Kolosser 2, 12-13

15.04.2012 | 02:00

K.-G. Poehls

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt. Amen.

 

Liebe Gemeinde,

welchen Sinn macht es eigentlich, einem kleinen, vielleicht sogar leicht verwunderten, wenn nicht verstörtem Wesen ein wenig Wasser über den Kopf zu tröpfeln? Man geht das Risiko unnötigen Geschreis ein, man zieht Verdächtigungen auf sich, etwa, dass da einer extra kaltes Wasser genommen oder der Pastor extra grimmig geguckt und dem kleinen Wesen Angst gemacht habe. Wozu das alles?

Wenn ich einen Perspektivenwechsel wage und mich in die kleine Leonie hineinversetze, der das eben geschah, dann würde ich doch fragen: Was machen die hier, was will der schwarze Mann von mir, und wieso hänge ich hier so ungemütlich über dieser Riesenschüssel? Und wieso gucken die alle so froh, so gerührt?

Die Aufnahme in die Kirche kann anders erfolgen, schick mit Formular und Stempel. Segnen kann man auch anders. Nüchtern betrachtet, jenseits aller Dankbarkeit und Freude über eine kleine Tochter und über ein neues Kind in unserer Gemeinde, muss doch die Taufe einen seltsamen Eindruck machen – selbst dann noch, wenn man sagt, das sei alles irgendwie symbolisch gemeint. Aber symbolisch gut gemeint, heißt ja noch lange nicht, überzeugend ausgeführt.

All das wird sich erst ändern, wenn die Symbole der Taufe - das Kreuz auf der Stirn, das Wasser, die Kerze - Anteil geben an der Macht dessen, was sie symbolisieren. Wenn also Wasser Leben bedeutet, mit der Kerze ein Licht für mich scheint, Gemeinschaft der Getauften mir Geborgenheit schafft. Und sie tun das nicht automatisch, sondern nur, wenn ich mich einlasse auf Gott, seinem Wort traue – wenn ich glaube.

Martin Luther sagt das so: „Wasser tut’s nicht, sondern das Wort Gottes, so mit und in dem Wasser ist, und der Glaube, so solchem Worte Gottes im Wasser trauet. Denn ohne Gottes Wort ist Wasser schlicht Wasser und keine Taufe; aber mit dem Worte Gottes ist’s eine Taufe, das ist ein gnadenreich Wasser des Lebens und ein Bad der neuen Geburt im Heiligen Geist“.

Durch den Glauben an Gottes Wort wird die Taufe also zu einem Badevergnügen der Sonderklasse: Im Geist Gottes baden, sich wie neugeboren fühlen, neue Kraft spüren, das Leben neu entdecken, sich vielleicht auch wieder sauber fühlen. Und dann ist Taufe, wie das Baden, auch auf Wiederholung angelegt. Und für die Kleine nimmt heute ein Geschehen seinen Anfang, das ihr Leben begleiten und bewahren soll: das Leben mit Gott selbst als der Quelle des Lebens und als Wegweiser: „Denn bei dir ist die Quelle des Lebens und in deinem Lichte sehen wir das Licht.“

Die kleine Leonie wurde von ihren Eltern wahrscheinlich noch nicht in die christliche Symbollehre eingewiesen – der theoretische Unterricht kann noch 12 Jahre warten. Aber das Leben im Glauben hat schon begonnen – nicht erst mit der Taufe, sondern mit dem Vertrauen, mit dem die Kleine auf die Welt gekommen ist.

Jedes Kind vertraut auf sein Recht, unter allen Umständen Beachtung und Aufnahme zu finden - durch sein Schreien und Lachen, durch seine Augen, seine Kleinheit. Wenn Leonie ruft, möchte sie, dass jemand kommt, und sie hat ein Recht auf dieses „Entgegenkommen“; und wenn sie zu jemand anderen gehen möchte, dann hat sie einen Anspruch auf die „Zugänglichkeit“ des oder der anderen. Sie hat ein Urvertrauen, dass ihr die Welt, die jeden Tag größer wird für sie, offen steht, zugänglich ist.

