Lukas 21, 25-33

07.12.2008 | 22:33

Klaus-Georg Poehls

Liebe Gemeinde!
Es zählt für mich ein Satz aus dem Propheten Jesaja zu den biblischen Worten, von denen ich glaube, sie dann und wann als Worte Gottes hören zu können. Deshalb spreche ich sie, wann immer einem Menschen oder auch mir selbst alles ins Wanken geriet, auch das, worauf doch felsenfest Verlass sein sollte. Nun aber steht da einer und blickt in einen Abgrund und der Boden unter den Füßen droht wegzubrechen.
Wenn ich meine, da muss jetzt der stärkste Trost her, den ich mit eigenen Worten nicht mehr sagen kann, wenn ich selbst schon lange nicht mehr einstehen kann für das, was ich sagen will, es nur noch hineinspreche in eine Wirklichkeit, die trotz allem auch Gottes Wirklichkeit ist und sich von Gott her als solche erweisen muss – am Kranken- oder Sterbebett, am Grab eines geliebten Menschen, dann sind diese Worte da. Sie scheinen mir dafür von Jesaja geschrieben, weil er so Gott geglaubt hat: „Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen.“ (Jes 54, 10).  
Ja, sind meine Gedanken, Gott ist treu, und wenn wirklich alles hinfällt, worauf ich mich felsenfest verlassen habe, wenn weicht, was nicht weichen darf in meinem Leben, in unserer Welt: dann ist immer noch etwas da, etwas Unsichtbares allerdings, vielleicht auch etwas, was gerade dann spürbar wird, wenn alles andere weg ist: „…meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen“, spricht der Herr, dein Erbarmer.
Das ist mir so etwas wie der Fels, auf dem mein Glaube sich gründen will. So habe ich Jesus von Nazareth verstanden, so habe ich ihm seinen Gott geglaubt, und ich hoffe, ich kann es auch morgen noch tun. Unser Herr, unser Erbarmer bleibt uns gnädig und der Bund seines Friedens hält, fällt nicht. Gott ist unerschütterlich in seiner Treue.

Und dann soll ich über den heutigen Predigttext etwas sagen und er stellt alles noch einmal in Frage. Denn nun soll alles sein Ende finden; nun soll auch weichen, was der Schöpfer selbst geschaffen und gewollt, als gut bezeichnet und als Ort für seine Treue, als Gegenüber seines Bundes des Friedens geschaffen hat.
Jetzt kommt ein Advent, der das allerletzte ist und ein Ende mit Schrecken. Fragt sich nur, für wen.

Jesus sprach: Und es werden Zeichen geschehen an Sonne und Mond und Sternen, und auf Erden wird den Völkern bange sein, und sie werden verzagen vor dem Brausen und Wogen des Meeres, und die Menschen werden vergehen vor Furcht und in Erwartung der Dinge, die kommen sollen über die ganze Erde; denn die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen. Und alsdann werden sie sehen den Menschensohn kommen in einer Wolke mit großer Kraft und Herrlichkeit. Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, dann seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht. Und er sagte ihnen ein Gleichnis: Seht den Feigenbaum und alle Bäume an: wenn sie jetzt ausschlagen und ihr seht es, so wisst ihr selber, dass jetzt der Sommer nahe ist. So auch ihr: wenn ihr seht, dass dies alles geschieht, so wisst, dass das Reich Gottes nahe ist. Wahrlich, ich sage euch: Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis es alles geschieht. Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte vergehen nicht.

Liebe Gemeinde, die Vorstellungen vom Ende dieser Welt, ja von einem nahen Ende, entwickeln einen Sog, der mich langsam ins Kreisen und Taumeln bringt und alsbald nach unten zieht. So brüchig geworden ist das, was ich von der Wirklichkeit wahrnehme, dass es ein Ende nehmen muss mit der Welt. Zeichen für den nahen Untergang finden sich dann allerorten. Der Evangelist Lukas entwickelt Bilder oder übernimmt sie aus seiner Zeit, die noch einer angstvollen Phantasie entstammen. Inzwischen sind wir soweit, dass apokalyptische Bilder der Zeitung entstammen. Wir kennen sie und sie lassen schon morgens, falls denn die Zeitung morgens noch kommt, den Kopf schütteln. Die Cholera in Simbabwe, die nach Südafrika hinüberschwappt, und deren Opfer an den Straßen behandelt werden müssen, der Krieg im Kongo, der Terror in Indien oder Pakistan, der Hunger, die weltweite Wirtschafts- und Klimakrise. Die apokalyptischen Reiter als Sinnbilder des Untergangs können ihren Gäulen das Gnadenbrot geben, die tatsächlichen Bilder verbreiten mehr Angst und Schrecken – jedenfalls bei denen, die für Bilder noch nicht abgestumpft sind.
Man könnte meinen, wir sehen keine Zeichen des Untergangs mehr, wie im Predigttext, sondern den Untergang selbst.
Angst und bange kann es einem werden.

