Johannes 20, 19-29
Th. Warnke
Liebe Gemeinde,
kaum haben wir das Osterfest gefeiert, und die ganze Bewegung von Gründonnerstag, dem letzten Mahl Jesu mit seinen Jüngern über die Todesstunde am Karfreitag bis in den frühen Morgen der Osternacht und den wunderbaren Oster-Sonnentag erlebt, durchlebt und an manchen Stellen mehr oder minder aufgesogen, da werden wir mit hineingenommen in die Tiefen des Osterglaubens...
Er beschreibt einen Übergang, eine Initiation, eine Verwandlung – und ich meine nicht die Auferweckung Jesu, sondern den Glauben, den neuen Osterglauben der Jünger.
Dieser Glaube verwandelt sich; die Jünger Jesu verwandeln sich...
Es gibt ein bildhaftes Reden in der Bibel von dieser Verwandeln, diesem Übergang des Glaubens, dabei spricht die Bibel von dem, was den Gläubigen, den im Glauben heranwachsenden nährt: Milch und feste Speise.
Die Milch ist für die Anfänger und Anfängerinnen. Feste Speise ist für die Erwachsenen, für die im Glauben Erwachsenen.
Aber das war schon damals in biblischen Zeiten nicht nur eine Frage des Alters und erst Recht nicht des Amtes:
Im Hebräerbrief gibt es einen wunderbaren Abschnitt dazu:
Und ihr, die ihr längst Lehrer sein solltet, habt es wieder nötig, dass man euch die Anfangsgründe der göttlichen Worte lehre und dass man euch Milch gebe und nicht feste Speise. Denn wem man noch Milch geben muss, der ist unerfahren in dem Wort der Gerechtigkeit, denn er ist ein kleines Kind. Feste Speise aber ist für die Vollkommenen, die durch den Gebrauch geübte Sinne haben und Gutes und Böses unterscheiden können.
Es geht um die Nahrung für den Glauben.
Babynahrung und feste Speise. Der Glaube soll wachsen, reifen, erwachsen werden.
Dabei geht es nicht um das alleinige, ganz persönliche Seelenheil. Hier geht es um Menschen, die Verantwortung tragen; Lehrer sind hier genannt. Es können auch Ingenieure sein, Pastoren, Bäcker, Postboten, Kaufleute u.a.
Es geht um einen größeren Blick auf das, was man tut, um einen weiteren Blick auf die Gesellschaft, auf das Leben, auf das globales Miteinander.
Es geht darum, den Glauben ernst zu nehmen als ein Lebenskonzept, ein Handlungskonzept für das Leben und für das eigene Tun in einem größeren Kontext...
Der Hebräerbrief spricht davon, dass man sich noch einmal hinsetzen soll mit Einem oder Einer, der oder die es weiß, und über die Grundlagen von Gottes Wort und Gottes Anliegen nachsinnen soll, wieder und wieder...
Da muss man eben manches Mal noch mal von vorne, noch mal mit der Milch anfangen...
Der Sonntag heute gibt uns diesen Wink: Quasimodogeniti... Ein lateinisches Zitat aus dem Petrusbrief; übersetzt heißt es: Wie die neugeborenen Kinder seid begierig nach der vernünftigen lauteren Milch...
Der weiße Sonntag, ein klassischer Taufsonntag...
Dabei ist es auch ein selbstkritisches Eingeständnis der eigenen Anfängerschaft... Wenn wir doch so ein Bewusstsein für die Dinge der Religion, des Glaubens, der Spiritualität entwickeln würden.
Wenn wir gebildet wären auch in diesen Dingen des Lebens.
In der Frage nach der Gerechtigkeit Gottes, in der Frage nach einer Wirtschaftsgerechtigkeit, ebenso wie in der Frage nach der eigenen Barmherzigkeit, dem Mitgefühl für andere, in der Solidarität, was im Alten Testament „Gemeinschaftstreue“ genannt wird..., dem sozialverpflichteten eigenen Tun und Helfen.
In der Liebe zu dem Nächsten, aber auch gebildet im Gebet und der Stille.
Wie anders wäre unserer Welt!
