Konfirmation
K.-G. Poehls
Jesus - Vorbild oder Gottesbild
Wieder, meine lieben Konfis, liebe Eltern und Paten, Familien und Freunde unserer heutigen Hauptpersonen, wieder stehe ich am Ende einer gemeinsamen Zeit vor lauter Einzigartigkeiten. Einzigartig Ihr, jede und jeder von Euch – fromm gesprochen: jede und jeder ein liebevoller Gedanke Gottes – und heute ist der Tag, an dem Ihr in Eurer Einzigartigkeit gefeiert werden sollt, gottesdienstlich jetzt und im Kreis der Familie und der Freunde nachher, als Kind, Paten- und Enkelkind, Freundin oder Freund, als junge Frau und als junger Mann auf dem Weg ins Erwachsensein und als geliebte Tochter und als geliebter Sohn Gottes in dieser Gemeinde.
Einzigartig, weil mit Euch als Konfis der Begriff „Erleuchtetsein“ eine neue Bedeutung bekam: die Erleuchteten sitzen nämlich hinten in den letzten Kirchenbänken und werden von unten her durch ihre Handys angestrahlt, die ihren treusorgenden Besitzern den aktuellen Stand der likes zu ihren neuen Profilbildern angeben oder den neuesten Staus der 700 besten Freunde: Was machst Du gerade? – Sitze in der Kirche…
Einzigartig aber auch als ein gesamter Konfirmandenjahrgang – Ihr habt euch für diese Konfirmation eine biblische Lesung ausgesucht, in der es nicht wimmelt von Liebeswörtern, sondern von Seligkeit. Und Ihr habt ein einzigartiges Glaubensbekenntnis erarbeitet, wie es ein solches in seiner Länge und mit seinem Inhalt so noch nicht unter meinen Konfis gegeben hat. Nach dem Motto „Je weniger Poehls, desto mehr Inhalt“ muss ich demütig erkennen, dass es so nur werden konnte, weil ich mich faul ins Krankenhaus zurückgezogen und meine tollen Konfihelfer und Kollegen übernommen hatten. Aber vor allem, weil in Euch selbst mehr an Glaube, Liebe und Hoffnung steckt, als Ihr manchmal erkennen lasst. Und das zu erleben, ist schön. Natürlich, liebe Eltern, Großeltern und Paten, die Sie sich in besonderer Verantwortung für die Aufzucht, Hege und Pflege dieser wunderbaren Geschöpfe sehen, mussten bei Ihnen die Alarmglocken schrillen, als Sie das Glaubensbekenntnis mitlasen. Denn eine Besonderheit besteht ja nun einmal in dem Bekenntnis zu Jesus als einem Vorbild.
Vorbild und Jugend? Passt denn das zusammen bei dieser Generation – dieser da, die da sitzt im Zentrum des heutigen Geschehens? Dieser da, von der es heißt, sie sitze stundenlang vor den Computer, stelle die Webcam an und stelle ihr Lebens als Videoclip auf YouTube dar? Eine Generation eben, die gesehen, erkannt und anerkannt werden will über die Bilder, die sie über sich selbst ins Netz bringt – die ihr eigenes Vorbild sein will. Oder, so habe ich es bei facebook gefunden, sich Steine als Vorbild nimmt. Denn, so heißt es dort: „Steine liegen nur rum; chilln den ganzen Tag; müssen nicht zur Schule; sind hart im Nehmen; Steine sind die perfekten Menschen – unsere Vorbilder halt!“
Und jetzt kommt es noch schlimmer – und ich kann mich mit der gesamten Gemeinde nicht mehr aus der Verantwortung für dieses Desaster herausziehen: Jesus als Vorbild. Jener Jesus, der von den anerkannten Autoritäten der damaligen Gesellschaft als „Fresser und Säufer“ bezeichnet wurde, jener Jesus, dessen erstes Bild überhaupt eine Wandschmiererei im alten Rom ist, wo er als Gekreuzigter mit Eselskopf dargestellt wird, vor ihm kniend einer jener Jesus-Freaks, verhöhnt mit den Worten „Alexamenos betet seinen Gott an“.
Soll es das sein? Wollt Ihr Euch in einer zunehmend areligiös oder fundamentalistisch-religiös werdenden Gesellschaft im Internet verhöhnen lassen wie jener arme Alexamenos auf einer römischen Häuserwand?
Nicht etwa, weil Ihr Jesus als Gott anbetet – das ist er nicht, selbst wenn der Titel „Sohn Gottes“ wieder und wieder Vorstellungen von einem Halbgott aufkommen lässt, der eben in seinem Halbgottstatus und Wunderwirken unerreichbar ist und unnahbar – ein Idol eher denn ein Vorbild, dem ich nachfolgen kann.
