Lukas 1, 67-79

02.12.2012 | 01:00

K.-G. Poehls

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt. Amen.

 

 

Wes das Herz voll ist, des quillt der Mund über, so heißt es doch so schön, liebe Gemeinde. Und wenn es um den heutigen Predigttext geht und um den, der da spricht, dann scheint ein vom heiligen Geist volles Herz den Mund seines Trägers von lauter Schachtelsätzen überquellen zu lassen, von lauter Spitzenwörtern auch: Erlösung, Macht, Heil, heiliger Bund, Barmherzigkeit, Eid, Abraham, Heiligkeit, Gerechtigkeit, Frieden – alles das und noch viel mehr innerhalb von 30 bis 40 Sekunden, je nach Zungenfertigkeit, ausgegossen in das Ohr des jeweiligen Hörers.

 

 

Der Heilige Geist scheint es komprimiert, kompliziert und komplex zu lieben. Hören wir, was Lukas einem alten Mann und Vater alles in den Mund legt:

 

„Zacharias, der Vater Johannes des Täufers, wurde vom Heiligen Geist erfüllt, weissagte und sprach: Gelobt sei der Herr, der Gott Israels! Denn er hat besucht und erlöst sein Volk und hat uns aufgerichtet eine Macht des Heils im Hause seines Dieners David - wie er vorzeiten geredet hat durch den Mund seiner heiligen Propheten -, dass er uns errettete von unsern Feinden und aus der Hand aller, die uns hassen, und Barmherzigkeit erzeigte unsern Vätern und gedächte an seinen heiligen Bund und an den Eid, den er geschworen hat unserm Vater Abraham, uns zu geben, dass wir, erlöst aus der Hand unsrer Feinde, ihm dienten ohne Furcht unser Leben lang in Heiligkeit und Gerechtigkeit vor seinen Augen. 

 

Und du, Kindlein, wirst ein Prophet des Höchsten heißen. Denn du wirst dem Herrn vorangehen, dass du seinen Weg bereitest und Erkenntnis des Heils gebest seinem Volk in der Vergebung ihrer Sünden, durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes, durch die uns besuchen wird das aufgehende Licht aus der Höhe, damit es erscheine denen, die sitzen in Finsternis und Schatten des Todes, und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens.“

 

 

Je nach unserer persönlichen Gestimmtheit und Verfassungslage am Morgen des ersten Advent werden sich unterschiedliche Begriffe im Geiste festgesetzt haben oder sind zumindest aufgeblitzt. Es wird eines der großen Worte unseres Glaubens sein – und schon hier gilt es innezuhalten: es ist nicht unser Glaube allein, es ist auch unser Glaube. Zacharias sind Worte in den Mund gelegt, die jüdischer Gebetstradition entstammen. Der Heilige Geist muss nicht immer etwas Neues formulieren, nein, nach Lukas findet er sich in überlieferten Worten des hier jüdischen Glaubens. Und dieser Glaube lobt seinen Gott, so sehr, dass es eine Freude ist, ihm zu dienen - ohne Furcht ein Leben lang in Heiligkeit und Gerechtigkeit.

 

 

Und jenseits aller gemachten Worte und Sätze scheint mir hier ein Kriterium dafür zu liegen, was es denn bedeutet, vom Heiligen Geist erfüllt zu sein: nicht die frommen Worte sind des Geistes Gottes voll, sondern die Freude an Gott, die sich in diesen Worten Raum schafft und die freudige Ernsthaftigkeit, in der ein Mensch für sich und seine Lieben den ganz persönlichen Ort für den Dienst an Gott sucht – so wie hier Vater und Sohn vor Gott.  

 

Und dabei sehe ich mich nicht allein, nicht abgesondert, sondern in einer Kette von Menschen und Geschlechtern, die dieses auch taten – bis hin zu unserem Vater Abraham. Jahrhunderte, Jahrtausende zurück im Lichte von Gottes Barmherzigkeit und in die Zukunft hinein – durch die herzliche Barmherzigkeit Gottes.

 

 

Und wo immer von Abraham die Rede ist, wo sein Name in einem Glaubenszusammenhang fällt, da muss von Wagnis die Rede sein und von Vertrauen und Zuversicht. Wenn wir denn, ob als Juden, Muslime oder auch als Christen, von einer „abrahamischen Spiritualtät“ reden wollen, dann gilt es zu reden von einem „Wissen um das Risiko des Gottvertrauens, (einem) Aufbrechen ohne alle Sicherheiten und Versicherungen, weil man sich von Gott auf einen Weg gerufen sieht. (Abrahamische Spiritualtät) heißt unter Umständen Loslassen dessen, was einem vertraut ist, preisgeben dessen, was zu festen Besitzständen zu gehören scheint. Heißt, alles Irdische  und Menschengemachte in Synagoge, Kirche und Umma immer wieder relativieren können zugunsten des je größeren Gottes als beste Zynismusprophylaxe. „Abrahamische Spiritualität“ ist folglich die Kraft, sich gemeinsam auf einen Weg zu machen, aus welcher religiösen Tradition auch immer. Die Quelle dieser Kraft sind nicht wir selber, wir leben von einer Energie, die uns geschenkt ist“ (K.-J. Kuschel, Juden Christen Muslime, 620f.).

