22. Sonntag nach Trinitatis: Phil 1, 3-11

23.10.2016 | 12:00

„Ich danke meinem Gott, sooft ich euer gedenke – was ich allezeit tue in allen meinen Gebeten für euch alle, und ich tue das Gebet mit Freuden –, für eure Gemeinschaft am Evangelium vom ersten Tage an bis heute; und ich bin darin guter Zuversicht, dass der in euch angefangen hat das gute Werk, der wird's auch vollenden bis an den Tag Christi Jesu. Wie es denn recht und billig ist, dass ich so von euch allen denke, weil ich euch in meinem Herzen habe, die ihr alle mit mir an der Gnade teilhabt in meiner Gefangenschaft und wenn ich das Evangelium verteidige und bekräftige. Denn Gott ist mein Zeuge, wie mich nach euch allen verlangt von Herzensgrund in Christus Jesus. Und ich bete darum, dass eure Liebe immer noch reicher werde an Erkenntnis und aller Erfahrung, sodass ihr prüfen könnt, was das Beste sei, damit ihr lauter und unanstößig seid für den Tag Christi, erfüllt mit Frucht der Gerechtigkeit durch Jesus Christus zur Ehre und zum Lobe Gottes.“


 Liebe Gemeinde,

Philippi war die erste Gründung des Paulus auf europäischem Boden. Paulus hat eine ganze Zeit in Philippi gelebt, die Menschen kennen gelernt und viele von ihnen gewonnen für die Sache Jesu. Bis er sie zurücklassen und weiterziehen musste. Und, wie wir es auch sonst aus den Briefen des Neuen Testaments wissen, bleibt Paulus mit der Gemeinde in Verbindung. Immer wieder gehen offenbar auch hier Briefe hin und her, um in Kontakt zu bleiben, um sich zu erkundigen, wie es geht auf beiden Seiten, um das Wachstum der Gemeinde zu verfolgen, in Zahlen, aber ganz sicher, wie der Glaube der Einzelnen wächst. Paulus hat sie mit Jesus Christus bekannt gemacht. Natürlich will er wissen, welche Erfahrungen sie machen mit ihrem Glauben, ihrem Gott, ihrem Herrn. Ganz sicher besprechen sie strittige Fragen oder Herausforderungen ihres Lebens mit ihm und Paulus wiederrum ermutigt, bestärkt, tröstet, mutet zu, liebt. Zeigt ihnen immer wieder: Ihr seid mir wert, mir liegt an Euch.

An Philippi liegt Paulus viel. Zu dieser Gemeinde hat er eine ganz besonders herzliche Beziehung. Es ist die einzige Gemeinde, der er erlaubt, ihn finanziell zu unterstützen. Allen anderen Gemeinden gegenüber spricht er stolz davon, dass er sich selbst unterhalten kann mit seinem Beruf, dass er – wann immer er Geld sammelt- dies nicht für sich braucht, sondern zum Beispiel für die Gemeinde in Jerusalem oder für Bedürftige. Er selbst kommt allein für sich auf.

Weil er unabhängig bleiben, seine innere Freiheit nicht aufs Spiel setzen will, ist es für ihn normalerweise ein no go, die Unterstützung einer Gemeinde für sich selbst anzunehmen. Als er aber den Philipperbrief schreibt, sitzt Paulus im Gefängnis, in Ephesus, vielleicht in Cäsarea, man weiß es nicht genau. Sicher ist er nur, dass er gefangen gesetzt wurde, weil seine Mission eben nicht gern gesehen war, weil sowohl das Judentum seiner Zeit als auch die herrschenden Römer mit dieser kleinen Christusbewegung und diesem Missionar so ihre Schwierigkeiten hatten.

Den Glaubenden in Philippi erlaubt Paulus, für ihn aufzukommen.

Die Gemeinde in Philippi scheint auch insofern besonders zu sein, als große Konflikte wie in Korinth oder in Rom (die Briefe an diese Gemeinden nehmen explizit Stellung dazu) hier offenbar nicht vorkommen, keine Spaltungen und vor allem auch keine offenen oder verdeckten Angriffe auf die Person des Paulus, deren er sich erwehren müsste. All das scheint in Philippi nicht Thema.

