Johannes 15, 1-8

03.05.2009 | 17:20

Klaus-Georg Poehls

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und unserem Herrn und Bruder Jesus Christus. Amen.

Liebe Gemeinde!
Das Bild von Jesus als dem Weinstock, von Gott als dem Weingärtner und den Jüngern als den Reben, es schweigt mich eher an. Vielleicht bin ich s zu sehr Norddeutscher und zu sehr Biertrinker, als dass ich dem Bild etwas abgewinnen könnte. Vielleicht fehlt mir der Anblick von Weinbergen, die Kenntnis vom Weinanbau, vielleicht auch die Erfahrung der harten Arbeit im Weinberg.
Jesus konnte auf alldem aufbauen, wenn er denn so geredet hat, wie Johannes es ihm heute mit dem Evangelium in den Mund legt. Die Menschen, die ihm zuhörten, wussten, wovon seine Bilder erzählen, sie hatten die Bilder nicht nur vor Augen, sondern im Herzen, sie wussten, wie sich Reben anfühlen, wie es duftet im Weinberg, wie einem da die Knochen wehtun können.

Mir fehlt das alles; ich bin einer, der Wein nur in der Flasche und aus dem Kelch oder Glas kennt, rede vom Wein wie einer, der Milch trinkt und noch nie eine lebendige Kuh gesehen, geschweige denn sie gemolken oder ihren Stall ausgemistet hat.

Ich habe also meine Skepsis, ob ich dem Bild in seiner Tiefe gerecht werden kann. Und noch ein Zugang ist mir versperrt: Wenn einer sagt „Ich bin“, dann sagt er zugleich „Du bist nicht“. Wenn einer sagt „Ich allein“ dann auch „und alle anderen nicht“. Und in der Tat ist das für den Evangelisten Johannes so: Jesus ist für ihn das eine „Ich“, an dem alles hängt: „Ich bin“, sagt der johanneische Jesus, „das Licht der Welt“, der gute Hirte“, „der Weg“, die „Auferstehung und das Leben“, „die Tür“, der „wahre Weinstock“.

Und wer diesen Jesus in seiner Einzigartigkeit, seiner Exklusivität nicht anerkennt und ihm nicht folgt, der wird von Gott verworfen. „Wer nicht in mir bleibt, der wird weggeworfen wie eine Rebe und verdorrt, und man sammelt sie und wirft sie ins Feuer und sie müssen brennen.“  
Glücklich, wer sich so gebunden weiß an Jesus, so an ihm hängt wie eine Rebe an dem Weinstock. Er oder sie darf sich verwurzelt wissen, gehalten und getragen, versorgt und umhegt. Wer so sein Leben führt, ist ein glücklich zu nennender Mensch, darf sich zu den Erwählten zählen. Denn, so ist ja die Verheißung: „Wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in euch bleiben, werdet ihr bitten, was ihr wollt, und es wird euch widerfahren. Darin wird mein Vater verherrlicht, dass ihr viel Frucht bringt und werdet meine Jünger.“

Solche Rede war wichtig für die jungen johanneischen Gemeinden. Eine kleine Gemeinde, eine kleine Kirche hatte sich gefunden und dies in durchaus feindlicher und übermächtiger Umgebung. Ihre Mitglieder brauchten starke Zusage: „Ihr seid auf dem richtigen Weg; Ihr seid mit Jesus Christus fest verbunden und in ihm sorgt Gott für Euch. Ihr habt alles, was Ihr braucht, nämlich die Worte Jesu Christi, ihr seid alles was ihr sein sollt, nämlich Jünger, die Frucht bringen.“  
Selbstbewusstsein durch Jesusbewußtsein, klare Zusage auf dem Hintergrund einer Absage an alle anderen und alles andere.

Mir kommen Begriffe von Profilierung und Positionierung in den Kopf. Sie kommen immer wieder vor, wenn es um das Leben in einer vielschichtigen und vielfältigen, multikulturellen und eben auch multireligiösen Gesellschaft geht. Oft sieht man sich, wenn man für das Miteinander der Religionen und Kulturen wirbt, dem Verdacht ausgesetzt, man habe ja schon die eigenen Position, den eigenen Glauben gar aufgegeben.
Ich weise nur daraufhin, dass es nicht nur eine profilierte Haltung ist zu sagen: „Das ist falsch oder du bist falsch“, sondern eine genauso profilierte  zum anderen zu sagen: „Das ist richtig und Du bist richtig“.
Wer sich den großen Weinberg Gottes anschaut, auf dem Jesus ein Weinstock ist, auf dem aber auch noch andere wachsen und gedeihen, Reben tragen und Frucht bringen, der kann sich zuerst einmal freuen und entdecken, dass es ungleich mehr gute Gründe gibt zu sagen „Du bist richtig“ als „Du bist falsch“. Und die gemeinsame Abgrenzung zum Falschen dürfte leichter und profunder ausfallen.

