20. Sonntag nach Trinitatis: 1. Mose 8, 18-22
Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt. Amen.
Liebe Gemeinde,
wer kennt sie nicht, diese alte Geschichte von der Sintflut, die Gott über die Erde geschickt hat, um seine Schöpfung - oder richtiger, um das, was aus ihr geworden war - auszulöschen ein für allemal.
Wer kennt nicht Noah, diesen einen Einzigen, der mitsamt seiner Familie gerettet wurde, von langer Hand geplant, weil er voll Gottesfurcht war und ihm vertraute.
Wer kennt nicht mindestens ein Bild von seiner Arche, diesem bis zum Bersten mit Tieren und Proviant gefüllten Holzkasten, der die tosenden Fluten sicher überstand.
Nun steigen sie aus, dieses Häuflein Menschen, das Gottes heiligen Zorn und seine alles vernichtende Katastrophe überlebt hat und mitsamt ihm ein Paar von jedem Tier, das es auf Erden gab. Die einzig Davongekommenen vor Gottes Raserei.
"Als aber Gott sah, dass der Menschen Bosheit groß war auf Erden und alles Dichten und Trachten ihres Herzens nur böse war immerdar, da reute es ihn, dass er die Menschen gemacht hatte auf Erden ...", so beginnt die biblische Erzählung im 6. Kapitel des 1. Mosebuches, lange vor unserem Predigttext und damit nimmt die Vollstreckung des Todesurteils ihren Lauf.
Bis auf die eine Ausnahme, bis auf Noah und die, die zu ihm gehörten.
Sie werden bewahrt und mit ihnen beginnt eine neue Zeitrechnung.
Als Noah die Arche verlässt, in eine noch völlig ungewisse Zukunft, da baut er als erstes einen Altar und opfert. Da ist Gott erste Adresse, an den er sich wendet, voll Ehrfurcht, voll Vertrauen, voll Dank für die Rettung.
Und mit Gott passiert etwas. Gott sieht mit anderen Augen auf das, was er in seinem Zorn getan hat.
"Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen! Ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich es getan habe", sagt er, als er Noahs Opfer annimmt.
Glaubt er denn wirklich, dass sich die Menschheit, sprich, was von ihr noch übrig ist, diese kleine Schar um Noah ändern wird nach diesem Schlag, nach dieser gnädigen Bewahrung?
Oder war sein Urteil vielleicht doch zu grob, hat er sich vielleicht doch geirrt in seinem Zorn, der alles vernichtete bis auf diese paar um den einen Gerechten?
"Nein", heißt es monoton wie ganz am Anfang der großen Flutgeschichte: "Nein, ich bleibe dabei: das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf. Und dennoch will ich hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen. Und ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich es getan habe. Sondern solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht."
Auch nach der Sintflut bleibt der Mensch, der er ist. Auch der neue Anfang nach der Sintflut malt keine Bilder vom makellosen Menschen.
Er wird herausgerufen, anders zu werden und er hat es vor, anders zu werden und bleibt doch, der er ist.
"Das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf", dieses Urteil ändert sich nicht.
Ich höre diese Worte nicht so pessimistisch, wie sie manchem in den Ohren klingen werden.
Ich höre sie eher als die realistische Einschätzung, dass wir, sobald wir auf dieser Welt sind, unter den Bedingungen dieser Welt leben und nicht aus unserer Haut können.
Dass wir uns um uns selbst sorgen und um uns kreisen und abhängig bleiben von Vielem, was uns eigentlich nicht gefangen nehmen sollte.
Dass wir immer zurückbleiben hinter dem, was in uns angelegt ist und möglich sein könnte.
Dass wir uns so oft selbst im Wege stehen, wenn wir gerade dabei sind, diese Welt freundlicher zu machen und wärmer, menschlicher und gerechter.
Dass wir uns so oft selbst zurückhalten, wenn wir dabei sind, über unsere Schatten zu springen und anderen zu vergeben.
Und Gott sagt: So sind sie, die Menschen, die ich geschaffen habe und die ich anders will. So sind sie, die ich liebe.
Gott sagt "Ja" zu uns widersprüchlichen Menschen, statt uns aufzugeben und der Katastrophe zu überlassen.
Das ist der entscheidende Unterschied, das ist der Wandel.
Der in Gott passiert ist. Es wird keine Sintflut mehr geben, sagt er, obwohl der Mensch sich nicht grundlegend gewandelt hat.
Gott hat sich geändert und Gott ist es auch, der sich darauf verpflichtet: "Ich will die Erde nicht mehr verfluchen um der Menschen willen. Ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt. Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht."
Gott sichert den Bestand unserer Erde und den Boden unter unseren Füßen. Gott schafft die Beständigkeit, die wir selbst zu schaffen nicht in der Lage sind. Nicht mit unserm Tund und nicht mit unserem Lassen, nicht mit unserem Wollen und nicht mit unserem Willen.
Das ist beides, finde ich: Kränkend und entlastend, nicht gerade berauschend, was die Wahrheit über uns angeht, aber sehr befreiend, was die Last angeht, unter der wir sonst zerbrechen müssten: diese Welt und ihr Fortbestehen, das Gelingen meines Lebens und sein Sinn liegt nicht in meiner Hand, ist nicht von mir zu erbringen und nicht durch mich zu sichern. Es ist Geschenk Gottes, der das Gelingen will, es ist Gnade dessen, der diese Schöpfung ins Leben gerufen hat und erhalten will.
Das Zeichen dieses Bundes ist seit Menschen Gedenken Gottes Bogen in den Wolken. Siegel auf seine beständige Treue zu uns und Zeichen seiner Vergebung.
Signal seiner Menschenfreundlichkeit und Trost für seine Schöpfung.
Keiner soll mehr sagen können: "Nach mir die Sintflut!" Denn hinter Gottes endgültiger Entscheidung für seine Schöpfung und damit auch für uns führt kein Weg mehr zurück. Trotz unseres Tuns und trotz all dessen, was wir unterlassen wider besseren Wissens.
In Irland gibt es ein altes Sprichwort, das besagt: "Wenn du am Himmel einen Regenbogen siehst, dann versuch, den Ort zu finden, an dem seine Enden die Erde berühren. Da sitzt ein Kobold und wartet mit einem Schatz auf dich."'
Darum geht es: dass wir in unserem Leben die Orte suchen und finden, wo Gottes Bogen in den Wolken unser Leben berührt und verändert.
Dass wir seine Verheißung aufleuchten sehen in den bunten Farben des Lebens und ihr trauen lernen: Gott ist hinter und unter allem Leben, sein Urheber und Bewahrer.
Gott, der ums unsere Unvollkommenheit weiß und uns trotzdem liebt.
Amen.