So auch ihr: wenn ihr seht, dass dies alles geschieht, so wisst, dass das Reich Gottes nahe ist. Wahrlich, ich sage euch: Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis es alles geschieht. Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte vergehen nicht.

Nun, Lukas hat sein Evangelium vor knapp 2000 Jahren geschrieben. Mit jenem Geschlecht, für das er zu seiner Zeit schrieb, hat das also nicht geklappt. Seitdem darf sich jedes Geschlecht angesprochen fühlen. 2000 Jahre Angst und bange – und dies in Verbindung mit einem religiösen Geschehen, mit dem Kommen des Reiches Gottes, um das wir auch heute beten im Vaterunser. Welche Rolle spielt die Angst in meinem, in unserem Glauben? Und wem wünsche ich eigentlich, er möge vergehen vor Furcht und in Erwartung der Dinge, die kommen sollen über die ganze Erde?

Liebe Gemeinde, es gibt ja so etwas wie eine Predigt-Endzeitstimmung. Sie ist die apokalyptische Weltsicht in Kleinstform für Prediger, hat leider auch mit Angst zu tun.

Ich nahm gestern den Predigttext und die bisherigen Gedanken mit in die Nacht. Heute Morgen wachte ich früh in predigtendzeitlicher Stimmung auf. Klar war: ich werde nicht den Weltuntergang predigen; ich halte es nicht für eine Christen angemessene Haltung, den Kopf zu heben und auf Erlösung zu warten, wenn die Welt ins Wanken gerät, und erst recht nicht, in Furcht und in Erwartung der Dinge zu vergehen.
Ich dachte an das Martin Luther zugeschriebene Wort „Und wenn ich wüsste, dass die Welt morgen unterginge, so würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen“, ich dachte an den Optimismus Dietrich Bonhoeffers, der ihn als Willen zur Zukunft begriff, und in diesem Willen für eine bessere Zukunft arbeiten wollte – bis zum Tag vor dem jüngsten Tag. Er sah keine Zeichen für diesen jüngsten Tag. Das war im Jahr 1944 und in einer Situation, in der sein Leben in Gefahr war.
Und mehr noch dachte ich an die mir bekannten Menschen, denen ihre Welt schon aus den Fugen geraten ist, die wirklich und schon jetzt vergehen vor Furcht und in Erwartung der Dinge, die kommen sollen – nicht über die ganze Erde, aber über ihr Leben und ihre kleine Welt.
Brauchen sie die Vorstellung eines gottgeplanten Weltendes? Denn davon redet der Text, nicht von einem durch Menschen herbeigeführten Weltuntergang. Wie entstehen Wille und Mut zur Zukunft?

Nun mag einer einwenden, es gehe hier aber nicht darum, was ein paar Menschen brauchen, sondern es gehe um das Weltende und eine letzte Erlösung, auf die einige Menschen erhobenen Hauptes sehen könnten – ein elitärer Kreis.

Die meisten wohl, auch von uns heute, auch ich, bleiben unberücksichtigt, wenn Erlösung an das Weltende gekoppelt ist und Glaube an ein apokalyptisches Denken. Sind sie aber nicht. Die wunderschöne Sehnsucht danach, aufsehen zu können, das Haupt zu heben und zu sehen, das heißt zu erleben, wie sich Erlösung naht, die teile ich ja. Das Bild des ausschlagenden Feigenbaumes mit seinen Knospen, die sich dem Licht hinwenden und sich öffnen, spricht mich an. Und es ist für einen jeden hier gemalt.

Jesus hat das Reich Gottes gepredigt und es gelebt. Er mag in der Erwartung gelebt haben, das Ende der Welt sei nahe, bedrängend nahe und vielleicht auch schrecklich. Er mag die Weltsicht derer, die unter der Welt litten, geteilt haben. Dann hat er sich getäuscht in der Erwartung des nahen Endes. Diese eine Täuschung macht mir meinen Jesus nicht kleiner. Jesus hat das Reich Gottes gepredigt und es gelebt. Das Reich Gottes war und ist mit ihm in der Welt. Und es meint den Sieg der Liebe. „…überall, wo Lieblosigkeit durch Versöhnung durchbrochen wird, wo Vergebung riskiert wird, um Feindschaft zu überwinden, da ereignet sich das Reich Gottes“ (H. Küng, A. Rinn- Maurer, Weltethos christlich verstanden, 31). Und wo Menschen an diesen Sieg der Liebe glauben, da entstehen Wille und Mut zur Zukunft. Kurz und gut: ich glaube nicht an das Ende der Welt, ich glaube an das Reich Gottes, mitten unter uns und immer noch im Werden. Ich glaube so und wir können es gemeinsam tun, und gemeinsam darum beten, weil der Gott, der sich Jesaja mitteilte, kein anderer Gott ist als der, den Jesus glaubte. Und ich höre:
„Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr, dein Erbarmer.“

Amen.

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