 

 

Und als beschenkt erlebt sich diese literarische Gestalt des Zacharias, auch als durch ein Kind beschenkt. Und er wagt es, dieses Kind gleich wieder zurückzugeben an Gott, es nicht als ein eigenes, zum Dienst an ihn bestimmtes Kind zu sehen, sondern es auf einen Weg zu Gott zu setzen. Ich stelle mir vor, wie er seinen kleinen Sohn im Arm hält wie ein kleines Universum, und er hellsichtig sein Kind und Gottes herzliche Barmherzigkeit zusammenbringt, zusammen-lobt:

 

„Und du, Kindlein, wirst ein Prophet des Höchsten heißen. Denn du wirst dem Herrn vorangehen, dass du seinen Weg bereitest und Erkenntnis des Heils gebest seinem Volk in der Vergebung ihrer Sünden, durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes, durch die uns besuchen wird das aufgehende Licht aus der Höhe, damit es erscheine denen, die sitzen in Finsternis und Schatten des Todes, und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens.“

 

 

Ganz unabhängig davon, was aus Johannes werden wird – sein Vater ist überzeugt, dass sein Sohn Segen wirken, Wegbereiter für einen freundlichen Gott werden wird. Er stellt seinen Sohn hinein in einen göttlichen Auftrag.

 

 

Und diese Einstellung eines Vaters zu seinem Kind rückt Advent und Kinder enger zusammen als Fotos von strahlenden Kinderaugen ahnen lassen. Wir brauchen die Überzeugung des Zacharias, dass unsere Kinder Segen wirken und Wegbereiter Gottes sein können. Eine Überzeugung, die sich nicht durch konkrete Erfahrungen mit unseren Kindern und Jugendlichen begründen oder widerlegen lassen will, sondern prinzipiell ist, vom Anfang her rührt, als ein Kind ins Leben trat, und die Freude darüber zum Gotteslob wurde.

 

 

Ich weiß nicht, wofür meine Kinder, unsere Kinder Wegbereiter sein werden und wie sie es sein werden. Hätten Elisabeth und Zacharias ihren Sohn Johannes noch als Täufer erlebt, dann hätte es wahrscheinlich auch Anlass zur Klage über sein Aussehen und seine Sprache gegeben. Und Maria und Joseph hätten sich sicher auch nicht vorstellen können, dass sie von ihrem Sohn behaupten würden, er sei von Sinnen (Mk 3, 21), verrückt.

 

 

Ich weiß aber, dass unsere Kinder und Jugendlichen die Überzeugung des Zacharias brauchen, dass sie Segen wirken und den Weg bereiten können für eine Zukunft, wie Gott sie will. Eine Zukunft, in der „uns besuchen wird das aufgehende Licht aus der Höhe, damit es erscheine denen, die sitzen in Finsternis und Schatten des Todes, und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens.“

 

 

Und wenn sich ab heute viele Konfirmandinnen und Konfirmanden und die Mitglieder der Tansania-Jugendgruppe Marafiki für unsere Aidswaisen in Tansania einsetzen – wenn insgesamt ungefähr 100 Jugendliche die Zukunft von anderen Kindern sichern wollen, dann ist das eine adventliche Aktion.

 

 

Denn die Überzeugung und Hoffnung im Advent sind zielgerichtet. Sie gehen bei allem guten Recht auf Familienzusammensein, auf Gemütlichkeit und Muße, nicht dahin, sondern sie gehen auf dem Weg des Friedens in eine lichtere Zukunft. Das ist der Weg, Gott zu dienen in Heiligkeit und Gerechtigkeit, ohne Furcht unser Leben lang.

 

 

Ein paar Schritte nur auf diesem Weg des Friedens führen zu den Aidswaisen in unseren Partnerdörfern und ganz konkret in unser Adventscafé. Es ist simpel und schlicht: zehn Euro im Monat helfen einem Kind zum Überleben und verhelfen ihm zu einer Perspektive. Eines „unserer Kinder“ ist mittlerweile eine junge Frau: Selina studiert in Iringa und sie ist entschlossen, mit ihrem Wissen und ihren Fähigkeiten schon bald der Entwicklung ihres Dorfes dienen zu können. Epifan hat vor vier Jahren einen orthopädischen Stiefel für seinen verkrüppelten Fuß bekommen, bekommt jetzt einen neuen, denn er ist gewachsen – und er ist einer der besten auf der Grundschule gewesen und kann nun auf die weiterführende. Wir werden ihm das Schulgeld erarbeiten – und die Marafiki und die Konfis arbeiten.

 

 

Und wenn wir auf die Schiene der Nachhaltigkeit gehen und nicht nur auf unser adventliches Saisonprojekt, das Advents-Café,  gucken, dann ist eine Patenschaft für eine Aidswaise eben nicht nur etwas für Erwachsene, die ja bekanntlich das Geld haben.

 

Nur ein Cappuccino oder was immer Starbucks, als einer der Jugendtreffpunkte, zu bieten hat, nur eine Tasse, ein Becher von was weiß ich nicht einmal weniger in der Woche, sondern ersetzt durch ein entsprechendes Pulver, das zehnmal günstiger ist und bei Starbucks auch nur im heißen Wasser landet, und man hat seine Patenschaft finanziert – auch als Jugendlicher. Es ist keine Frage des Vermögens, sondern des Willens.

 

 

Das aber, liebe Gemeinde, sei nur vorgestellt als eine kleine Strecke, die sich gehen lässt auf dem Weg des Friedens. Nur das ist sicher: „Dienst für den Frieden gehört zur Wahrheit des Evangeliums, die getan werden muss“ (Georg Moser, Worte in den Tag zu nehmen, 23. Dezember, Stuttgart 1989). Und dieses „Muss“, das sich ergibt aus einer froh und frei machenden Botschaft, aus einem Evangelium von der Barmherzigkeit Gottes, sei nun selber fröhlich geglaubt und munter gelebt.

 

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als all unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

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