich aus Ägypten, dem Haus der Sklavenarbeit befreit habe." Gott ist nur Gott für Israel durch die Befreiungstat. Mit dieser unbegreiflichen Befreiung macht Gott sich einen Namen.
Die jüdische Tradition hat aus gutem Grund eine Scheu entwickelt, diesen Eigennamen Gottes auszusprechen. Im hebräischen Text stehen da nur die Konsonanten für den Gottesnamen, schon die Vokale dringen den Leser, die Leserin dazu, hier Adonaj zu lesen. Dies ist nicht der Gottesname selbst, sondern eine Umschreibung. Das könnte zwar mit "mein Herr" übersetzt werden, ist aber eine Bezeichnung, die ausschließlich auf Gott angewendet werden kann. Über das griechische Kyrios läuft eine direkte Traditionslinie zu dem in Großbuchstaben geschriebene HERR, das wir aus der Lutherbibel kennen. Nun ist unser deutsches "Herr" – noch dazu wenn es mit Großbuchstaben gedruckt ist – eindeutig mit Autorität konnotiert. Seien es die Feudalherren des Mittelalters oder die Herren der Vorstandsetagen aus unserer Zeit. Die Herren dieser Welt lassen sich mit "Herr" ansprechen.
Wenn es in der Lutherbibel am Anfang der 10 Gebot heißt: "Ich bin der Herr dein Gott", so klingt dies weder nach Geheimnis, noch nach Eigennamen und nach Freiheit schon gar nicht. Erst langsam beginnen wir in der Theologie wieder zu lernen, dass wir einen Gott haben, der einen geheimnisvollen Eigennamen hat, der sich unlösbar mit dem Ereignis der Befreiung aus Unterdrückung verbindet. Ein "Herr" ist dieser Gott, von dem die Bibel erzählt, gerade nicht.
Die wohl wichtigste Neuerung der neuen Übersetzung "Bibel in gerechter Sprache" ist wohl die Wiederentdeckung des Geheimnisses des Namens Gottes. Überall, wo im Hebräischen nun das Zeichen für den Gottesnamen steht, ist die Stelle in der Übersetzung grau unterlegt. Was dort grauunterlegt steht, ist nur eine Möglichkeit, den Namen Gottes wiederzugeben. Am Rande werden dem Leser oder der Leserin weitere Möglichkeiten angeboten, was an dieser Gottesnamenstelle noch gelesen werden könnte. Das "Herr" wird so abgelöst durch eine Vielzahl von Gottesnamen, die alle auf den einen unaussprechlichen Namen Gottes verweisen.
Der Name
Der Heilige
Die Lebendige
Adonaj
Der Ewige
Die Heilige
Der Lebendige
Du
Der Eine
Ich-bin-da

Festgefügte Vorstellungen von Gott können so aufgebrochen werden. Die neuen Sprechbilder sollen auf der anderen Seite gar nicht erst die Möglichkeit bekommen, sich als Gottesbilder in unseren Köpfen einzunisten. Bei weiterer Lektüre der biblischen Texte kommt schon das nächste Sprachbild von Gott, das das alte quasi wieder überblendet.
Sicherlich kann das zunächst verunsichern, liebgewordene Gottesvorstellungen aufzugeben. Was kommt danach? Merkwürdig hartnäckig wird an den männlichen Seiten der Gottesbilder festgehalten. Dabei sind weibliche Attribute für Gott in der Bibel breit belegt. Ausdrücklich sagt Gott von sich, er sei weder Mann noch Frau. Beides sind nur menschliche Vorstellungen. Die wirkliche Gottheit Gottes liegt weit jenseits dessen.
Ein erster Schritt ist es, wenn uns auf einmal deutlich wird, dass die Vorstellung, die wir lange von Gott hatten, ein Götze war, dem wir viele Opfer an Fröhlichkeit und Unbeschwertheit gebracht haben, ein Götze der Pflicht und der Freudlosigkeit. So leicht wird aus Gott in unserem Kopf eine Figur, die Herrschafts- und Autoritätsverhältnisse abstützt. Mit der befreienden Gottheit, von dem die Bibel erzählt, hat das nicht mehr viel gemein.
Was gewinnen wir, wenn wir neu lernen, dass Gott einen Namen hat? Ist es denn zum rechten Christsein nötig? Liebe Gemeinde, wir gewinnen ein großes und wichtiges Kapitel biblischer Sprache, biblischer Rede von Gott, biblischen Glaubens, wir gewinnen eine neue Nähe zur Grundlage unseres Glaubens. Es wird ja nicht leichter in unserer modernen Gegenwart mit ihren sich so rasch wandelnden Problemen und Entdeckungen an Gott zu glauben und von Gott zu reden. Im Namen liegt Nähe und Geheimnis Gottes. Ich möchte es mit Ihnen ein wenig durchbuchstabieren, an den Alternativen. Was ist denn der Name, den wir nicht missbrauchen sollen?
„Herr“!? Hier gewinnen wir ein ganz entscheidendes Stück Evangelium. Denn an den fast 7000 Fällen wo in dem ersten Teil unserer Bibel „Herr“ steht, macht sich Gott uns anders bekannt als durch Verweis auf Herrsein und Macht. Am Anfang des Dekalogs verweist Gott auf die befreiende Tat, siehe ich hab dich befreit, deshalb bin ich dein Gott und will dein Gott sein und bleiben. Nicht weil Gott Macht hat und drohen kann, sondern weil Gott Freiheit schenkt und Nähe eröffnet, deshalb gilt: keine anderen Gottheiten, nicht töten.
Deshalb: geheiligt werde dein Name!
Und das Zurücktreten des „Herrn“ eröffnet neue Wege zur Mütterlichkeit Gottes, wie eine Mutter ihrem Kind die Tränen abwischt und die Nase trocknet, so ist Gott zu uns.
Deshalb: geheiligt werde dein Name!
Und das Zurücktreten des "Herren" eröffnet ganz neue Wege zur mitfühlenden Seite Gottes: "Ganz genau habe ich das Elend meines Volkes gesehen, das in Ägypten ist, und ich habe ihren Hilfeschrei gegen seine Antreiber gehört."
Deshalb: geheiligt werde dein Name!
Solcher Umgang mit dem Gottesnamen, liebe Gemeinde, ist für uns Christen neu und ungewohnt. Aber er kommt aus dem Umgang mit der Bibel und führt neu in die Bibel und ihren Reichtum hinein. Wir sind am Anfang eines Weges, eines neuen, eines alten Weges, er führt uns

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