Jeremia 9, 23+24

12.02.2006 | 01:00

Burkhard Senf

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.
 
Liebe Gemeinde,
kennen Sie noch den alten Werbespot der Sparkasse aus dem Fernsehen?,
Da treffen sich nach langer Zeit zwei alte Schulfreunde in der Kneipe wieder, und der eine knallt Fotos auf den Tisch: „Mein Haus. Mein Auto. Mein Boot.“ Und der andere kontert: „Mein Haus. Mein Auto. Mein Boot. – und fügt stolz hinzu: Meine Pferde. Meine Pferdepflegerinnen.“?
 
Sicher - es ist bewundernswert, wenn jemand etwas hat, das er voller Stolz zeigen kann. Aber es ist meiner Meinung nach bemitleidenswert, wenn es jemand nötig hat, damit so anzugeben, wie diese beiden es tun.
 
Jemand, der etwas erreicht, ist durchaus angesehen – aber jemand, der damit angeben muss, ist es nicht. Denn Angeber sehen nur sich selbst, was sie haben und was sie können.
Andere kommen für sie gar nicht in den Blick, oder wenn überhaupt, dann nur als Menschen, denen sie etwas zeigen wollen.
So ist es auch bei diesen beiden alten Schulfreunden: sie sehen jeder nur auf sich, der andere ist ihnen im Grunde völlig gleichgültig.
 
So etwas kennen wir vielleicht auch aus eigener Erfahrung. Dieser Spot ist wahrscheinlich vielen noch gut im Gedächtnis, weil er ein Verhalten aufgreift, das sehr menschlich ist.
 
Dieses Problem des Prahlens ist offensichtlich nicht neu, denn schon im Alten Testament wird davon berichtet. Bei Jeremia gibt es eine Stelle, in der von einem ganz ähnlichen Verhalten die Rede ist, aber auch eine Alternative aufgezeigt wird. Es ist der Predigttext für den heutigen Sonntag. Dort lesen wir:
 
So spricht der Herr: Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weisheit, ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke, ein Reicher rühme sich nicht seines Reichtums.
Sondern wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, dass er klug sei und mich kenne, dass ich der Herr bin, der Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übt auf Erden; denn solches gefällt mir, spricht der Herr.
 
Ein Weiser, ein Starker, ein Reicher. Und allen dreien wird gesagt:
„Rühme dich nicht dessen, was du hast“, das heißt mit anderen Worten:
„Verlass dich nicht alleine darauf und gib nicht damit an.“
 
Es heißt aber übrigens nicht: „Schäme dich dessen“. Das ist ein Unterschied, der oft überhört wird. Gott ist kein Neider oder Spielverderber, dem es missfällt, wenn jemand viel Geld hat oder großes Ansehen genießt.
Ich glaube sogar, dass sich Gott darüber freut, wenn wir etwas Besonderes haben oder können und wenn wir uns positiv entwickeln.
Gott möchte, dass wir unsere Begabungen, die er in uns hinein gelegt hat auch ausreizen und einsetzen. Und wenn wir in dabei eine starke und einflussreiche Persönlichkeit werden, dann möchte Gott, dass wir weise damit umgehen und mit dem, was uns anvertraut ist, Gutes bewirken.
Es geht nicht darum, sich für etwas zu schämen, das man erreicht hat, sondern damit weise, dankbar und auch demütig umzugehen.
 
Man könnte diese Stelle bei Jeremia ja auch anders verstehen und denken:
Wenn man sich nicht seiner Weisheit, seiner Stärke und seines Reichtums rühmen solle, dann sei es wohl erstrebenswert, möglichst dumm, schwach oder arm zu sein. Aber das ist sicher nicht gemeint.
 
