Jesaja 43, 19a

31.12.2007 | 23:28

Klaus-Georg Poehls

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt. Amen.

Liebe Gemeinde!

Er redet wie ein Naivling, wie ein unverbesserlicher Optimist. Er spricht gegen das Augenfällige, gegen die Wirklichkeit an. Er kann seinen Glauben einfach nicht anpassen an die Gegebenheiten; er vertraut nicht auf Wissen, vertraut offensichtlich nicht seinen Erfahrungen und erst recht nicht denen seines Volkes. Das Maß seines Glaubens liegt woanders und das macht ihn unglaubwürdig.

Wer sollte auf ihn hören? Gut, es gab die alten Geschichten und sie wurden treu weitererzählt. Erzählungen von der alten Heimat und dem alten Glauben. Abraham, Isaak und Jakob, Joseph, Mose und der Zug durch das Schilfmeer, die Zehn Gebote am Berg Sinai, der Einzug ins Land Israel, die Geschichte von Saul und David, von Salomo und dem wunderschönen Tempel, von Gottes Hilfe und seiner verlässlichen Liebe zu seinem Volk – all das wurde erzählt und gehört und ging manchem auch zu Herzen. Auch die Geschichten von Schuld und Versagen wurde nicht verschwiegen. Könige und Volk hatten Gott vergessen. Die Verschleppung ins Exil war die angemessene Strafe. Das war die Erklärung für ihre jetzige Lage. Immer wieder ging der neue Psalm über ihre Lippen. Einer von ihnen hatte formuliert: "An den Wassern zu Babel saßen wir und weinten, wenn wir an Zion gedachten" (Ps 137, 1).

Nachts am Feuer wurde all das erzählt unter dem schwarzen Himmel mit den unzähligen Sternen. Aber nicht weit lag die Stadt mit den riesigen Bauten, die fast Furcht einflößen konnten, mit den Brunnen, den Wehrtürmen. Sie gab Sicherheit, auch wenn sie selbst nur an ihrem Rand leben durften. Heimat war diese Stadt nicht, aber die Heimat, die in den Geschichten beschrieben wurde, die kannten die meisten nicht. Sie war verlorene Heimat der Alten, von denen die meisten schon tot waren, sie war aufgesetzte, fremde Heimat für die Jungen – ein Unding eigentlich. Heimat war eine Idee, ein schöner Gedanke im besten Falle, warum nicht auch Gott – nur eine Idee aus der Vergangenheit? Die Notwendigkeit sich hier einzurichten, und für viele gar nicht mal schlecht, ließ die Glaubensgeschichten zu Lagerfeuergeschichten verkommen.

Und nun dieser Jesaja, der nicht aufhört von einem Neuanfang zu reden. Er erwartet grundlegend Neues, eine neue Zeit. Er sieht einen Weg durch die Wüste in ein Land, das Heimat war und Heimat werden soll, er sieht ein neues Leben seines Volkes mit Gott. Und er sagt als Worte Gottes: "Siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr’s denn nicht?"

Jesaja weiß um die Schwierigkeiten, Neues zu erkennen. Ein großes Hindernis, ein richtiges Stück Blindheit sieht er darin, dass seine Mitmenschen sich an Vergangenes klammern, an Gewesenes gebunden sind. "Gedenkt nicht an das Frühere und achtet nicht auf das Vorige! Denn siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr's denn nicht?"

Jesaja will die Menschen umdrehen. Er wirft ihnen vor, dass sie die Geschichten von Gott und seinem Volk wie selbst angelegte Fesseln an die Vergangenheit hören und Gott selbst damit zum vergangenen Gott machen.

Er versteht die Geschichten anders und wirbt um dieses Verständnis; er nimmt Gott anders wahr und wirbt um diesen Gott: Die Geschichten nämlich sind ein Fenster in die Zukunft und Gott ist von vorn zu erwarten – und sei es aus der Wüste, in die niemand gern möchte, und in der niemand einen Weg für sich sieht.

Also, Mensch, dreh dich um und guck nach vorn!

"Siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr’s denn nicht?"

Das war die Jahreslosung über dem Jahr, an dessen Neige wir stehen.

Natürlich lädt sie ein, nach dem Neuen Ausschau zu halten, das in diesem nun zu Ende gehenden Jahr aufkeimte und mit dem wir in ein neues Jahr gehen.

War da was?

Ist es zu kleinkariert, wenn ich an die jede Woche neuen Blumen auf dem Altar denke, an den jeden Gottesdienst neuen Küster- und Lektorendienst, an jede neue Aktivität im Diakonischen Netzwerk oder im Freiwilligen Forum, an jeden neu ausgetragenen Gemeindebrief, wenn ich an neue Ausstellung "Weltreligionen – Weltfriede – Weltethos" denke, an die neuen Bänke hier in der Kirche erinnere und an die neuen Fugen zwischen den Mauern unserer Kirche? Ist es zu kleinkariert, wenn ich dankbar bin, Gott danke, für die Menschen, die uns dazu verhalfen und verhelfen?

Und ist es auf der anderen Seite schon an Größenwahn grenzend, wenn ich fasziniert bin von der Nachricht, dass wir eine Evangelische Schule hier unter unserem Kirchturm haben werden, dass wir auf kurz oder lang ein Hospiz haben werden, dass wir eine Gemeinde sein können, die Menschenkindern vom Anfang ihres Lebens bis zu ihrem Ende eine Heimat bieten kann? Darf ich mich trauen, Gott zu danken für die Menschen, die da hinter stehen, und für das Gelingen bisher, das doch Gnade ist? Ist es falsch, auf diese Gemeinde auch stolz zu sein, wenn ich höre, dass Juden und Muslime gern hierher kommen, sich herzlich aufgenommen fühlen?

"Siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr’s denn nicht?"

Was war da? Was haben wir, was habe ich nicht erkannt? Ständig Neues kommt über mich, manchmal soviel, dass es keinen Platz findet in mir, ich den Raum nicht habe, nicht schnell genug das Alte für Neues aufräumen oder gar wegtun konnte.

Natürlich muss ich mich fragen, und wir müssen es auch, wie es sein kann, dass eine junge Kollegin neu zu uns kommt, und keinen Platz bei uns findet, diese Gemeinde schon wieder verlässt. Wir werden uns als Kollegen und als Kirchenvorstand in den nächsten Wochen die Zeit nehmen, um zu gucken, was wir nicht erkannt, nicht gesehen haben, werden versuchen, unsere Achtsamkeit zu stärken. Es muss nicht alles Neue Raum bei uns finden, denn manches wird woanders besser aufgehoben sein, wird besser wachsen können. Aber Raum muss es geben, um genau zu sehen und zu betrachten, was neu werden will und kann.

Denn wie wird Neues? Neues ist ein Kind der Erkenntnis und Erkenntnis braucht Liebe zum Kleinen und Geringen, braucht Liebe und Respekt vorm Leben und seinen stets neuen Äußerungen, braucht Neugier auf das Leben. Im hebräischen Wort für "erkennen" schwingen nicht umsonst Achtsamkeit, Kennenlernen und Rücksichtnahme mit.

Letztlich muss, wer erkennen will, sich trauen, Gottes Gedanken nachzudenken, muss sich trauen, einer ganz bestimmten Gotteswahrnehmung zu folgen – Jesaja lädt genau dazu ein:

"Siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr’s denn nicht?"

Gott ist einer, der seine Menschen herausführt, aus allem, was sie bindet, er ist ein Gott des Exodus. Er führt uns heraus auch aus diesem Jahr in ein neues. Warum er das tut, hat Jesaja so geglaubt und als Worte Gottes aufgefasst: "Weil du in meinen Augen so wertgeachtet und auch herrlich bist und weil ich dich lieb habe."

Mit dieser Liebeserklärung Gottes an sein Volk, an das Volk Israel und seine Menschen und dann auch an das Volk der Christen – und dürfen wir bei uns Halt machen? – mit dieser Liebeserklärung Gottes beginnt das Neue, auch das neue Jahr. Wertgeachtet, herrlich und geliebt - Kinder Gottes dürfen ein ganz bestimmtes und wunderschönes

Lebensgefühl haben. Wertgeachtet, herrlich und geliebt lasst uns in ein neues Jahr gehen.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Zurück

Theologin Petra Bahr neu im Deutschen Ethikrat

21.05.2020

Hannover (epd). Die evangelische Theologin und Ethik-Expertin Petra Bahr hat acht Wochen nach dem Beginn der Corona-Krise an die Eigenverantwortung der Menschen appelliert. In der aktuellen Phase der Krise mit vorsichtigeren Lockerungen werde es viel schwieriger, angemessen mit der Bedrohung durch das Coronavirus umzugehen als vorher, sagte die hannoversche Regionalbischöfin am Donnerstag dem Evangelischen Pressedienst (epd).

weiter...

Kleine Abendmusik vom Turm

13.05.2020

Unsichtbar, aber voller Kraft: Jeden Mittwoch und Sonntag schallen – seit zwei Wochen schon - nach dem abendlichen Glockengeläut um kurz nach 18 Uhr Trompeten-Choräle aus dem Kirchturm in den Ort hinunter. Der Turmbläser, dessen Musik viele Menschen aus dem Umfeld der Kirche erfreut, möchte ungenannt bleiben. Wir fühlen uns reich beschenkt – und danken ihm herzlich!

Der zentrale ökumenische Gottesdienst zum 75. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges

08.05.2020
EKD-Newsletter: Die Aufzeichnung des Ökumenischen Gottesdienstes aus dem  Berliner Dom ist noch in der Mediathek der ARD verfügbar: Am Gottesdienst wirkten der Ratsvorsitzende der EKD, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Georg Bätzing, sowie der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK), Erzpriester Radu Constantin Miron, mit.
 
Die Predigt hielten Heinrich Bedford-Strohm und Georg Bätzing gemeinsam. Der Gottesdienst stand unter dem Leitwort „Frieden!“ und fragte nach der Verantwortung, die aus der Befreiung von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft vor 75 Jahren heute für ein friedvolles Miteinander erwächst.

Willkommen zurück: Gottesdienst in der Blankeneser Kirche!

07.05.2020

 

So 10. Mai, 10 + 11 Uhr | Kirche | Predigt: Pastor Thomas Warnke
Musik: Kantor Stefan Scharff, Karin Klose, Gesang
Die Kirchengemeinde schreibt: "Wir dürfen wieder Gottesdienst in der Kirche feiern. Und so wagen wir am kommenden Sonntag „Kantate“, dem 10. Mai, einen Neuanfang. Strenge Auflagen sind zu bedenken: Sicherheitsabstände von zwei Metern, Hygiene-Regeln, Masken-Pflicht. Singen ist noch nicht erlaubt, dafür aber Summen – und natürlich musikalische Begleitung durch Orgel und Solisten. Trotzdem wird es ein schöner, ganz besonderer Gottesdienst werden!

weiter...