4. S. n. Epiphanias, 2. Februar 2014

02.02.2014 | 11:00

Liebe Gemeinde, wie wir alle wissen, hat der Häuptling des kleinen gallischen Dorfes, in dem Asterix und Obelix leben und das den Römern unermüdlich Widerstand leistet, hat Majestix also nur eine Angst: dass ihm der Himmel auf den Kopf fallen könnte.
Es ist die Angst des antiken Menschen vor dem Zusammenbruch der Welt, des Weltgebäudes. Denn das Chaos, das sie umgibt ist stets da, zurückgehalten nur durch ein Himmelsgewölbe und eine Erdscheibe. Und das, was an Wassern durch die Fenster des Himmels, die Himmelsschleusen, oder durch die Brunnen der Erde oder ihre Spalten dringt, das kann, so Gott will, die Götter es wollen, jederzeit unkontrolliert über die Erde hereinrechen und sie zu dem Chaos machen, das sie umgibt und aus dem sie entstanden ist.
Und es ist der Mensch, der durch sein Verhalten auf dieser Erde den Anlass für das Hereinbrechen des Chaos bietet. Uralte Texte aus dem Zweistromland berichten, das immer stärker werdende Lärmen der Menschen hätte die Götter dermaßen erzürnt, dass sie beschlossen, die Sintflut loszulassen. Ich kann das gut verstehen, wer mal die Nächte auf Konfirmandenfreizeiten zu durchstehen hatte, weiß, wie der Zorn langsam anschwillt bis hin zu dem Vorsatz, nie mehr mit Konfis auf Freizeit zu fahren…

Das erste Buch Mose benennt in seiner Urgeschichte den Frevel oder die Sünde der Menschen als Grund der Sintflut, konkreter: die Gewalttat und den unermüdlichen Bruch der von Gott gesetzten Rechtsordnungen, die ein friedliches Zusammenleben sichern. Denn die Noahgeschichte unserer Bibel geht davon aus, dass die Menschheit insgesamt schon vor den Gesetzen, die das Volk Israel am Sinai bekam, sittliche Grundgebote von Gott erhalten hatte.
Sie werden in rabbinischer Tradition als „noachidische Gebote“ bezeichnet, und sie machen deutlich, dass die Menschheit insgesamt, ohne zur jüdischen oder christlichen Religion gehören zu müssen, ein gottgefälliges Leben führen soll und kann. Und es ist von Anfang an ein Leben, das den Mitmenschen im Blick hat und das Mitgeschöpf. Sieben noachidische Gebote gibt es in dieser Tradition:
„(1) Gebot der Rechtspflege
(2) Verbot von Götzendienst
(3) Verbot von Gotteslästerung
(4) Verbot von Unzucht
(5) Verbot des Blutvergießens
(6) Verbot des Raubs
(7) Verbot des Genusses eines Glieds vom lebendigen Tier“ (K.-J. Kuschel, Juden Christen Muslime, 284 f.) Sprich, das Verbot der Tierquälerei.
Wo diese Gebote permanent gebrochen werden, so sagt es die Geschichte des Noah, da droht nicht nur das Chaos, da bricht es irgendwann über die Menschheit hinein. Diese Geschichte zählt zu den Urgeschichten des Ersten oder Alten Testaments, sie beschreibt also keine Erlebnisse einzelner Mensch, erst recht nicht historischer Art,  sondern sie ist Mythos, beschreibt den Menschen in seinem Dasein und Sosein durch die Zeiten hindurch, in seinem Elend und in seiner Größe, seinen Fähigkeiten und seinem Größenwahn.

Es ließe sich trefflich eine literaturgeschichtliche Vorlesung über unseren Text halten. Bevor sich Panik auf die Gesichter der noch geneigten Zuhörerschaft legt, sage ich schon jetzt, dass das nicht passieren wird.
Doch ein paar Anmerkungen scheinen mir unumgänglich:
Unser Text ist eine Komposition aus zwei gänzlich unterschiedlichen Geschichtswerken, dem sogenannten Jahwisten und der sog. Priesterschrift, die beide die Geschichte Noahs überlieferten – mit je eigenen Akzenten und eigenem theologischen Hintergrund.  Die Komposition ist nicht ganz gelungen; die Zeitangaben sind schwer zu durchschauen und der arme Rabe fliegt sieben Tage hin und her, wir wissen nicht, was aus ihm wird, während unten die Erde schon trocken wurde. Die Taube dann fliegt schon wieder über das Wasser, das sich eben schon verzogen hatte und findet keinen Ort, wo sie sich niederlassen kann.

