1. Johannes 3, 1-6

25.12.2011 | 01:00

Klaus-Georg Poehls

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist du der da war und der da kommt! Amen.

 

Liebe Gemeinde!

Weihnachten ist vorbei, der Betrieb in dem Geschenkemarkt  läuft auf Hochtouren, denn alle wollen ihre Weihnachtsgeschenke umtauschen. In der kleinen Abteilung für geistliche Geschenke, die neben der esoterischen Abteilung recht bescheiden und nüchtern wirkt, spricht ein schon ziemlich genervt guckender Verkäufer seinen nächsten Kunden an. „Guten Tag, was kann ich für sie tun?“

„Ja, Moin moin, ich möchte bitte ein Geschenk umtauschen – Quittung habe ich dabei, hier: da steht auch die Artikelnummer drauf: 1 Punkt J O H 3 Komma 1.“ Der Verkäufer war zwar genervt, aber erwar ein guter Verkäufer, der seine Artikel kannte.

„Ja, aber“, er guckt verdattert, „was passt Ihnen denn nicht? Das ist einer unserer Renner, sehr beliebt, verkauft sich ausgezeichnet, selbst Kunden aus der Esoterikabteilung nehmen ihn gern. Johanneische Schule, wissen Sie, ganz was eigenes. Sehr effektvoll mit dem Licht und den Kontrasten spielend und für viele Kunden so wohltuend, weil so lieblich, ja voll von Liebe.“

„Mag ja alles sein, aber sehen Sie, es ist mir zu abgehoben und zu mächtig und zu elitär: „Wir heißen Gottes Kinder und sind es auch“ – meine Güte, ich fahre ein kleines Auto und keine Strechlimousine und dann steht im Kleingedruckten auch noch:

„ …wir sind schon Gottes Kinder; es ist aber noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden. Wir wissen aber: wenn es offenbar wird, werden wir ihm gleich sein“ – das ist ja schlimmer als das Handbuch zu meinem Flachschirmfernseher. Sind wir es nun oder sind wir es nicht und wieso ist es noch nicht offenbar, wenn wir schon wissen, was wir sind, wenn es offenbar ist? Haben Sie nicht was anderes im Angebot?“ „Sicher“, der Verkäufer lächelt schmallippig, „vielleicht verlorener Sohn? Otterngezücht? Heiliger und Geliebter? Anhänger des neuen Weges? Oder aus der lutherischen Schule und für Akademiker: simul iustus et peccator? Oder, wenn es nicht so teuer sein soll – aber dann müssen Sie noch etwas dazu kaufen, ich gebe kein Restgeld raus – schlicht „Christ“?“

„Äh, vielen Dank, ich guck mich mal weiter um, vielleicht finde ich ja was bei den Spielsachen.“ „Das geht leider nicht, mein Herr, Umtausch ist nur im religiösen, philosophischen oder esoterischen Bereich möglich.“ „Und Geld zurück, geht nicht?“ „Nein, tut mir leid – Sie müssen sich schon entscheiden. Aber bitte schnell, wir schließen gleich.“

Aber jetzt ist erstmals Weihnachten, liebe Gemeinde, und diese kleine Geschichte entstand als Idee beim erstmaligen Lesen des Predigttextes und nach einem Besuch des Elbeeinkaufzentrums im Weihnachtstrubel. Ganz anders der Morgen des ersten Weihnachtstages: wie ein stiller See liegt der Tag vor mir, lässt mich durchatmen und fragen, was ist den jetzt mit Weihnachten und dir selbst? Wie begreifst du dich? Und brauchst du eigentlich einen Neuorientierung oder einen Neuanfang? Wie gehst du um mit dem Geschenk, in einem Gottesbezug stehen zu dürfen, der dich in einer bestimmten Weise qualifiziert – je nachdem, wie du Gott glaubst? Und glaubst du denn an einen Gott, der es Weihnachten werden lässt?

