Johannes 17, 20-26

18.05.2007 | 00:17

Klaus-Georg Poehls

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit Euch allen. Amen.

Liebe Gemeinde,

der große Theologe Karl Rahner hat einmal gesagt: "Die Auferstehung Christi ist nicht ein anderes Ereignis nach Jesu Tod, sondern die >Erscheinung< dessen, was im Tode Jesu geschehen ist."

Auferstehung ist also gleichsam das innere Geschehen des Todes nach außen gekehrt, ist der Versuch, in ein Wort zu fassen, was menschlichem Verstehen und Begreifen grundsätzlich entzogen ist, weil es dort geschieht, wo ich keine Beziehung mehr habe zu mir selbst, zu meiner Welt und zu Gott. Aber dort geschieht noch etwas, dort ereignet sich Liebe, dort stiftet Gott Leben.

Und auch wenn wir das Fest der Auferstehung 40 Tage zurück liegen sehen, wenn wir Himmelfahrt zeitlich getrennt haben von Ostern, so sind es gerade diese 40 Tage, die deutlich machen, dass hier immer noch von ein und demselben Geschehen die Rede ist, das dort im Tode Jesu geschah:

Die Zahl vierzig bezeichnet den in sich geschlossenen Zeitraum, in dem sich in göttlicher Weise etwas vollendet. So ist, um das Wort von Karl Rahner fortzuführen, "Himmelfahrt" kein anderes Ereignis nach Jesu Auferstehung, sondern die >Erscheinung< dessen, was in Jesu Auferstehung geschehen ist: Jesu ist nicht in ein Nichts, nicht in die Dunkelheit des Todes und seine Leere hineingestorben, sondern in Gott hinein. Ziel seines Lebens ist der Himmel, jene Dimension der Liebe Gottes, die ich beim Blick in den Himmel in ihrer ganzen Freiheit und Schönheit erahne.

Himmelfahrt macht deutlich, wohin Jesus gehört.

Und mit dem heutigen Predigttext soll deutlich werden, wohin wir gehören:

Jesus hob seine Augen auf zum Himmel und sprach: Vater, ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben werden, damit sie alle eins seien. Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, so sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast. Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast, damit sie eins seien, wie wir eins sind, ich in ihnen und du in mir, damit sie vollkommen eins seien und die Welt erkenne, dass du mich gesandt hast und sie liebst, wie du mich liebst.

 

Vater, ich will, dass, wo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir gegeben hast, damit sie meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast; denn du hast mich geliebt, ehe der Grund der Welt gelegt war. Gerechter Vater, die Welt kennt dich nicht; ich aber kenne dich, und diese haben erkannt, dass du mich gesandt hast. Und ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun, damit die Liebe, mit der du mich liebst, in ihnen sei und ich in ihnen.

 

Jesus betet und mit seinem Gebet zeigt sich, wie eins er sich ist und sich weiß mit seinem Vater. Aber diese Einheit mit Gott und in Gott bleibt nicht bei sich selbst. Es ist eine Einheit der Liebe und Einheit der Liebe engt sich nicht ein, zieht sich nicht in sich selbst zurück, sondern weitet sich, pulsiert, drängt zu anderen hin: Ganz nah bei Gott hilft das Gebet Jesus, ganz nah bei denen zu sein, für die er betet, hilft, andere in die Einheit einzubeziehen: "Vater, ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben werden, damit sie alle eins seien. Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, so sollen auch sie in uns sein…"

 

»Einheit« oder besser: »Einssein« ist das entscheidende Schlüsselwort. Dabei ist die Einheit zwischen Gott dem Vater und seinem Sohn Jesus – das ist Liebessprache und keine dogmatische Rede , das ist eine Einheit im Geist und keine von exklusiv göttlicher Natur – das Modell für jede Einheit der Christen unter sich und mit Gott.

Wie diese Einheit aussieht, zeigt sich im Gebet Jesu. Er beginnt mit "Ich bitte" und setzt fort mit "Ich will": "Vater, ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben werden…" und dann fährt er fort: "Vater, ich will, dass, wo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir gegeben hast…"

 

In diesen "Ich bitte" und ich "Ich will" spiegelt sich der Umgang zwischen Gott und Gotteskind in ihrer Einheit. Jesus erkennt sein Angewiesensein auf Gott und tritt ihm bittend gegenüber. Aber zugleich behauptet er sich in seiner Person, vertrritt selbstbewusst seinen Willen, gibt sich nicht in seinem Angewiesensein auf Gott auf.

