Lukas 19, 41-48

16.08.2009 | 18:17

Th. Warnke

Liebe Gemeinde,

sehr selten nur berichten die Evangelisten davon, dass Jesus weint. Dreimal nur. In dem eben gehörten Text weint er über die Stadt Jerusalem. Weil der Frieden so nah scheint, und doch niemand, oder nur Wenige die Zeichen erkennen.

Es sind die Tränen eines Liebenden, der mit all seiner Liebe nicht verhindern kann, was das Schicksal so offenkundig vor ihm ausbreitet.

Wir hören auch davon – und wir wissen, wie sehr Liebe und Verzweiflung oft beieinander wohnen. Wie schnell sich der Zorn dazugesellt, ohne dass er wirklich Einsicht und Veränderung brächte.

Hier bricht der Zorn Jesu hervor über das Establishment, das religiöse wie auch politisch machtvolle Establishment.

Es ist zum Weinen, zum Schreien und zum Toben – manchmal!

Es war eine Zeit, in der Vieles im Aufbruch war – damals. Ähnlich wie heute.

Die Qualität, die Dimension aber ist eine andere geworden: Damals ging es um eine elementare Würde eines jeden Menschen, damals ging es um sichtbare Zeichen und Handlungen - heute geht es um eine Qualität im Miteinander, die aus den Herzen kommt und im Bewusstsein wächst. Es ist die Frage letztlich, worauf bezogen wir leben. Von woher verstehen, gründen und gestalten wir unser Leben, verstehen, gründen und gestalten wir Frieden. Und immer wieder die Frage: Was nährt uns? Was stillt unseren Hunger?

Nun erzählt der Text von einer besonderen Zeit, einem Kairos, einem Augenblick, einem Moment, den es im Moment des Erkennens schon zu ergreifen gilt, andernfalls ist er unwiederbringlich verschollen im Meer der Vergangenheit.

Lukas spricht von der Heimsuchung: ...weil du die Zeit nicht erkannt hast, in der du heimgesucht worden bist.

Jahrhunderte lang hat man in christlich-kirchlicher Tradition diese Heimsuchung immer wieder als ein strafendes Gericht Gottes über das jüdische Volk gedeutet, weil es Jesus nicht erkannte als den Sohn Gottes, den Gesalbten, den Messias. Es hat lange gedauert, bis die Kirche sich von diesem verzerrten Blick  distanziert hat.

Zum einen geht es hier kaum um ein Strafgericht Gottes an den Juden; zum anderen wird das griechische Wort für „Heimsuchen“ an vielen Stellen gebraucht für den frischen und neuen Kontakt Gottes zum Menschen: So bei der Begegnung Gottes mit Sara und Abram: wenn es heißt: „und der HERR suchte Sara heim"  (1. Mose 21,1). An anderer Stelle heißt es: "Gott wird euch gnädig heimsuchen" (1. Mose 50,24).

In der Einheitsübersetzung wird diese Stelle gar mit der „Zeit der Gnade“ wiedergegeben.

Und die jüdische Religionswissenschaftlerin Channa Safrai schreibt:

„Es ist möglich, Jesu Worte als ein Zeugnis für die große Erneuerung und den wichtigen religiösen Wandel zu verstehen, der sich in der Stadt ereignet: das Eindringen eines erneuerten Glaubens und das Gefühl dafür, dass er in Jerusalem viele Anhänger hat.

Eine neue religiöse Welt erwacht in der Stadt, und das Volk empfindet mit dieser Erneuerung

und lauscht auf die neuen Stimmen.

Wie es aber dem Lauf der Welt entspricht, reagiert das traditionelle Establishment durch seine Verstrickung in die überkommene religiöse Praxis

langsamer.“

Eine besondere Zeit, eine Zeit der Gnade, eine Zeit der Gegenwart Gottes, eine Zeit der Erneuerung und des Erwachens; eine Zeit in der gerade auch mit Jesus eine neue Qualität von Gottes Gegenwart in die Welt hineinströmt. Und doch erkennen nur wenige die Zeichen der Zeit.