Und während die Welt und die Menschen dann doch nicht immer so offen und zugänglich sind, und Leonie lernen muss, mit ihrem Vertrauen sorgfältig umzugehen, so ist Gott stets offen für alles, was Leonie bewegt, und er wird sich finden lassen, wenn Leonie ihn sucht und braucht. Hier, bei Gott, ist der Ort, an dem Vertrauen wachsen, oder, wenn es zerstört wurde, wieder aufkeimen kann. Er ist der Kleinen ganz nahe, umgibt sie von allen Seiten.

Wenn die Kleine zu Beginn ein Kreuz auf die Stirn gezeichnet bekam, dann ruht auf ihrer Stirn, wie auf der Stirn aller Kinder, die Verheißung, dass Vertrauen gerechtfertigt ist und Recht bekommen soll. Wer auf Liebe, Zärtlichkeit, Offenheit vertraut, der kann dahinter die Kraft und die Liebe Gottes spüren. Und wer an Gott und seine Liebe glaubt, der hält es ohne Offenheit und Zärtlichkeit, ohne Vertrauen und Zutrauen nicht aus.

Auch wenn wir das nicht machen können – so können wir alldem im Wege stehen und unseren Kindern Zugänge zu Gott versperren. Hier liegt die Verantwortung nicht nur der Eltern und Paten, sondern der Gemeinde. Garantieren und zusichern können wir alle gemeinsam nicht, dass unser Täufling einst selbst den Dialog mit Gott wird aufnehmen und beten können: „Denn bei dir ist die Quelle des Lebens und in deinem Lichte sehen wir das Licht.“.

Aber wir können ihr dieses Gebet schwer machen,  ihren Glauben verengen oder verhindern. Und zwar immer dann, wenn wir den Auferstandenen nicht mehr an unserer Seite haben – nicht mehr ihn, der die Kinder zu sich rief, sie in den Arm nahm und segnete, nicht mehr den, der auch andersgläubigen Menschen sagte: „Dein Glaube ist groß“, nicht mehr den Freund der Ausgegrenzten und Rechtlosen, nicht mehr den, der uns selbst immer voraus ist - sondern ein Zerrbild, einen, den wir besitzen, den wir ausspielen als Trumpfkarte gegen die anderen, einen, dessen Leiden an der Lieb- und Gottlosigkeit der Welt nur noch Theater oder musikalischer Genuss ist – Karfreitags-Deko sozusagen – und dessen Auferstehung keinerlei Konsequenzen hat für unser Miteinander, unsere Politik, unsere Schöpfung – sondern nur Osterkitsch ist, schon wieder veraltet für dieses Jahr.

Mit ihm seid ihr begraben worden durch die Taufe; mit ihm seid ihr auch auferstanden durch den Glauben aus der Kraft Gottes, der ihn auferweckt hat von den Toten. Und er hat euch mit ihm lebendig gemacht, die ihr tot wart in den Sünden.

Der Verfasser des Kolosserbriefes hat offensichtlich Taufe anders erlebt als wir heute im Gottesdienst. Er hat einen Erwachsenen vor Augen, wahrscheinlich in einem weißen Kleid. Er steht in einem Fluß oder einem See, wird gefragt, ob er allen finsteren, lebensfeindlichen Mächten absagt und sich zu Gott bekennt, wie er ihn durch Jesus, den Christus, kennengelernt hat. Und nach seinem Ja wird er dreimal gänzlich untergetaucht, denn absterben soll etwas in ihm: die Sünde - all das, was ihn trennt von Gott, von anderen und von sich selbst. Und auftauchen soll der Mensch, der mit dem Auferstandenen sein Leben zu leben versucht.

Ein freier Mensch, nicht mehr gebunden an Schuld oder lähmende Vergangenheit, nicht mehr festgelegt auf das, was er versäumte, verfehlte, nicht mehr ein Nein auf seinen Schultern tragend, sondern das Ja Gottes auf seiner Stirn.

