4. Advent: 2 Kor 1, 18-22

18.12.2016 | 11:00

Gnade sei mit Euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt. Amen.

Es ist nur ein Wort im griechischen Urtext, an dem unser Predigttext seine Richtung nimmt – je nachdem, wie man es übersetzt. Das Wort heißt πιστός [pisˈtɔs].
In der lutherischen Variante wird es mit "Zeuge" übersetzt: "Gott ist mein Zeuge, dass unser Wort an euch nicht ja und nein zugleich ist".

Hier wird Gott in Anspruch genommen für eine menschliche Handlung, nämlich die Predigt von Paulus und Silvanus und Timotheus an die Gemeinde von Korinth. Gott muss herhalten für die Predigt dreier Menschen – als Zeuge und nicht nur als Grund und Thema einer Predigt.

Wahrscheinlich muss Gott immer herhalten. Wohl deshalb treffen mich die Worte Martin Bubers über das "Wort Gott" immer wieder, weil ich Verantwortung habe dafür, was mit dem Wort Gott verbunden wird:

"Ja, es ist das beladenste aller Menschenworte. Keines ist so besudelt, so zerfetzt worden. Gerade deshalb darf ich darauf nicht verzichten.
Die Geschlechter der Menschen haben die Last ihres geängstigten Lebens auf dieses Wort gewälzt und es zu Boden gedrückt; es liegt im Staub und trägt ihrer aller Last. Die Geschlechter der Menschen mit ihren Religionsparteiungen haben das Wort zerrissen; sie haben dafür getötet und sind dafür gestorben; es trägt ihrer aller Fingerspur und ihrer aller Blut.
Wo fände ich ein Wort, das ihm gliche, um das Höchste zu bezeichnen! Nähme ich den reinsten, funkelndsten Begriff aus der innersten Schatzkammer der Philosophen, ich könnte darin doch nur ein unverbindliches Gedankenbild einfangen, nicht aber die Gegenwart dessen, den ich meine, dessen, den die Geschlechter der Menschen mit ihrem ungeheuren Leben und Sterben verehrt und erniedrigt haben ..."

(M. Buber: Gottesfinsternis, zitiert bei H. Küng: Der Anfang aller Dinge, S. 121).

Nein, ich nehme Gott nicht als Zeugen, ich kann es gar nicht, er steht nicht als Person an meiner Seite anderen gegenüber.
Deshalb schlage ich eine andere Richtung ein, die mir mit dem Wort πιστός offen steht: es bedeutet nämlich auch "treu" und "zuverlässig". Und dann heißt es: "Gott ist zuverlässig und treu, sodass unser Wort an euch nicht ja und nein zugleich ist".

Auch hier stocke ich noch: die Konsequenz aus Gottes Zuverlässigkeit und Treue bedeutet ja nicht automatisch, dass mein Wort, unser Wort über Gott immer eindeutig und niemals doppelbödig ist, Ja und Nein zugleich. Gott ist zuverlässig und treu, weil – ich nehme den großen Satz aus dem 1. Johannesbrief hinzu, weil er Liebe ist. Doch wer von uns wolle für sich in Anspruch nehmen, dass er deshalb niemals lieb-los von Gott gedacht, geredet, in seinem Namen gehandelt hätte? Und weiter noch: Wer von uns, liebe Gemeinde, kann diesem Satz folgen: Gott ist zuverlässig und treu?

Als allgemeingültige Behauptung in diesen Kirchenraum gestellt, ja als Kanzelwort verkündet, ist sie doch bodenlos und mag Widerspruch oder Ablehnung bei manchen hervorrufen.
Sie trifft nicht überein mit persönlichen Erfahrungen, sie nimmt Menschen nicht ernst, die glauben, dass Gott ihnen etwas oder gar alles genommen habe, dass er ungerecht, ja zynisch ist.

Mir muss heute die kleine Margarete mit ihrem Taufspruch helfen. Sie selbst ist ein entzückendes Kind. Als ich sie letzten Donnerstag sah, war ich gleich hin und weg. So angelächelt zu werden, ist ein kleines Wunder. Sie ist ihren Eltern ein Überraschungspaket Gottes und ein Wunschkind zugleich, und was möchte man ihr mehr wünschen, als dass sie von einer Liebe umfangen ist, die zuverlässig und treu von Menschen und von Gott her auf sie kommt?

"Fürchte dich nicht, ich bin mit dir; weiche nicht, denn ich bin dein Gott. Ich stärke dich, ich helfe dir auch, ich halte dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit." (Jes 41, 10)

Gottes Worte aber sind doch nicht zu hören, Gott redet doch nicht – jedenfalls nicht zu unsereins. Aber Gottes Wort kann sich mir ereignen, ich meine, Gott wahrzunehmen ganz tief und beglückend hinter manchen Worten der Bibel. Wie heute hinter Margaretes Taufspruch.

