Lukas 1, 46-55
Helmut Plank
46Und Maria sprach: Meine Seele erhebt den Herrn, 47und mein Geist freut sich Gottes, meines Heilandes; 48denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen. Siehe, von nun an werden mich seligpreisen alle Kindeskinder. 49Denn er hat große Dinge an mir getan, der da mächtig ist und dessen Name heilig ist. 50Und seine Barmherzigkeit währt von Geschlecht zu Geschlecht bei denen, die ihn fürchten. 51Er übt Gewalt mit seinem Arm und zerstreut, die hoffärtig sind in ihres Herzens Sinn. 52Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen. 53Die Hungrigen füllt er mit Gütern und lässt die Reichen leer ausgehen. 54Er gedenkt der Barmherzigkeit und hilft seinem Diener Israel auf, 55wie er geredet hat zu un-sern Vätern, Abraham und seinen Kindern in Ewigkeit.
Wenn wir über Beurteilungen von Menschen nachdenken
über die Werte, von denen wir leben,
dann verändern sich unsere Einstellungen.
Veränderung gehört zu uns, auch in unsere Gottesbeziehung
„Wenigstens in der Kirche soll alles so bleiben wie es immer war“ – hört man
Dann ist es so, als wollten wir auf einem Kinderglauben beharren
das Verändern gar nicht erst wahrnehmen.
Wir fürchten, dass unser Glaube Schaden leidet.
Das Prüfen, um ehrlich und lebendig zu bleiben, gehört zum Glauben dazu
Es gibt doch die Zeit, wo die Menschen Gott wie einen Krieger angesehen haben.
Klar war, dass nach dem Sieg - die Besiegten getötet wurden.
Auch Frauen und Kinder.
Alle.
Der Bann, so hieß es, muss in Gottes Namen vollstreckt werden.
Dass kriegerische Bild von Gott ist uns nur noch fremd.
Auch der Gesang der Maria hat solche fremde Töne.
Gott übt für uns nicht Gewalt mit seinem Arm.
Er zerstreut nicht.
Er will sammeln!
Er will, dass allen Menschen geholfen werde….
Den Gott, der Waffen segnet – glauben wir nicht
Unser Gottesbild hat sich geändert.
Wir hätten ihn gerne groß und mächtig
Was ist, wenn er gar nicht so sein will – wie wir ihn haben möchten?!
Nicht nur im Siegerland ging man davon aus, dass der Erfolgreiche Gott auf seiner Seite hat.
Aber Gott ist doch nicht der Wunscherfüller für die Hungrigen und er missgönnt auch nicht den Reichen die fetten Jahre – auch wenn Maria davon ausgeht.
Wir wünschen uns alle die Nöte vom Hals, die Krankheit vom Leib, die Harmonie zu Weihnachten, die glor-reiche Überwindung der Wirtschaftskrise
die zusätzlich geschnürten Päckchen der Politik liegen ja schon unterm Weihnachtsbaum
Große Dinge wünschen wir uns
Aber Gott ist nicht der Harmoniebeschaffer
Davor müssen wir unseren Teil tun
Das schnelle Gebet um Hilfe kann auch das schnelle Abschieben von Verantwortung sein
„Gott gib uns“ oder „Gott, tue das“
Solche Gebete gehen in die Leere, wenn sie das eigene Engagement wegdelegieren.
Die Flucht zu Gott kann auch die Flucht aus der Verantwortung sein.
Gott ist gegen Hass und Neid und Egoismus und Kleinkariertheit – damit sind die Reichen genauso wie die Armen angefragt.
Wenn wir Gott als unseren Schöpfer ansehen,
mehr noch,
wenn wir Menschen uns als seine Kinder sehen dürfen,
seine geliebten Geschöpfe,
dann entscheidet darüber nicht unser Geldbeutel,
dann entscheidet darüber nicht unsere Armut oder Niedrigkeit.
1. Johannes 3,1: Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen - und wir sind es auch!
Die Maria spricht ein großes Bekenntnis zu Gott.
Sie nimmt alte Worte, ihre dazu und lobt Gott, so gut sie es kann:
mit ihrem Denken,
dem Denken ihrer Zeit,
mit ihren Vorstellungen von Gott – wie anders soll sie es tun?!