Daran müssen wir uns gegenseitig immer erinnern, dessen müssen wir uns vergewissern, denn allzu leicht, lasse ich mich einfangen von den vielen Neins, die mich umgeben. Taufe ist auf Wiederholung angelegt, nicht als Ritus, den gibt es nur einmal, aber als geistliches Geschehen.

Hier vorne steht unser Taufbecken, gefüllt mit Wasser. Wer gleich am Abendmahl teilnehmen will, muss daran vorbei. Was sollte Sie und Euch daran hindern, sich der eigenen Taufe zu erinnern und sich des großen Jas Gottes zu vergewissern: „Gott hat euch mit ihm lebendig gemacht!“. Taufe und Abendmahl zusammen: das Ja Gottes und das Feiern seiner Lebensgaben. Eine große Aktion müssen wir nicht daraus machen, ein einfaches Benetzen der Stirn wird ausreichen.

Und wer jetzt denkt: „Aber ich bin ja gar nicht getauft“, der nehme als zweiten Gedanken gleich hinzu: „Aber das Ja Gottes ist ja ein Glaubensinhalt und keine Taufurkunde“.

Freiheit, liebe Gemeinde, so heißt es bei Karl-Josef Kuschel, „ist das Grundwort christlicher Lebenspraxis: Freiheit von den „Werken des Gesetzes“ und Freiheit zu einer Praxis der Liebe. Christen sind von ihrer Ur-Kunde aufgefordert, Anwälte dieser Freiheit zu sein. Das bedeutet vor allem die Bereitschaft zu selbstkritischer Infragestellung aller Praktiken, welche im Namen neuer Gesetzlichkeit die „Freiheit eines Christenmenschen“ verraten. Im Trialog mit Juden und Muslimen ist der spezifisch christliche Beitrag das Eintreten für eine Freiheit, die sich in der Liebe vollendet (1 Kor 13, 12f.)“ (K.-J. Kuschel, Juden Christen Muslime, 440f.).

Deshalb gehört die Ausstellung „Christentum und Islam – demokratischer Aufbruch im Nahen Osten“ hierher in unsere Kirche. Freiheit ist das Grundwort unserer christlichen Lebenspraxis.

(> Koran zeigen)

Und wenn derzeit Weltliteratur millionenfach und umsonst verteilt wird, wahrscheinlich bald auch bei uns in Hamburg, dann nehme ich mir die Freiheit, einen Koran aus der Hand eines Salafisten nicht anzunehmen. Nicht, weil es der Koran ist, den habe ich schon mit Freude vom Leiter der islamischen Gemeinde Schnelsen-Eidelstedt geschenkt bekommen. Sondern weil mit dem Geschenk der Salafisten Unfreiheit gemeint ist und Enge. Wer von Ungläubigen spricht und nicht von Andersgläubigen, der wird mit dem Koran soviel Schindluder treiben, wie es schon mit der Bibel getrieben wurde – und manchmal leider immer noch wird.

Schlage ich den Koran auf, so lese ich in Sure 3 von Gott als dem „Immer-Lebendigen, dem Durch-Sich- Selbst-Bestehenden Quell allen Seins“. Das soll die teils erheblichen Unterschiede zwischen Christentum und Islam nicht verwischen, das soll aber bewusst machen, dass wir als Juden, Muslime und Christen mit einem Ja anfangen, dass zu uns gesagt ist: „Gott hat jeden Menschen als Gegenüber gewollt, hat jeden Menschen zu seinem Stellvertreter geschaffen“ (K.-J. Kuschel, Juden Christen Muslime, 206). Und wer das glaubt, der glaubt auch, dass Gott nicht nur Freude an Gemeinsamkeiten hat, sondern auch an Unterschieden und Vielfalt.

„Denn bei dir ist die Quelle des Lebens und in deinem Lichte sehen wir das Licht.“ Und so bleiben wir offen und verwundbar, frei und den Menschen dienend – bleiben lebendig mit ihm, dem Auferstandenen. Amen.

 

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