Nein, Philippi ist er herzlich verbunden. Und in gewissem Sinne haben wir einen kleinen Liebesbrief an diese Gemeinde vor Augen, wenn wir dieses biblische Buch lesen.

Der Predigttext für heute, er ist eine einziges Lob- und Danklied auf diese Gemeinde. Begeistert preist Paulus die enge, verlässliche Gemeinschaft untereinander, dass einer den anderen unterstützt, dass sich keine elitären Gruppen finden, die andere ausgrenzen, dass niemand an den Rand gedrängt, belächelt oder verachtet wird. Dass es eine wirkliche Gemeinschaft gibt, in der jeder seinen Platz hat und haben darf. Dass die Gottesdienste das Zentrum der Gemeinde sind. Alle, junge und alte, Suchende und solche, die sich schon längst gefunden wissen, kommen zusammen und feiern, dass sie zu Christus gehören und zu einander. Vergegenwärtigen sich und feiern die Liebe Gottes, die ihnen gilt und genau so dem Nächsten neben ihnen. Begreifen, es geht nicht um Sympathie und Antipathie, es geht nicht darum, sich zu mögen, aus dem gleichen Stall zu sein und deshalb den Stallgeruch wieder zu erkennen, sondern darum, zu wissen, zu wem man gehört und die Kreise auf zu schließen auch für all die, die ihren Platz noch suchen.

Wenn wir genau hinhören, dann ist dies zwar eine Liebeserklärung aus tief empfundener Dankbarkeit, aber es ist keine Zeugnisvergabe, keine Beurteilung der Gemeinde als solche. Eben nicht: „Das habt ihr aber gut gemacht! Ich bin stolz auf Euch, ich, der ich Euch erfunden habe. Ich, der ich euch erst zu dieser Gemeinschaft gemacht habe. Ich bin gegeistert von euch und dem, was ihr tut!

Nein, gerade nicht!

Dies ist keine Lobeshymne auf die Gemeinde, sondern es ist ein Dankgebet an Gott.

Paulus spielt „über Bande“ sozusagen, wie er es oft tut. Das kann man mögen oder etwas sperrig finden, genau das ist aber das Zentrum seiner Botschaft.

Genau das ist das Geheimnis, auf das er hinaus will. Genau das ist der Blick, den er unters Volk bringen will, dieses „Sehen“, diese „Weltsicht“ will er weitersagen, lehren. Dass Gott dahinter steht, immer. Dass Gott darin spielt. Zu
jeder Zeit. Dass Gott gründet, wachsen lässt, erhält. Gott, Christus, der Heilige Geist. Nicht Paulus, nicht er. Gott allein, und darum auch nicht wir!

Paulus spielt eigentlich immer „über Bande“, weil es ihm genau darum geht, diesen Dritten im Bunde, den, um den es eigentlich geht, der das Eigentliche bewirkt und bewegt, immer wieder ins Zentrum seiner Verkündigung und in unser Bewusstsein zu bringen.

Darum sagt er nicht : „Ich danke Euch“, obwohl er sicher auch allen Grund hätte, dieser Gemeinde zu danken und den Menschen, die ihm persönlich so zugetan sind und so herzlich ihm gegenüber, die ihn und seine Möglichkeiten so schätzen, die zu ihm aufsehen und auf ihn bauen. Schließlich hat er diese Gemeinde gegründet.

Paulus lobt nicht die Gemeinde, er lobt Gott und dankt ihm, sooft er an die Philipper denkt. Vielleicht denken Sie jetzt: „Das ist doch spitzfindig. Das ist doch im Grunde das Gleiche.

Genau das ist es nicht. Es ist im Gegenteil sehr wichtig, diesen Unterschied klar zu kriegen; denn es ist eine sehr beliebte Verwechslung von eigenem Ego mit Gott.