Jesus selbst hat solche Vorstellungen von ihm von sich gewiesen, wollte sich nicht einmal „gut“ nennen lassen, weil Gott allein gut sei (vgl. Mk 10, 18).
Wer ist dieser Jesus denn dann – nicht war es als eindeutig historische Person, sondern ist es heute noch?
Ihr bekennt: Er ist Vorbild für ein Leben in Freiheit und Freude, ein Leben in gemeinschaftlichen Frieden, ein Leben im Kampf gegen Ungerechtigkeit und Armut, gegen Krankheit und Ungewissheit, ein Leben in Verantwortung für jene, die nach uns kommen. Wir glauben an Jesus Christus, der Gottes Geist und Liebe offenbart – in seinem Leben, Leiden, Sterben und himmlischen Dasein.
Gott also hat sich in diesem Jesus gezeigt oder offenbart - in seinem Wesen, in seiner Liebe, seiner Freiheit und Großzügigkeit, seinem Erbarmen und seiner Treue. Und mehr, als sich in Jesus von Gott gezeigt hat, brauche ich nicht für den Glauben, einen Glauben, der mein Leben und Sterben umfasst. Ich brauche Jesu Messianität, seine Göttlichkeit nicht, ich brauche seine Menschlichkeit, seine „Gottunmittelbarkeit“, seinen Geist, seinen Glauben, mit dem er lebte und starb, um zu Gott zu finden. Jesus war nicht göttlich, aber sein Glaube und seine Gottesbeziehung waren es.
Mit ihm als Vor-bild, mit ihm als ein Bild Gottes, für mich eines der schönsten und tiefsten Bilder Gottes, stellt Ihr Euch mitten ins Leben und stellt Euch diesem Leben. Mit ihm seid ihr nicht Marionetten oder Spielbälle anderer Kräfte oder Bestimmer, mit ihm seid Ihr Gestalter. Dies aber in einem ganz bestimmten und nicht einfachen Sinne: im Sinn der Seligpreisungen, die Ihr Euch ausgesucht habt für Eure Konfirmation.
Und schon wieder schrillen die Alarmglocken: Da liegt doch bestimmt ein Übersetzungsfehler vor, wenn nicht ein Betrugsversuch von weltfremden Spinnern. Es muss doch wohl statt „selig“ „verraten und verkauft“ heißen:
„Verraten und verkauft“ die Armen, denn sie haben nichts vorzuweisen und einzubringen
„Verraten und verkauft“ die Leidtragenden, denn sie sind ausgeschlossen aus der Gesellschaft
„Verraten und verkauft“ die Sanftmütigen, denn sie werden an die Wandgedrückt werden
„Verraten und verkauft“, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit, denn Macht geht vor Recht und Geld regiert die Welt
„Verraten und verkauft“ die Barmherzigen, denn Undank ist der Welten Lohn
„Verraten und verkauft“, die reinen Herzens sind, denn sie werden übers Ohr gehauen
„Verraten und verkauft“ die Friedfertigen, denn sie werden zwischen die Fronten geraten
„Verraten und verkauft“, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden, denn am Ende ist doch alles umsonst (nach H. Zahrnt in: Berg, Berg (Hgg.), Bergpredigt, Biblische Texte verfremdet 8, S. 20)
Ihr aber sagt Nein zu Zynismus und Resignation vor den angeblichen Realitäten der Welt, vor diesem schulterzuckenden „So ist es nun mal“. Ihr sagt Ja – Ja zu Gott und Ja zu einer Welt, wie Gott sie für seine Menschen will, Und das ist stark und das macht mich stolz auf Euch. Ein ganz kleines Kreuz nur können wir Euch – wir als Vertreter dieser Gemeinde, Euch als wunderbare und einzigartige Mitglieder und Bekenner dieser Gemeinde – mitgeben: ein Kreuz, das Euch erinnert an Jesus, eines Eurer Vorbilder. Und mit diesem Kreuz sollt Ihr das Ja Gottes tragen – zu Euch, als seine geliebten Töchter und Söhne, die selbst wieder Ja sagen können zu Gott und seiner wunderbaren Welt. Lasst Euch feiern, Ihr Lieben – Ihr habt es Euch nicht verdient, aber Ihr seid es wert. Euch gilt ein Wort, das der Prophet Jesaja einst als ein Wort Gottes verstand: „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein, …weil du in meinen Augen so wert geachtet und auch herrlich bist und weil ich dich lieb habe!“ (Jes 43, 1.4). Amen.