Wo aber liegt dann das Problem? Ich möchte es an einer kleinen Beispielgeschichte verdeutlichen:
 
Ein Mann kommt zu einem Rabbi und fragt ihn: „Rabbi, worin besteht die Gefahr des Reichtums?“
Der Rabbi sagt: „Sieh aus dem Fenster auf die Straße. Was siehst du?“
„Ich sehe Kinder spielen, ich sehe einen alten Mann, ich sehe eine Frau, die ihre Einkäufe nach Hause trägt.“
„Gut“, sagt der Rabbi, „und jetzt stell dich hier vor den Spiegel. Was siehst du nun?“
„Na, was werde ich schon sehen – mich natürlich.“
„Ja, so ist es. Das Fenster ist aus Glas gemacht und der Spiegel ist auch aus Glas gemacht. Der einzige Unterschied ist eine dünne Schicht Silber hinter der Oberfläche des Spiegelglases, und schon siehst du nur noch dich selbst.“
 
Das ist die Gefahr des Reichtums, wenn man sich zu sehr auf eine Sache verlässt, die man selbst hat oder kann: dass man nur sich selbst sieht und sich letztlich nur noch um sich selber dreht.
 
Das ist die Gefahr des Reichtums, aber auch bei all den anderen Dingen, mit denen man etwas gelten und auf die man sich verlassen will:
meine Bildung, mein Einfluss... oder auch meine Opferbereitschaft: mein Glaube, meine Frömmigkeit, meine tolle Gemeindegruppe, meine Clique zu der ich gehöre…
 
Wenn man das so betrachtet, dann sieht man nur auf sich selbst.
Wenn man etwas nur hat und tut, um etwas zu gelten, wenn man es nur „für sich“ hat, dann ist es letztlich nicht viel wert.
Und dann verkümmert das Leben, weil etwas Entscheidendes fehlt.
 
Es ist dann wie bei einem berühmten Mann in den USA, der äußerst erfolgreich war. Mit 33 Jahren hatte er die erste Million Dollar verdient, mit 43 beherrschte er das größte Unternehmen der Erde, und mit 53 Jahren war er der erste Dollarmilliardär überhaupt.
Sein Ehrgeiz trieb ihn zu immer neuen Höchstleistungen an, aber er war nicht glücklich damit. Im Gegenteil:
John Rockefeller war sehr unglücklich und wurde schwer krank. Er verdiente eine Million Dollar in der Woche, aber er war einsam, verhasst, bitter und ruhelos.
Sein Körper war ausgemergelt und er konnte nur noch Zwieback und Milch schlürfen.
Aber in langen, durchwachten Nächten ging ihm etwas auf.
Er kam zur Besinnung und beschloss, sein Geld nicht mehr nur für sich selbst anzuhäufen. Er gründete die berühmten Rockefellerstiftungen.
Sein Geld ging an Universitäten, Krankenhäuser und Missionsgesellschaften, und half, Krankheit und Hunger in der Welt zu lindern und das Evangelium von Jesus Christus in der Welt zu verbreiten.
Und als er das getan hatte, geschah auch für ihn ein Wunder: er wurde tatsächlich wieder gesund. Er konnte wieder schlafen, Hass und Bitterkeit wichen von ihm – John Rockefeller blühte noch einmal auf und wurde 98 Jahre alt.
 
John Rockefeller hat sich grundsätzlich verändert, er hat eine neue Beziehung zu Menschen aufgenommen. Er hat nicht mehr nur sich selbst gesehen, sondern die anderen in ihrer Not wahrgenommen. Und er hat ihnen mit dem geholfen, was er hatte – mit seinem Geld. Als er es nur für sich haben wollte, da war er eigentlich arm, aber als er sein Geld für andere eingesetzt hat, da hat er den wahren Reichtum erst erkannt.
 
Das ist sicher ein extremes Beispiel, denn Rockefeller war außergewöhnlich reich. Aber das Prinzip dahinter ist dasselbe, das wir auch im täglichen Leben beobachten können:
Wenn wir etwas Besonderes haben oder können, und es nur für uns verwenden, dann lebt es nicht mehr und schafft auch kein Leben und keine Beziehung.
Es ist dann, als hätten wir es in uns selbst vergraben. Geld alleine macht noch nicht glücklich und auch Bildung oder Stärke sind an sich keine Glücksgaranten.
Erst wenn man es für andere und sich selbst einsetzt, dann wird es wirklich wertvoll.
 
John Rockefeller hat etwas von dem erlebt, was passieren kann, wenn man im Leben nicht nur auf seine Weisheit, seinen Einfluss und seinen Reichtum sieht, sondern wenn man andere in den Blick nimmt und sieht, wie man ihnen helfen und begegnen kann.
 