Ich hab es schon einmal in einem Gottesdienst erwähnt, dieses Bonmot, das ich wunderbar finde, weil es genau dies auf den Punkt bringt:

Ein sehr erfolgreicher Sportler hat gegen Ende seiner Karriere in einem Interview einmal gesagt: „Im Laufe meines Lebens habe ich zwei Dinge erkannt: Es gibt einen Gott. Und ich bin es nicht.“

Paulus hat das früh erkannt und begriffen, wie wichtig es ist, diese beiden Dinge nicht zu verwechseln. Und deshalb tut er es nicht. Und deshalb schreibt er auch uns diesen wichtigen Unterschied ins Stammbuch.

Gott ist es, der da in Philippi das gute Werk angefangen hat, der seinen Samen dort ausgestreut hat, der ihnen im Evangelium das Fundament unter die Füße gelegt hat. Auf diesem Fundament stehen die Christen in Philippi gemeinsam mit Paulus.

Auf diesem Fundament stehen auch wir. Nicht nur in Philippi zur Zeit des Paulus hat Gott das gute Werk angefangen, alle Tage fängt er sein gutes Werk von neuem an. Auch hier bei uns in Blankenese und genau so auch überall in der Welt. Das ist der Boden, in dem der Dank und die Freude des Paulus wurzeln. Wenn wir demütig genug sind, der Versuchung unseres Ego nicht zu erliegen und uns selbst für unersetzbar, für den Nabel der Welt und den eigentlich Baumeister einer Gemeinde zu halten, dann können wir nur einstimmen: Gott sei Dank, der sein Werk angefangen hat, bei den Philippern, bei uns, in aller Welt!

Was soll nun aus der Saat aufgehen, die Gott ausgestreut hat? Wie sieht das aus, was wachsen soll ? Worum bittet Paulus hier eigentlich?

„Ich bete darum, dass eure Liebe immer noch reicher werde an Erkenntnis und aller Erfahrung, so dass ihr prüfen könnt, was das Beste sei, damit ihr lauter und unanstößig seid für den Tag Christi, erfüllt mit Frucht der Gerechtigkeit durch Jesus Christus zur Ehre und zum Lobe Gottes.“

Kurz gesagt: ihre Liebe soll wachsen und tiefer werden, sie sollen mehr verstehen und begreifen von der Alchemie Gottes, davon, wie er an uns und in uns arbeitet und Gold gewinnt aus dem, was wir mitbringen in seine Werkstatt.

So dass letztendlich Gott geehrt und gelobt wird.

Lautere Menschen sollen sie, sollen wir werden. Lauteres Gold, das ist Gold, das geläutert wurde, Gold, das keine Verunreinigung mehr hat, ohne jede Beimischung rein ist, unverfälscht. Unverfälschte, durch und durch klare offene Menschen sollen wir werden, mit einem gerade Rückgrat. Leuchten, nicht nur von außen gesehen, sondern auch von innen. Menschen, die mit sich, mit ihren Mitmenschen und mit Gott im Reinen sind, Menschen, die ganz
geistesgegenwärtig vertrauensvoll und hilfreich handeln können, deren Gerechtigkeitssinn sich immer weiter fortbildet und Früchte bringt wie ein guter Baum. Bringt, nicht bringen soll. Bringt, ganz natürlich wie ein Baum seine Frucht bringt zu seiner Zeit, wenn die Zeit dafür gekommen ist.

Das ist ein hehres Bild und ein sehr schönes, finde ich. Können wir so sein oder zumindest so werden? Kann unsere Gemeinde so sein oder zumindest so werden, wie Paulus es hier von den Philippern sagt?

Oder ist das nur ein unerreichbares Ideal, ein schöner Traum, eine etwas gewagte Illusion?

Auch hier spielt Paulus wieder „über Bande“. Zwei Dinge: Gott existiert und ich bin es nicht.

Paulus bittet Gott für seine Gemeinde darum. Gott ist der, der das Werk seiner Liebe angefangen, der gesät hat. Gott wird es auch weiter wachsen, gedeihen lassen.