Und Gott spielt seine Überlegenheit seinem Kind gegenüber nicht aus, macht sich vielmehr abhängig von seinem Sohn, indem er in seinem Kind zeigt, wie und wer er ist. So ist der Sohn ganz beim Vater, ohne seine Kindschaft im Geiste aufzugeben, und der Vater ist ganz bei seinem Kind, ohne aufzuhören Vater und Gott aller zu sein. Die Einheit Gottes mit Jesus und die Jesu mit Gott ist eine Einheit im Geist und eine Einheit der Liebe.

Dieses gleichsam trinitarische Geschehen ist Grund und Urbild aller anderen christlichen Einheit. Sie ist der Grund, weil wir Gott haben, wenn wir Jesus, dem Christus folgen, und sie ist das Urbild, weil wir zu dieser Gottesgemeinschaft bestimmt sind und im Glauben schon Teil an ihr haben. Unsere Himmelfahrt hat sozusagen schon lange begonnen; wir sind schon auf die Wolke gesetzt, wie Jesus in der Himmelfahrtsgeschichte und ihren künstlerischen Darstellungen – und die Wolke ist eine biblische Metapher für die nicht näher beschreibbare Nähe Gottes.

Und wenn wir auf der Spur des Johannesevangeliums bleiben, dann ist diese Einheit eine Gabe, die wir als Christen in aller Verschiedenheit und in aller Spaltung, in der wir leben, gleichwohl empfangen werden. Der Haken bei der Sache ist, dass dieses aber – um im Bild zu bleiben – erst gänzlich im Himmel geschehen wird, dass wir also auch bei der Frage der Einheit der Christen in der Spannung des "Schon jetzt" und "Noch nicht" leben.

Ich empfinde das auch als Entlastung. Wir hier vor Ort müssen nicht schon jetzt den Himmel abbilden mit einer Gemeinde, die sich vor lauter Harmonie kaum noch wieder erkennt. Streitigkeiten und Empfindlichkeiten gibt es unter uns, das ist "noch" so. Und paradoxerweise ist es gerade das Ringen um den Glauben, der doch zur Einheit führt, das Uneinigkeit unter uns schafft. Sei es nun die Frage, wie umzugehen ist mit der Bibel in der so genannten "gerechten Sprache" – Sie merken, da liegt auch für mich Streitpotential – seien es die Fragen nach dem Abendmahl oder der Christologie, die unsere Gemeinde bewegten: es gab Schwierigkeiten, es gab Streit – das ist so auf dem Weg zur Einigung; aber es gab auch Drohungen und Verletzungen – das allerdings ist schlimm und steht der Sache Gottes entgegen. Denn da geht die Kenntlichkeit der Liebe verloren. Und bei allem gemeinsamen Ringen um den Glauben, das mir wie ein Kennzeichen eines lebendigen Glaubens vorkommt, darf uns die Liebe nicht verloren gehen. Deshalb ist es ein Gebet, das von der Einheit spricht, deshalb war Jesus bei allem Streit, den er führte, ein Betender:

"Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast, damit sie eins seien, wie wir eins sind, ich in ihnen und du in mir, damit sie vollkommen eins seien und die Welt erkenne, dass du mich gesandt hast und sie liebst, wie du mich liebst."

 

Aufgabe unserer Gemeinde, die sich ergibt aus der Gabe der Einheit, gleichsam unser Himmelfahrtskommando ist: die Welt, auch die kleine Blankeneser Welt, soll erkennen, dass Gott diese Welt liebt.

Dazu braucht es keine Gleichheit im Glauben, sondern eine Solidarität im Glauben und Handeln, in der sich die so Verschiedenen spannend und spannungsvoll verbunden halten. Wo diese Solidarität ist, da ist die wahre Gemeinde – über alle Grenzen von Kirchenzugehörigkeit und Konfession hinweg.

Uns begegnet heute, liebe Himmelfahrtsgemeinde, die Zuversicht, dass die Ausstrahlung auch unserer christlichen Gemeinde und ihr weltweites Zeugnis auch künftige Generationen erreichen wird. Denn Gott hat Zutrauen:

Wir mit unserer kleinen Kraft, unserem schwachen Glauben, unserer bruchstückhaften Liebe, unserer angekränkelten Hoffnung sind von ihm zu Zeugen gemacht, zu lebendigen Zeichen von Gottes ewiger Zuneigung, seiner Freude an uns und seiner Welt, seiner unerschütterlichen Solidarität mit allem, was lebt.

Wir sind begabt, die Liebe zwischen Gott und seinem Sohn wiederzuspiegeln, bruchstückhaft und vielleicht auch getrübt. Aber schon das Bruchstückhafte und Getrübte dieser Liebe soll reichen, ein Stück Himmel auf Erden zu schaffen.

Amen.

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