Das Loblied der Maria muss nicht mein Loblied sein
Aber fragen darf ich mich:
Singe ich Loblieder von der Größe Gottes?
Mit Worten meiner Tradition,
mit meinem Glauben?
Wie sieht mein Loblied aus?
Kenne ich überhaupt Loblieder oder nur noch Klagelieder? Rezessionslieder z.B.?
In der Geschichte der Bibel gibt es zwei herausgehobene Beschreibung von Nöten,
die die Menschen umgetrieben haben.
In der vorstaatlichen Zeit,
in der die Familie der Raum des Lebens war,
war es die Kinderlosigkeit.
Ohne Kinder gab es für die Sippe keine Zukunft.
In der staatlichen Zeit ist es dann die politische Not,
die Feinde, die die Existenz des Volkes in frage stellten.
Gott wurde um Rettung angefleht,
um Kinder
und den Sieg über die Feinde.
ganz sicher und ganz oft – kein Stehlen aus der Verantwortung
In der Weihnachtsgeschichte werden die Urnöte zusammengenommen.
Eine Frau bekommt ein Kind
das Neue beginnt in der Bibel oft mit einem Kind
und die Engel künden den Frieden auf Erden an.
Alle Urnöte werden in der Weihnachtsgeschichte aufgenommen.
All unsere Not zum End er bringt, derhalben jauchzt – mit Freunden singt – gelobet sei mein Gott, – mein Heiland groß von Tat.
Alles wird neu werden, alles wird gut werden!
Maria singt ihr Loblied.
Es ist voller Aufatmen
keine Flucht.
Er hat die Niedrigkeit der Magd angesehen
Sie ist die glücklichste Frau der ganzen Welt.
alle werden sie seligpreisen –
Da schießt sie im Loben über alle Linien hinaus.
Sie ist der glücklichste Mensch aller Zeiten.
Warum darf das nicht auch so ganz menschlich klingen?!
Maria hätte nicht vor Elisabeth eine bedeutende Stellung betont.
Maria nicht.
Aber das Ansehen Gottes, das hat ihr Leben verwandelt
dass musste sie weitersagen
und das muss doch die ganze Welt verwandeln
Diese Botschaft muss sie einfach hinaus singen!
Können wir auch
– solche Verwandlung – hinaus singen,
hinaussagen?
Aber was heißt eigentlich
Verwandlung?!
Es ist ja nicht heil geworden, ihr Leben.
Wenn wir uns Maria und Josef „nicht ehelich“ vorstellen,
dann hatten die beiden Probleme ohne Ende
und dann Bethlehem
– keine Herberge
und dann Herodes
– und die Flucht
Immer das Kreuz als Vorzeichen über dieser Familie.
Es ist nicht heil geworden, ihr Leben.
Und es gibt keinen in der Bibel
nur mit leichtem und sonnigen und gottvollem Leben
Und doch ist es neu:
es ist ein Leben im Ansehen Gottes
Das macht das Leben nicht leichter.
Aber es verwandelt
macht das Leben lebensfähiger
befreit von der Wunschvorstellung,
nur das heile Leben wäre das wahre Leben.
Nur wie kommt der Glaube dazu?
Wie bei Maria!
Durch das Ansehen Gottes.
Durch einen Engel… aber es müssen nicht Männer mit Flügel sein, die Engel.
Maria weiß sich im Blick Gottes
Sie hat Blickkontakt
Der Augen-Blick in die Nähe Gottes verändert ihr Leben
Auch wenn es auch nur ein Augenblick war: In diesem Blick liegt ein ungeahnter Trost
eine grenzenlose Hoffnung
weit größer als das Unheil um sie herum
Sie singt
und lobt gegen das Unheil an.
Ich sage das nicht mit sicherer Stimme
aber ich glaube, sie hätte ihr Lied auch in Simbabwe gesungen
oder in Dafur
Keine Rezession hätte sie davon abgehalten
Auf dieses Ansehen gründet sie ihre Lebensentscheidung
auch über den Augenblick – zeitlich – hinaus.
auch über das Glücksgefühl hinaus
Er hat ihre Not gesehen
Das ist das Große, was der Mächtige, der Heilige tut
Das wendet alle Not
Aber wie kann das sein? Diese Verwandlung?!
Die Welt ist doch nicht heiler geworden?!