Mit Worten aus dem Predigttext könnte ich auch sagen: er hat erlebt, was es heißt, auf der Grundlage von „Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit“ zu leben.
Das ist nämlich die Alternative, von der wir dort hören.
Barmherzigkeit heißt, den Anderen mit seiner Persönlichkeit und seinen Bedürfnissen zu sehen. Barmherzigkeit – das bedeutet das Herz bei den Armen zu haben.
Und nach Recht und Gerechtigkeit zu leben heißt, dem anderen das zu geben, was er braucht und dafür eben das einzusetzen, was man selbst hat.
 
Es ist sicher gut und richtig, nach „Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit“ zu handeln. Aber das ist oft sehr schwer.
Zwar hat nicht jeder so viel abzugeben wie John Rockefeller, aber viele stellen sich die Frage: wenn ich loslasse und abgebe, werde ich dann selbst genug haben?
 
Dahinter steckt eine grundsätzliche Angst. Und die erstreckt sich nicht nur auf finanzielle Fragen, sondern durchzieht das ganze Leben:
Werde ich selbst genug haben?
Ich kenne diese Fragen aus eigener Erfahrung – es fällt schwer loszulassen und den anderen in den Blick zu bekommen.
Es ist schwer, nicht nur meine Weisheit meine Stärke und meinen Besitz zu sehen.
 
Solch ein Verhalten ist wahrscheinlich überhaupt nur im Glauben möglich, im Glauben, dass ich nicht zu kurz kommen werde – dass da einer ist, der für mich sorgt – der gerecht und barmherzig ist.
 
Und genau so verstehe ich den heutigen Predigttext: als Aufruf, Gott zu vertrauen. Denn im Text steht eine Zusage Gottes; es heißt dort: „Ich, Gott, tue Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit.“
Und das heißt doch auch, er tut es für uns. „Barmherzigkeit“ heißt dann, dass Gott auf jeden Fall sieht, was wir brauchen, und dass ihn unser Ergehen nicht kalt lässt.
Ganz im Gegenteil. Jesus hat in der Bergpredigt gesagt, dass der Vater im Himmel sieht was wir benötigen und dass wir uns nicht sorgen müssen, weil ER für uns sorgt.
Das ist ein Versprechen Gottes, und Gott ist zuverlässig in dem, was er verspricht. Gott ist treu und auf diese Treue können wir uns verlassen.
 
Mit diesem Wissen im Hintergrund brauche ich mich nicht egoistisch auf mein Durchsetzungsvermögen zu verlassen und alles selbst in der Hand zu haben.
Ich kann loslassen und meine Hände öffnen für die anderen und für das Leben – für Gott, der mir in Jesus Christus entgegen kommt.
 
Dann habe ich doch schon viel mehr als ich mit all meiner Weisheit und Stärke erkämpfen könnte. Wer in diesem Vertrauen auf Gottes Barmherzigkeit, Gerechtigkeit und Treue lebt, der ist wirklich stark und weise, weil er Möglichkeiten zu neuem Leben eröffnet, für neue Beziehungen und ein neues Miteinander.
Und er ist dann wirklich reich und kann auch andere reich machen.
 
Erinnern Sie sich noch an den Werbespot der Sparkasse mit den beiden Schulfreunden? Wenn es nach Jeremia ginge, dann würde der sicher anders aussehen. Da würde der eine dann protzen und sagen: „Meine Weisheit. Meine Stärke. Mein Reichtum.“ Und der andere würde nicht etwa kontern und noch mehr bieten, sondern er würde vielleicht sagen:
 
„Weißt du was? Dieses Spiel brauche ich nicht mit zu spielen. – Ich möchte dir viel lieber wirklich begegnen, mit allem was dich ausmacht – auch mit deinen Schwächen.“
 
Und wenn er doch mit etwas „angeben“ wollte, dann nicht mit etwas, das er hat, sondern mit etwas, das er erlebt hat, weil er sich darauf eingelassen hat:
 
Nach Jeremia sollen wir uns allenfalls dessen rühmen, dass wir Gott kennen.
„Gottes Barmherzigkeit, die er in Jesus Christus gezeigt hat und die uns in der Taufe zugesprochen wird.
Wir kennen Gottes Gerechtigkeit, die er jedem Menschen versprochen hat.
Und wissen von Gottes Treue, die allen Menschen gilt, die sich ihm anvertrauen.
 