Manchmal kommt es mir so vor, dass die Erwählten in allen Religionen, die, die sich für die „Richtigen“ halten, weil sie genau wissen, wer die Falschen sind, dass die Gott selbst zum Gefangenen ihrer eigenen Erwählungsvorstellungen machen und Gott nicht sein lassen, was er doch nach dem Evangelium Jesu Christi ist: nämlich unbedingte und unbegrenzte Liebe.

Gott arbeitet an den Menschen, müht sich ab, pflegt und kümmert sich und er ist auch allein, der aussortiert und verwirft – und hier hilft immer noch die Differenzierung des Theologen Karl Barth: Gott liebt den Sünder, aber er hasst die Sünde.
Und für uns als Christen heißt das, Gott schafft uns in Christus neu, lässt Altes vergehen, lässt Neues werden. Und in seiner unbegrenzten und bedingungslosen Liebe wird er dies auch mit den Menschen anderer Religionen und – hier muss ich die Worte „unbedingt“ und „unbegrenzt“ noch einmal schlucken – und auch mit den Menschen ohne Religion tun.  
Er, der Schöpfergott, der die Menschen so kunstvoll bereitet hat, sie begabt und in die Freiheit gestellt hat, dieses ihr Leben zu führen, ist doch kein anderer als der Gott, der über Jesus an den Menschen handelt.

Und so behält, das ist mein Glaube, ein jeder Mensch seinen einzigartigen Wert vor Gott – auch und gerade, wenn er oder sie völlig bindungs- und haltlos am Boden liegt.

Damit hat sich aber noch nicht die Frage erübrigt, was ich denn wäre ohne die Bindung an Jesus. Und davor liegt ja noch die Frage, ob ich mich denn in einer derartigen Abhängigkeit zu Jesus sehe, wie sie das Bild von Weinstock und Rebe vorstellt.
„Wie die Rebe keine Frucht bringen kann aus sich selbst, wenn sie nicht am Weinstock bleibt, so auch ihr nicht, wenn ihr nicht in mir bleibt. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun.“

Und ich blicke auf unseren Ort hier und sehe viele Menschen, die viel tun, die sich mit viel Zeit und Mühe einsetzen für andere, ganz konkret und handfest oder über die vielen Gremien und Vereine.
Und von vielen weiß ich, dass sie es aus sich selbst und nicht aus ihrem Glauben heraus tun. Und sie bringen viel Frucht. Sie beziehen von woanders her ihre Überzeugung und ihre Kraft. Das gilt es zu respektieren und anzuerkennen.

Und auch von mir selbst kann ich sagen, dass ich viel Kraft ziehe aus der Liebe und Freundschaft anderer, aus der Freude an der Natur, an Tieren und Menschen. Ich verstehe den Jubel über die Schöpfung, über das Licht am Morgen oder den Sternenhimmel, ich genieße das Vertrauen anderer, freue mich über manche Erfolge, und vieles mehr.

Es ist nicht so, dass ich allein aus meinem Glauben Kraft beziehe, und ich habe mich abhängig gemacht in meinem Dasein auch von anderen Menschen und Mächten, nicht allein von Jesus.
Das zu anerkennen, ist auch der erste Schritt zu erkennen, was mein Leben bereichert oder arm, armselig auch, macht, was Grund ist zum Jubeln oder zur Trauer und zur Scham.

Was aber wäre ich ohne die Bindung an Jesus? Andersherum, um das Spekulative dieser Frage zu verlassen: Was bedeutet mir die Bindung an Jesus?
Und dann kann ich sagen, dass sie mir eine ganz eigene Erkenntnis Gottes und dann Glaube an und Vertrauen auf Gott bedeutet. Es sind die Botschaft und das Leben des Mannes aus Nazareth, die mir Gott glaub-würdig gemacht haben.
Und über ihn erkenne ich Gott als den, der an mir handelt. Über ihn erkenne ich einen Tag als den Tag, den der Herr gemacht hat, über ihn werden mir Menschen zu Engeln und Fremde zu Nächsten.
Über den Weinstock erkenne ich Gott als Weingärtner, der sich kümmert und arbeitet, sorgsam und behutsam, mit einer Freude an jeder einzelnen Frucht.

Über ihn, Jesus, ist Glaube immer und zugleich Handeln. Es kann nicht angehen, dass der Glaube an Gott, den Weingärtner, über den Weinstock Jesus ohne Frucht bleibt.
Es kann nicht angehen, dass ich an Wein glaube und Wasser verteile. Es muss doch so sein, dass die anderen, gerade die, die nicht wissen, wo sie hingehören, oder am Boden liegen und sich verworfen fühlen, dass die mit uns und durch uns zum Jubel dieses Sonntags finden:
„Jauchzet Gott, alle Lande! Lobsinget zur Ehre seines Namens; rühmet ihn herrlich! Sprecht zu Gott: Wie wunderbar sind deine Werke! Lasst seinen Ruhm weit erschallen, der unsre Seelen am Leben erhält und lässt unsere Füße nicht gleiten. Kommt her, höret zu, alle, die ihr Gott fürchtet; ich will erzählen, was er an mir getan hat.“
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als all unsere Vernunft, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

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