Wie können wir überhaupt weiterreden, wenn Machthaber das Volk zu ihrem Eigentum erklären und mit ihm machen, was sie wollen?!
Wie geschieht Verwandlung?
Wie bei Maria!
Durch das Ansehen Gottes.
So ist sie >gottesgegenwärtig<
Sie sieht:
Er ist nicht über ihrem Leben
nicht über ihrer Not
Er nicht entfernt von der Not und dem Übel und dem Verhängnis und dem Schicksal und der Bedürftig-keit und dem Alltag
Er ist darin – gegenwärtig
Maria ist gottesgegenwärtig.
Und sie sieht auch die Not – gottesgegenwärtig.
keine Heile-Welt-Proklamation
sondern Maria sieht die Not in einem anderen Kontext
Es ist nicht mein kleines oder großes Leben – allein.
Mein Leben – jetzt erkenne ich es
Leben – ist mit dem Himmel verwoben.
Das ist der Zusammenhang unserer Welt
Auch Not kann niemanden aus diesem Zusammenhang heraus lösen
Das sieht Maria
Das macht ihren Glauben lebensfähig
Das lässt sie singen
Das Ansehen Gottes ist für Maria nicht abhängig von einer Gefühlslage.
Sie hält an der Entscheidung fest
Sicher hat sie das Lied immer wieder gesungen – auch mit Tränen
auch vor dem Kreuz, wo die Hoffnung gekreuzigt schien
So wird Maria uns in der Geschichte Jesu vorgestellt.
Sie hält die Gottesgewärtigkeit fest –
ihre Entscheidung –
geboren in der Erfahrung des Ansehens
Sie sieht Gott, der Anteil an ihrem Leben nimmt.
Der also auch Anteil an ihrer Freude und ihrer Not hat
Der dann sogar meine Not als seine Not ansieht
Der nicht kommt und alles heil macht
aber der kommt
und auch mit in meinem Leid ist –
ein mit-leidender Gott.
Nicht die „Macht von oben“ ist sein Kennzeichen
sondern seine Nähe – ganz unten
Meister Eckart, der Mystiker aus dem 12. Jahrhundert, schreibt:
Ist mein Leiden in Gott und leidet Gott mit mir, wie kann mir dann das Leiden ein Leid sein?
Das Leid bleibt – aber es wendet sich in der Gottesgegenwärtigkeit.
Jetzt muss ich das Leid nicht übergehen, es verdrängen,
„wegmachen“.
Nicht Bleiben im Leid ist das Ziel, das wäre unsinnig
aber wichtig ist
den Gottesbezug im Leid wahrnehmen, ihn wissen.
Ob uns das die Notenlinien für ein Magnificat schafft?
Wieso eigentlich nicht?!
In dir ist Freude in allem Leide
Meine Seele erhebt Gott –
und ich werde selbst damit gerade
Selbst oder sogar in meinem Leiden nimmt Gott seine leidende Schöpfung wahr.
Und in meinem Glauben nehme ich auch sein Leid wahr.
Ich preise ihn – er an meiner Seite –
und ich gehe den Weg an seiner Seite mit.
Zum Glauben gehört, auch bei ihm auszuhalten
seine Not zu meiner zu machen
mich nicht zurücklehnen
– auch nicht Gott zu spielen –
aber meinen Teil tun, den es zu tun gilt,
in Gottes Namen.
Maria hat ihre Kinder bekommen – hat mit ihnen gelebt.
Keine Heiligengeschichte.
Vielleicht ist es nur das Vertrauen gewesen, was sie weiter gegeben hat.
Ihr Teil.
Das Licht von Bethlehem – das sie weitergereicht hat.
Aber mit diesem Teil, mit ihrer Gottesgegenwärtigkeit,
mit diesem kleinen Licht,
verändert sich Leben, bricht Dunkelheit auf,
kann auch anderen der Gotteszusammenhang aufgehen.
Und den wollen wir an Weihnachten mit dem Kind in der Krippe feiern.
Aus diesem Gottes-Zusammenhang wird uns und diese Welt – diese ganze - auch so böse ganze Welt - nichts herauslösen.
Mit dieser Wirklichkeit können wir uns erheben
und singen:
Magnificat anima mea Dominum
Meine Seele erhebt den HERRN
AMEN