Und nur wenn eine persönliche Wahrnehmung dahinter steht – und die ist immer persönlich genommen, nicht objektiv als wahr gesetzt -, dann macht solch ein Satz Sinn: "Für mich ist Gott zuverlässig und treu". Deshalb singt Maria im Evangelium eben ihren Lobgesang als Antwort auf ein Ja Gottes, das sie für sich gehört hatte als ein Engelswort, als ein Geistgeschehen.

Es teilt sich Gottes Geist meinem Geiste mit, über Worte, und kann mich erfüllen, ergreifen – oder zweifeln lassen. Über Worte teilt sich Gottes Geist in einer Gemeinschaft von Menschen mit, einer Konfirmandengruppe, einer Gottesdienstgemeinde, und sie werden manchen zu Gottesworten, manche sprechen sie nicht an.

Wäre es anders, dann hätte Gott uns unsere Freiheit, unsere Würde genommen; er hätte uns überwältigt mit seiner Macht, die einen Menschen manipuliert, aber nicht gewonnen hätte.
Dennoch Gott zu glauben, im Angesicht seiner ohnmächtigen Macht, im Angesicht seiner Präsenz, die als nicht präsent gesehen werden, die immer bezweifelt werden kann, das erfordert den Mut des Vertrauens.
Es ist das Vertrauen, das es die Ohnmacht von Gottes Macht ist, die sich als mächtig erweist, es ist das Vertrauen, dass Gott es ist, der gegenwärtig ist in der Gottlosigkeit dieser Welt.

Paulus schreibt weiter: "Der Sohn Gottes, Jesus Christus, … der war nicht ja und nein, sondern es war Ja in ihm. Denn auf alle Gottverheißungen ist in ihm das Ja."

Jesus als leibhaftiges Ja Gottes.

Das ist stark. Das wirft ein kritisches und zugleich warmes Licht auf all meine lauen Jas, gesprochen ohne mein Einverständnis, auf die entschiedenen Jeins, die wir uns immer wieder aus der Politik anhören müssen und auf die paar wenigen großen Jas, die mein Leben ausmachen:
Das Ja meiner Eltern zu mir, das Ja der Eltern heute zu ihrer kleinen Tochter, das Ja zu meinen Freunden, das Ja zu meiner Frau in dieser Kirche, das Ja zu meinen Kindern. Gott hat ein Ja geschenkt und das ist ein wunderschönes Geschenk, ein richtiges Weihnachtsgeschenk.
Ein solches Ja ist das gesündeste und gütigste und barmherzigste Wort aller Wörter. Ja kommt aus der Freiheit des Gottes-Geistes, Ja atmet Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut.

Und wir sind eingeladen, darauf Amen zu sagen. Amen heißt nach Luthers Übersetzung: "es werde wahr" (vgl. EG 344, 9).

Glaube ist somit nicht auf Besitz und Erfülltsein ausgerichtet, sondern auf Hoffnung. Hoffnung führt uns durch Menschenleid und –schuld, Hoffnung wird gestärkt und gefeiert, wo immer sich für uns das Ja Gottes in unserem Leben spiegelt.

Sage ich nun zu Gottes Ja mein Amen - mein "ja, es werde wahr", dann stehe ich im Wort und in der Nachfolge Jesu. So wie er es lebte und zu den anderen, vor allem zu denen, die unter dem Nein der Menschen lebten, brachte, so habe ich nun Ja zu sagen zu den Menschen und zur Welt. Und erkenne doch immer wieder mein Nein.
Deshalb muss immer wieder Weihnachten werden, deshalb muss dieses Ja immer wieder in diese Welt kommen, auch in meine Welt. Und will seinen Gang nehmen, will sich durchsetzen, will sich messen mit dem Nein von Eigennutz, Machtmissbrauch und Feindschaft – bis dahin, dass es wieder zu scheitern droht und am Kreuz Jesu zu streben scheint. Auch Karfreitag wird werden.

Die Antwort Gottes auf das Nein der Menschen aber war und bleibt wieder und wieder ein Ja des Lebens und der Liebe. Ostern wird Hoffnung stärken.

Zum Schluss heißt es im Predigttext: "Gott ist's aber, der uns fest macht samt euch in Christus und uns gesalbt und versiegelt und in unsre Herzen als Unterpfand den Geist gegeben hat".

Gott teilt sich mit, pfingstlich. In einem Gottesdienst spiegelt sich immer das ganze Kirchenjahr mit seinen großen Festen. Wollten wir diese Geist-Mitteilung in Worte fassen, dann komm ich wieder nicht an Margaretes Taufspruch vorbei:

"Fürchte dich nicht, ich bin mit dir; weiche nicht, denn ich bin dein Gott. Ich stärke dich, ich helfe dir auch, ich halte dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit."

Sprechen wir, wenn Sie einstimmen können, auf ein göttliches Ja unser Amen …

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