Nicht Weihnachten als einen Festtag, sondern Weihnachten als ein himmlisches Geschehen, das sich ereignet zu jeder Zeit und überall da, wo Menschen aufbrechen und Gott ganz neu für sich entdecken: im Kleinen, im Sanften, in einer Wirklichkeit, die wir besingen als unberührte Schneelandschaft, als Sternenzelt, als Kinderlachen, als Engeljubel.

„Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen - und sind es auch!

Mit diesen Worten aus dem 1. Johannesbrief macht weihnachtliches Geschehen einen Schritt auf mich zu und bezieht mich ein. Das als Sohn des Höchsten, als Sohn Gottes bezeichnete Kind, bewirkt von Anfang an eine Familienbildung der besonderen Art: das Gottes-Geist-Kind macht Menschen zu Kindern Gottes, zu Schwestern und Brüdern Jesu. Das mag zunächst nach einem weihnachtlichen <personname w:st="on">Kindergarten</personname> klingen. Aber so schön dieses Bild ist, so bleibt es damit nicht getan. Sonst rutschen wir ab mit Weihnachten ins rein Familiäre, in ein Kinderfest mit kindlich glänzenden Augen im Kerzenschein und somit auch schnell ins Kitschige.

Wie spreche und höre ich den ersten Satz des Predigttextes?

Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen - und sind es auch! Das ist die triumphalistisch tönende Variante, die von erwählten  Menschen weiß im Gegenüber zu nicht erwählten, die sich auf der Seite Gottes weiß im Gegenüber zu anderen, die andere Mächte auf ihrer Seite haben.

Die mehr weihnachtliche und leise Variante des Satzes klingt so: Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen - und sind es auch!

Denn ich glaube an einen Gott, der sich den Menschen mitteilt auf vielerlei Weise, ihnen vielerlei Wege gewiesen hat, um Kraft und Halt an ihm, in ihm zu finden. Und so sind wir, neben vielen anderen, auch als Kinder angesprochen, empfangen auch eine Liebe, die ich väterlich oder mütterlich nennen mag, weil sie mich erfüllt, ohne dass ich mit meinem Wesen bestimmte Voraussetzungen zu erfüllen habe.

Doch auch Gottes Kind zu sein, impliziert noch mehr: mich als Kind Gottes zu verstehen, bedeutet, mich als noch nicht fertig anzusehen, als entwicklungsfähig und entwicklungsbestimmt – unabhängig von meinem Alter und immer auch im Hinblick auf meinen Glauben, meine Gottesbeziehung: auch sie nicht fertig, auch sie immer noch entwicklungsfähig und entwicklungsbestimmt – bis aus dem Glauben ein Schauen geworden ist, aus dem Fragment ein Ganzes. Meine Lieben, wir sind schon Gottes Kinder; es ist aber noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden. Wir wissen aber: wenn es offenbar wird, werden wir ihm gleich sein; denn wir werden ihn sehen, wie er ist.

Für mich als Christen und als ein „Auch-Kind-Gottes“ orientiert sich meine Entwicklung nun aber nicht mehr an dem Kind in der Krippe, sondern an dem Leben, das dieses Kind für mich, für uns lebte. Sein Umgang mit den Menschen, seine Worte, sein Leiden und Sterben und Auferwecktwerden wollen mir Wegweiser auf meinem ganz eigenen Weg sein.

Der war und ist nicht gerade und wie er noch sein wird, bleibt ungewiss. Deshalb redet der Predigttext von Sünde, denn sie ist natürliche Wegbegleiterin, sie ist meine Freiheit und meine Gefährdung. Wo Entwicklung ist, ist für die Bibel auch Sünde.

Sünde aber ist als eine Entfremdung zu verstehen und damit als Trennung. Sünde kommt von dem alten Wort Sund und beschreibt etwas aus der Sicht des Glaubens Natürliches.