Es ist ja schon so viel da, damals in Philippi und genau so heute in unserer Gemeinde. Es gibt ja immer schon so viel Grund, Gott zu danken, auch für diese Gemeinde. Für all die Menschen, die hier so zuverlässig, treu und gut ihre Arbeit tun, ehren- und hauptamtlich, oft ohne viel Aufhebens darum. Die Hilfe untereinander organisieren, einander im Blick behalten in der Gemeinde und in der Nachbarschaft. Da ist viel Liebe unterwegs, längst, und auch viel beherzter Einsatz, schon jetzt. Was aber immer noch wachsen kann, so Paulus, ist Erkenntnis und Erfahrung, - die Erkenntnis der Liebe Gottes und die Erfahrung mit diesem Gott.

Eine Praxis pietatis, eine Glaubenspraxis, die kann immer noch wachsen, ein Erkennen, Feiern, immer wieder sich hineinstellen in diesen Segensstrom. So dass daraus eine lebendige Praxis im Alltag wird, so dass persönliche Glaubenserfahrung und ein dieser Erfahrung entsprechendes Handeln zusammengehören und nicht auseinanderfallen.

Wenn wir diese Mitte miteinander vertiefen, wenn auch wir anfangen – wie Paulus „über Bande zu spielen“, dann wachsen Liebe und Gemeinschaft von der Oberfläche in eine Tiefe, die über Gefühle und Emotionen, über Sympathien und gesellschaftliche Vertrautheiten hinausreicht, dann sind wir alle miteinander wirklich Gemeinde Jesu Christi. Dann schließen wir auch die mit ein, die uns nicht so sympathisch sind, deren Auftreten und Frömmigkeit anders aussieht als unser Auftreten und unsere Frömmigkeit, um die wir sonst vielleicht lieber einen
kleinen oder großen Bogen machen.

Paulus traut uns zu, uns selbst Gedanken zu machen und wichtiger noch, eigene Erfahrungen zu machen mit Gott und seinem Handeln an uns und unserer Welt. Er traut uns zu, den Dritten im Bunde uns läutern zu lassen bis wir ganz rein sind und demütig genug, ihm nicht im Weg zu stehen, wenn er an uns und an seiner Welt handeln will.

Dann begreifen wir immer besser, dass all unsere begrenzte Liebe aus der unbegrenzten Quelle von Liebe Gottes entspringt und gespeist wird und alles Handeln und Tun aus Liebe Frucht von dieser Liebe ist. Dann begreifen wir nach und nach, dass es nicht darum geht, gut zu sein oder besser, am besten die Besten. Sondern dass es darum geht, vertrauen zu lernen, Gott vertrauen zu lernen, wenn er – auf seine Weise- an uns arbeitet. Auch dann, gerade dann, wenn er uns läutert in Zeiten von Krisen und Zumutungen. Denn gewinnt Wesentliche immer deutlicher an Kontur und unser wahres Wesen erscheint in uns und um uns. Also: Festhalten an dem, was uns zugesagt ist. Aushalten, was uns zugemutet wird. Im Vertrauen darauf, dass Gott, der das gute Werk in uns begonnen hat, es auch vollenden wird, darum geht es.

Der ganze Brief des Paulus ist wie vollgesogen mit Dank und Freude. Weil Paulus Gott vertraut. Weil Paulus Gottes Liebe und seine Möglichkeiten am eigenen Leibe erfahren hat. Weil er weiß, wie es sich anfühlt, wenn Gott einen Menschen läutert und an ihm arbeitet. Weil Gott ihn selbst durch die dunkle Nacht seiner Seele sicher navigiert hat zu neuen Ufern, an denen er ihn haben wollte. Darum vertraut Paulus auf Gottes Treue. Selbst jetzt, wo er im Gefängnis sitzt und alles anders läuft als er sich das gewünscht hätte.

In ihm spielt Liebe, Dankbarkeit, Zuversicht. Und Gottvertrauen. Für seine Gemeinde in Philippi. Und auch für uns, die wir zur Gemeinde Gottes gehören.

Amen.

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