Ich rufe uns noch einmal den Wochenspruch dieses Sonntages in Erinnerung: Wir liegen vor dir mit unserem Gebet und vertrauen nicht auf unsere Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit.
 
Letztlich geht es nicht darum, dass wir uns rühmen,
sondern dass wir Gott rühmen und ehren.
 
Ich habe mit einigen Konfirmanden über diesen Text gesprochen und wir haben gemeinsam festgestellt,
dass der Glaube an Gott letztlich ja ein Geschenk ist – ich kann nicht wirklich damit angeben, dass ich an Gott glaube.
 
Denn Gott allein ermöglicht neues Leben – er kommt mir in Jesus Christus ganz nahe und lädt mich ein, mich ihm anzuvertrauen.
Das einzige was ich tun kann ist, mich von ihm berühren zu lassen und mich ihm anzuvertrauen –
z.B. in einer bewussten Entscheidung für die Taufe – am Tag der Taufe und immer wieder neu im Glaubensleben.
Aber Rühmen sollten wir nicht uns, sondern Gott.
J.S.Bach: S.d.G. – soli Deo Gloria – allein Gott die Ehre.
 
Lassen wir also das angeben und rühmen – geben wir doch lieber ab.
Lassen wir das eigene Rühmen – rühmen wir lieber Gott und ehren ihn, dem Ehre gebührt in Ewigkeit. Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als all unser Verstehen, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.

Zurück

Theologin Petra Bahr neu im Deutschen Ethikrat

21.05.2020

Hannover (epd). Die evangelische Theologin und Ethik-Expertin Petra Bahr hat acht Wochen nach dem Beginn der Corona-Krise an die Eigenverantwortung der Menschen appelliert. In der aktuellen Phase der Krise mit vorsichtigeren Lockerungen werde es viel schwieriger, angemessen mit der Bedrohung durch das Coronavirus umzugehen als vorher, sagte die hannoversche Regionalbischöfin am Donnerstag dem Evangelischen Pressedienst (epd).

weiter...

Kleine Abendmusik vom Turm

13.05.2020

Unsichtbar, aber voller Kraft: Jeden Mittwoch und Sonntag schallen – seit zwei Wochen schon - nach dem abendlichen Glockengeläut um kurz nach 18 Uhr Trompeten-Choräle aus dem Kirchturm in den Ort hinunter. Der Turmbläser, dessen Musik viele Menschen aus dem Umfeld der Kirche erfreut, möchte ungenannt bleiben. Wir fühlen uns reich beschenkt – und danken ihm herzlich!

Der zentrale ökumenische Gottesdienst zum 75. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges

08.05.2020
EKD-Newsletter: Die Aufzeichnung des Ökumenischen Gottesdienstes aus dem  Berliner Dom ist noch in der Mediathek der ARD verfügbar: Am Gottesdienst wirkten der Ratsvorsitzende der EKD, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Georg Bätzing, sowie der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK), Erzpriester Radu Constantin Miron, mit.
 
Die Predigt hielten Heinrich Bedford-Strohm und Georg Bätzing gemeinsam. Der Gottesdienst stand unter dem Leitwort „Frieden!“ und fragte nach der Verantwortung, die aus der Befreiung von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft vor 75 Jahren heute für ein friedvolles Miteinander erwächst.

Willkommen zurück: Gottesdienst in der Blankeneser Kirche!

07.05.2020

 

So 10. Mai, 10 + 11 Uhr | Kirche | Predigt: Pastor Thomas Warnke
Musik: Kantor Stefan Scharff, Karin Klose, Gesang
Die Kirchengemeinde schreibt: "Wir dürfen wieder Gottesdienst in der Kirche feiern. Und so wagen wir am kommenden Sonntag „Kantate“, dem 10. Mai, einen Neuanfang. Strenge Auflagen sind zu bedenken: Sicherheitsabstände von zwei Metern, Hygiene-Regeln, Masken-Pflicht. Singen ist noch nicht erlaubt, dafür aber Summen – und natürlich musikalische Begleitung durch Orgel und Solisten. Trotzdem wird es ein schöner, ganz besonderer Gottesdienst werden!

weiter...