Sie beschreibt den Menschen, wie er sich vor Gott sieht: als einen, der noch nicht da ist, wo er hingehört, immer noch hinter sich selbst zurück bleibt. Als einen, der es nicht schafft, Gott das Vertrauen entgegenzubringen, das er zu ihm haben möchte.

Als einen, der aus diesem Mangel an Vertrauen heraus an sich nimmt und an sich reißt, was er zu einem gelungenen Leben unbedingt zu brauchen meint, sich zum Zentrum seiner Welt macht und dabei sich selbst, seinen Mitmenschen und Gott gegenüber fremd wird. Wie er oder sie genauso aus Mangel an Vertrauen sich in sich selbst zurückzieht, nichts mehr nehmen kann und sich nichts zu geben traut.

Wenn Gott mir fremd geworden ist, die Menschen um mich herum und ich mir selbst, dann nennt die Bibel das Sünde.

Und dann sind Sünden als einzelne Lebensäußerungen nichts  Banales, wie das Brechen einer Diät oder Falschparken, sondern sie drücken als Gedanke oder Wort, als Tat oder Unterlassung die Entfremdung eines Menschen zu Gott, zu seinem Nächsten und zu sich selbst aus.

Und den Folgen dieser Sünde ausgeliefert zu sein, sich selbst isoliert zu sehen von dem, wozu ich gehören möchte, wo mein Zuhause ist, das ist die „Strafe“, die Sünde in sich selbst trägt. Einer Gottesstrafe bedarf die Sünde nicht.

Das biblische Selbstverständnis des Menschen als eines Sünders hat nichts zu tun mit einer verstaubten Moral. Dafür ist es viel zu anspruchsvoll, fordert viel zu sehr einen Menschen, der mündig und verantwortlich in der Welt steht, bereit ist, sich selbst zu hinterfragen und den Mut und das Vertrauen aufbringt, vor Gott zu treten und zu bekennen:

„Ich habe mich soweit entfernt von dir, mein Gott, ich bin dir so fremd geworden, kenne mich selbst nicht mehr, weiß nicht umzugehen mit deinen Menschen. Aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund.“

Und dann können mir Worte aus dem Propheten Jeremia zu Worten Gottes werden: „Ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte“ (Jer 31, 3).

Das Angebot aber des Verkäufers, die Selbstbezeichnung „Gottes Kind“ doch umzutauschen in „simul iustus et peccator“ – „Gerechtfertigter und Sünder zugleich“ ist kein schlechtes: denn ich kann mich zwar anders sehen, bin aber kein anderer Mensch. Alle Sünden, noch bevor sie gedacht oder getan sind, alles Unrecht, noch bevor es geübt wird, sind falsch und bleiben falsch, aber sie legen mich nicht fest, nehmen mir von Gott her nicht mehr jenes Stück Freiheit, das ich als Kind Gottes gewonnen habe.

Immer neu darf ich mich als Kind dessen sehen, darf zu dem gehören, der den Himmel gemacht hat und die Wolken lenkt, dessen Erbarmen nicht aufhört. Kann und darf ahnen, was es bedeutet, mir selbst entnommen zu sein – weiter mit Sorgen, weiter mit mancher Angst, weiter mit Verantwortung und auch Schuld, weiter auf der Erde und nicht im Himmel, und doch mir selbst entnommen, frei blickend auf mein Leben, auf die Menschen, die es erfüllen oder schwer machen.

Das ist die Ahnung der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes. Hier hat das Lachen seinen Ursprung, hier beginnt die Melodie des Lobens, die gerade in den Weihnachtsliedern so schön klingt.

Die ersten Gotteskinder in der  Heiligen Nacht waren die Hirten. Was taten sie? Sie machten sich auf und wollten sehen, was Gott denn tut. Sie fanden das Kind, fanden zu Jesus. Zurückkehrend in ihren Alltag erzählten sie von ihm, erzählten von ihrem Glauben und lobten Gott. Denn neu hatten sie sich gefunden. Amen.

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