Den Redakteur, der die beiden Überlieferungsstücke für die uns vorliegende Endfassung zusammengefügt hat, scheinen solche Widersprüche nicht gekümmert zu haben, vielmehr unbekümmert scheint er darauf vertraut zu haben, dass seine Hörer und Leser schon begreifen werden, worauf es in dieser Geschichte wesentlich ankommt. Mir erschloss sich das alles nicht so schnell und lange wusste ich nicht, was ich denn wohl zu dieser Geschichte sagen solle.
Beeindruckt las ich aber die Vorlage der biblischen Sintflutgeschichte, die selbst noch ältere Vorlagen hatte.
Mittlerweile sind wir im zweiten Jahrtausend vor Christus, mindesten vierhundert Jahre vor dem Jahwisten und ein knappes Jahrtausend vor der Priesterschrift – beim Gilgameschepos. Und hier kommt auch meine Sorge um den Raben zur Ruhe:
Gilgamesch ist auf der Suche nach dem ewigen Leben und trifft auf seinen Ahnen Utnapischtim, der mit seiner Frau die Sintflut überlebt und mit ihr Unsterblichkeit erlangt hatte. Utnapischtim erzählt Gilgamesch seine Erlebnisse:
„Sechs Tage und sieben Nächte hält an der Orkan, die Flut, macht eben der Südsturm das Land. (Erst) als der siebente Tag herankam, hielt der Südsturm die Flut, das Rasen auf,
Der wie eine Gebärende (?) um sich geschlagen hatte.
Ruhig wurde das Meer, der Sturm legte sich, die Flut hörte auf.
Ich schaute nach dem Wetter: Stille war eingetreten,
Und alle Menschheit war zu Lehm geworden,
Das Land lag eingeebnet wie ein (flaches) Dach.
Ich öffnete eine Luke, und Licht fiel auf mein Gesicht.
Niedergebeugt saß ich und weinte,
Tränen flossen über mein Gesicht nieder.
Dann erblickte ich die Ufer des Meerbereichs:
Auf zwölf … stieg eine Insel auf,
Am Berge Nisir legte das Schiff an.
Der Berg Nisir hielt das Schiff, und ließ es nicht schwanken [ – ich kürze: über sieben Tage ging es so:]
Als der siebente Tag herankam,
Sandte ich eine Taube aus, ließ sie frei –
Die Taube flog weg, kam aber wieder,
Kein Rastplatz fiel ihr ins Auge, daher kehrte sie zurück.
Ich sandte eine Schwalbe aus, ließ sie frei –
Die Schwalbe flog weg, kam aber wieder,
Kein Rastplatz fiel ihr ins Auge, daher kehrte sie zurück.
Da sandte ich einen Raben aus, ließ ihn frei,
Der Rabe flog weg, sah, dass sich die Wasser (nun) verlaufen hatten,
Fand Fraß, flatterte umher (?), krächzte (?) und kehrte nicht mehr zurück.
Da ließ ich (alle) hinausgehen in die vier Winde, brachte ein Opfer dar.

Die Götter rochen den süßen Duft,
Wie Fliegen scharten sich die Götter um den Opfernden… (Religionsgeschichtliches Textbuch zum Alten Testament, hg. von W. Beyerlin, 2. durchges. Auflage, Göttingen 1985, 121 f.)