Die Jünger Jesu sind diesen anderen Weg gegangen... Gar nicht absichtsvoll, eher ungeplant, begeistert aber und entflammt von dem, was Jesus ausstrahlte und lebte - sie haben sich eingelassen auf einen Weg mit Jesus, mit allen Konsequenzen.
Als Jugendlicher war ich immer wieder erstaunt und überrascht über das Scheitern der Jünger an den Aufgaben, die Jesus ihnen stellte. Irgendwie dachte ich, sie würden andauernd versagen. So schien es mir: Ich hatte das Gefühl, sie taten immer genau das Gegenteil von dem, was Jesus von ihnen erwartete...
Die Überfahrt bei Nacht und Sturm in einem kleinen Boot auf dem See Genezareth. Wie hatte sie sich gefürchtet und wütend wurden sie auf Jesus, weil er einfach schlief...
Als sie ihn dann weckten stillte er den Sturm und er tadelte ihren Kleinglauben.
Petrus, der wie Jesus auf dem See gehen wollte und dann, bei den ersten größeren Wellen, von seiner Angst übermannt wurde und kläglich unterging.
Die Wunder blieben aus bei den Jüngern, die großen Heldengeschichten ereigneten sich nicht, es war so menschlich. Und es war immer der Blick in die Niederungen und auf die Blöße des Lebens. Fast so, als ob Jesus seine Begleiter bewusst scheitern ließ.
Und doch waren genau dies die Erfahrungen, die sie reifer und erfahrener machten. Es waren Glaubenserfahrungen! Erfahrungen von Grenzen, aber auch Erfahrungen, bei denen sie dem Größerem des Lebens begegneten – in allem Scheitern, in allen Fehlern...
Erst so, scheint es, waren die Jünger reif und geübt, erfahren für die nächsten Schritte.
Am Abend aber dieses ersten Tages der Woche, als die Jünger versammelt und die Türen verschlossen waren aus Furcht vor den Juden, kam Jesus und trat mitten unter sie und spricht zu ihnen: Friede sei mit euch! Und als er das gesagt hatte, zeigte er ihnen die Hände und seine Seite. Da wurden die Jünger froh, dass sie den Herrn sahen. Da sprach Jesus abermals zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Und als er das gesagt hatte, blies er sie an und spricht zu ihnen: Nehmt hin den Heiligen Geist! Welchen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten.
Das ist der Osterglaube, der nächste Schritt. Da ist es nur noch der Glaube. Da ist es der Ort, an dem ich von ganz allein verzichte auf meinen Verstand, mein Wissen und Können, mein Vermuten, mein Analysieren, da ist allein Glaube.
Welch ein Vertrauen! Welch eine Macht gibt Jesus seinen Begleitern. Die Sünden zu erlassen oder nicht zu erlassen. Zu erkennen und zu unterscheiden, was Gut und Böse ist!
Wie gut wäre es, heute immer diese Klarheit im Blick zu haben!
Jesus hatte vollstes Vertrauen in seiner Jünger, weil er wusste, was er sie gelehrt hatte, an welche Grenzen er sie geführt hatte..., woran sie gescheitert und woran sie gereift waren
Das ist die Zeit, die der Hebräerbrief mit der festen Speise umschreibt.
Und damit es nicht unscharf wird und zu schnell verwischt, gibt es den Kontrast, den Zweifler; Thomas, der diesen Schritt für sich noch nicht mitgegangen ist. Der noch hängt an dem Verstehen und Begreifen und Erklären wollen.
Aber Jesus ist geduldig und lässt ihn gewähren..., gibt ihm die Zeit. Lässt ihm die Zweifel und schenkt Gewissheit; es gibt diese unterschiedlichen Zeiten im Lernen.
Thomas brauchte die Berührung, um Jesus ganz zu sich zu nehmen. Das ist der Osterglaube, dass der Auferstandene ein Teil von uns geworden ist, und wir von ihm. Der Leib zu dem wir gehören...
Das wir verbunden sind im Glauben, das darin die Kraft liegt, die kein Mensch, nichts und niemand sonst geben kann.
Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!
Amen