Verliert man denn irgendwann, wenn man Religion institutionalisiert, den Sinn, das Empfindungsorgan für die Gnade Gottes? Für die Zeit der Gnade? Für die gnädige Gegenwart Gottes? Das Fehlen dieser Wachsamkeit, dieser Aufmerksamkeit, dieses Bewußtwerdens beweint Jesus. Jene  Gleichgültigkeit, mit der man über die Kostbarkeit dieses Zeitmomentes hinwegfegt.

Hilflos, weil es nicht in seiner und nicht in Gottes Macht liegt, in den Lauf der Geschichte, in das Leben der Menschen einzugreifen? Es ist ein ewiges Paradox: Gott ist immer da mit seiner Liebe, seiner Gnade und seinem Wirken, seinem ganzen Reich – und doch verhält die Welt sich still und stumm ihm gegenüber.

Wo haben wir eine Sensibilität für die Gegenwärtigkeit Gottes?

Am Anfang der Sommerferien sind wir mit einer Gruppe von Jugendlichen nach Taizé gefahren. Ein ganz besonderer Ort. Ein Ort, der von der Gegenwart Gottes erzählt, und er einen mit hinein nimmt.

Der Mittelpunkt des Lebens dort ist das Gebet. Die drei Gottesdienste am Morgen, am Mittag und am Abend.

Dazu gibt es über den Tag verteilt Arbeitgruppen und Workshops, in denen die Jugendlichen nach einer Einführung - über biblische Texte und Fragen des Glaubens diskutieren. Außerdem gehören selbstverständlich die täglichen Dienste wie Essen bereiten und Ausgeben, Putzen, Aufräumen und Saubermachen, und eben alles, was dem Zusammenleben von gut 4000 Jugendlichen dient und dafür notwendig ist zu den täglichen Aufgaben und Verrichtungen.

Durch klare Strukturen, durch die Gesänge, die Stille und die Gebete, - durch die Gemeinschaft, die Gespräche und Fragen taucht man ein in einen Strom, der einen hintreibt zu der Quelle...

Eine Frage, die den Jugendlichen nach einer Bibeleinführung mit in die Arbeitsgruppen gegeben wird, lautete: Wie kann ich mit dem (biblischen) Text beten, bzw. „Wie hilft mir der Text, die Gegenwart Gottes zu erahnen?“

Nicht mehr: Ich lese ihn noch einmal:

Und als er nahe hinzukam, sah er die Stadt und weinte über sie und sprach: Wenn doch auch du erkenntest zu dieser Zeit, was zum Frieden dient! Aber nun ist's vor deinen Augen verborgen. Denn es wird eine Zeit über dich kommen, da werden deine Feinde um dich einen Wall aufwerfen, dich belagern und von allen Seiten bedrängen und werden dich dem Erdboden gleichmachen samt deinen Kindern in dir und keinen Stein auf dem andern lassen in dir, weil du die Zeit nicht erkannt hast, in der du heimgesucht worden bist.

Und er ging in den Tempel und fing an, die Händler auszutreiben, und sprach zu ihnen: Es steht geschrieben (Jesaja 56,7): »Mein Haus soll ein Bethaus sein«; ihr aber habt es zur Räuberhöhle gemacht. Und er lehrte täglich im Tempel. Aber die Hohenpriester und Schriftgelehrten und die Angesehensten des Volkes trachteten danach, dass sie ihn umbrächten, und fanden nicht, wie sie es machen sollten; denn das ganze Volk hing ihm an und hörte ihn.

Es ist auch die Frage, - natürlich - was wir vom Leben erwarten. Es geht ja nicht darum, sich aller Wurzeln und Verpflichtungen zu entledigen, Mönch oder Nonnen zu werden, um den ganzen Tag im Gebet zu verweilen. Und selbst da gibt es keine Garantie dafür, der Gegenwart Gottes teilhaftig zu werden.

Es ist vor allem ein Weg zum Frieden, der Weg zu Gott. Gott ist den Weg zum Menschen gegangen, nun folgen wir seinen Spuren...

Tun wir das? Wie?  Was hilft, die Gegenwart Gottes zu erahnen?

Schließlich ist das nicht weniger als die Quelle unseres Glaubens, die Nahrung, das Brot des Lebens.

Amen

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