Wie bei uns Noah, so betritt hier Utnapischtim frei, aber erschüttert und gefährdet, ganz neu die Erde.
Nicht umsonst erinnert uns die Zahl der sieben Tage an den ersten biblischen Schöpfungsbericht; denn erneut ist das Chaos besiegt und Gott fängt neu mit seiner Schöpfung an – bei Noah der große eine Gott, im Gilgamesch Epos klingt noch eine deutliche und heftige Kritik an den Göttern an: Wie Fliegen scharten sich die Götter um den Opfernden…
Wessen Weltsicht erschüttert, wessen Existenz grundlegend in Frage gestellt wurde, der blickt nach dieser tiefen Krise neu auf die Welt und neu auf ihren Urgrund und ihr letztes Ziel.
Unsere Geschichte sagt:
„Gott gedachte an Noah und an alles wilde Getier und an alles Vieh, das mit ihm in der Arche war“. Und sie will sagen:
Ohne das Gedenken Gottes gäbe es den Fortbestand der Erde nicht. Die erste Auswirkung des Gedenkens Gottes ist der Rückgang der Chaosflut, so dass die Arche wieder festen Stand auf der Erde bekommt. Wortwörtlich „ruht“ sie auf dem Gebirge Ararat, ein Wortspiel im Hebräischen, denn der Name „Noah“ hat den gleichen Wortstamm wie das Verb „ruhen“.
Weil Gott an seine Menschen und an seine Geschöpfe denkt, kehrt Ruhe ein. Die Angst und das Chaos können jeden Menschen treffen, und sei er noch so gerecht wie Noah, noch so unschuldig, wie die Tiere in seiner Arche.
Und weil wir gleichsam im Plural leben, nehmen sie auch immer Mitmenschen und Mitgeschöpfe in den Griff.
Was mir genommen ist, wird zu einem Teil auch meinen Lieben genommen; fehlt mir Gesundheit, so schränkt sich die Lebenskraft meiner Familie ein, sehe ich keine Zukunft, so nehme ich anderen Perspektiven, gebe ich Hoffnung auf, so gebe ich immer auch Menschen und Geschöpfe auf, löst sich etwas in mir, dann auch bei anderen, glaube ich an einen Gott, der an seine Menschen und seine Geschöpfe denkt, so haben die anderen mein Mitdenken und mein Mitgefühl, erfüllt mich Ruhe, so schöpfen andere Atem.
Das ist der zentrale Satz, auf den die Noahgeschichte zielt: „Gott gedachte an Noah und an alles wilde Getier und an alles Vieh, das mit ihm in der Arche war“.

Hier liegt das Väterliche Gottes, das niemals Gott als Vater oder als Person beschrieben will, nur die göttliche Hinwendung, Geborgenheit, Ruhe, mit der ich neues Land beschreiten, die Welt neu sehen kann nach allem Schrecken und Chaos. Es ist das ewige Prinzip des Ewigen seinen Menschen und Geschöpfen gegenüber: „Siehe, ich mache alles neu.“
Die Auswirkungen dieses Glaubens hat Nelson Mandela bei seiner Antrittsrede zitiert:
„Du bist ein Kind Gottes.
Wenn du dich klein machst,
erweist du damit der Welt keinen Dienst.
Es ist nichts Erleuchtetes daran, dich zu ducken,
damit sich andere Leute
in deiner Gegenwart nicht unsicher fühlen.
Wir sind geboren worden, um den Glanz Gottes,
der in uns ist, zu verwirklichen.
Und er ist nicht nur in einigen von uns;
er ist in jedem Menschen.
Und wenn wir unser eigenes Licht strahlen lassen
geben wir unbewusst den anderen Menschen
die Erlaubnis, dasselbe zu tun.
Wenn wir uns von unserer eigenen Angst befreit haben,
befreit unsere Gegenwart automatisch auch andere.“

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Theologin Petra Bahr neu im Deutschen Ethikrat

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Kleine Abendmusik vom Turm

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08.05.2020
EKD-Newsletter: Die Aufzeichnung des Ökumenischen Gottesdienstes aus dem  Berliner Dom ist noch in der Mediathek der ARD verfügbar: Am Gottesdienst wirkten der Ratsvorsitzende der EKD, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Georg Bätzing, sowie der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK), Erzpriester Radu Constantin Miron, mit.
 
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Willkommen zurück: Gottesdienst in der Blankeneser Kirche!

07.05.2020

 

So 10. Mai, 10 + 11 Uhr | Kirche | Predigt: Pastor Thomas Warnke
Musik: Kantor Stefan Scharff, Karin Klose, Gesang
Die Kirchengemeinde schreibt: "Wir dürfen wieder Gottesdienst in der Kirche feiern. Und so wagen wir am kommenden Sonntag „Kantate“, dem 10. Mai, einen Neuanfang. Strenge Auflagen sind zu bedenken: Sicherheitsabstände von zwei Metern, Hygiene-Regeln, Masken-Pflicht. Singen ist noch nicht erlaubt, dafür aber Summen – und natürlich musikalische Begleitung durch Orgel und Solisten. Trotzdem wird es ein schöner, ganz besonderer Gottesdienst werden!

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