Lukas 2,41 ff.

04.01.2009 | 14:46

H. Plank

Wenn jemand sagen will, was in dem Leben Jesu besonders ist, beeindruckend, überraschend, was hervor-zuheben ist, dann erzählte man sich z.B. die Geschichte von dem 12jährigen Jesus im Tempel

 

Das Besondere ist dann nicht seine frühpubertäre Widerständigkeit, es soll nicht das Lausbubenalter von Jesus beschrieben werden, mit dem Maria ihre liebe Not hat.
Das Thema ist auch nicht die überlegene Reife Jesu, die größere Treue zu Gott als zu den Eltern.
Es muss wohl viele Kommentare auf dieser pädagogischen Schiene zu unserem Text geben.

Was immer das Besondere ist, es ist eingekleidet in eine anschauliche Geschichte.


41 Und seine Eltern gingen alle Jahre nach Jerusalem zum Passafest.42 Und als er zwölf Jahre alt war, gingen sie hinauf nach dem Brauch des Festes. 43 Und als die Tage vorüber waren und sie wieder nach Hause gingen, blieb der Knabe Jesus in Jerusalem und seine Eltern wussten's nicht. 44 Sie meinten aber, er wäre unter den Gefährten, und kamen eine Tagereise weit und suchten ihn unter den Verwandten und Bekannten. 45 Und da sie ihn nicht fanden, gingen sie wieder nach Jerusalem und suchten ihn. 46 Und es begab sich nach drei Tagen, da fanden sie ihn im Tempel sitzen, mitten unter den Lehrern, wie er ihnen zuhörte und sie fragte. 47 Und alle, die ihm zuhörten, verwunderten sich über seinen Verstand und seine Antworten. 48 Und als sie ihn sahen, entsetzten sie sich. Und seine Mutter sprach zu ihm: Mein Sohn, warum hast du uns das getan? Siehe, dein Vater und ich haben dich mit Schmerzen gesucht. 49 Und er sprach zu ihnen: Warum habt ihr mich gesucht? Wisst ihr nicht, dass ich sein muss in dem, was meines Vaters ist? 50 Und sie verstanden das Wort nicht, das er zu ihnen sagte. 51 Und er ging mit ihnen hinab und kam nach Nazareth und war ihnen untertan. Und seine Mutter behielt alle diese Worte in ihrem Her-zen. 52 Und Jesus nahm zu an Weisheit, Alter und Gnade bei Gott und den Menschen.


Die Eltern wandern in einer großen Gruppe nach Jerusalem,
So wie es Sitte war zu Festzeiten.
Jesus musste eigentlich noch nicht mit.
Erst mit 13 wird er ein „Sohn des Gebots“,
wird er konfirmiert
Aber die Eltern nehmen ihn in ihre religiöse Praxis mit hinein.

Wie sollen Kinder ohne die erlebte Glaubenspraxis ihrer Eltern Glauben lernen…
In Jerusalem ist schwer was los
50.000 Einwohner schätzt man
und dazu zum Fest 100.000 Pilger.

Der Schreiber findet nichts Dramatisches daran, dass die Eltern sich nicht sorgen.
Das muss man – irgendwie – nicht.
Erst auf der Rückreise – am Abend der ersten Tagesreise – fehlt der Junge.
Sie gehen zurück
und suchen ihn drei Tage.

Diese Notiz - die drei Tage – waren dem Schreiber wohl wichtig
 wichtiger als Pädagogik und Aufsichtspflicht.

Die drei Tage
der Jona und die drei Tage im Bauch des Fisches
drei Tage haben sie ausgeharrt ohne zu essen – bis er die 4000 speist
Jesus – drei Tage im Grab

So sind die Alten mit Zahlen umgegangen
Die „drei“ weist auf eine Verwandlung hin.
Da wird etwas ganz neu, neu sichtbar
Die Geschichte hat es mit Gott zu tun

Die Eltern suchen – drei Tage
Die Suche macht den Glauben nicht
auch als Jesus erklärt hat, verstehen die Eltern nicht
Aber
Suche beschreibt einen Weg zum Glauben

Dann kommt diese kleine Gesprächsszene, in der das ganze Geheimnis steckt.
Was die Eltern nicht mitbekommen haben
dass haben die Tora-Gelehrten im Tempel mitbekommen
staunend, verblüfft
Sie geraten außer sich über die Einsicht des Kindes und über seine Antworten.
Jesus ist keiner, der die nächsten zwei Klassen überspringen wollte
sondern einer, der neu und ganz anderes und irgendwie tiefer und gott-näher die Tradition sah und wei-terzugeben vermochte.
Der den Willen Gottes verstand – und das ganz aus der Sicht der Vertrautheit – wie vom Sohn zum Vater
Unmittelbarkeit, kindliche Vertrautheit

Es geht nicht um Gehorsam oder Ungehorsam den Eltern gegenüber
Es geht um dieses „Muss“
Wisst ihr nicht, dass ich sein muss in dem, was meines Vaters ist?

Um das deutlich zu machen, erzählt Lukas diese Geschichte.
Sie ist durchscheinend
für die Beschreibung des Lebens Jesu überhaupt:  
seine Richtung, das, was sein Leben ausmacht

Ich meine, das ist das Besondere für des Lebens Jesu
und dafür gibt es zwei Gedankenrichtungen, zwei Schwerpunkte:
1 einmal:  das Bleiben im Tempel
ein Gedanken mit lokaler Bedeutung

und zum anderen
2 bleiben – in dem was meines Vaters ist - heißt
nicht nur an seinem Ort,
sondern auch in seinem Thema bleiben,
sich mit seinen Sachen beschäftigen
in dem Bleiben, was Gott beschäftigt.


zuerst der Ort

Jesus bleibt ja nicht immer im Tempel
aber die Nähe zum Vater – hat seinen Ort
 Der Schreiber gibt einen Grundton an, den wir immer wieder im Leben Jesu finden
Und der heißt auch:
Sein Glaube hat und braucht die Verortung
Der Tempel, die Wüste, die Stille, das Gebet, die Tradition, die Bibel
und die Gemeinschaft mit anderen
Die Suche nach Gemeinschaft kann man in dem Bild von Max Liebermann ansehen.
Es gibt zu dem Bild eine erstaunliche Geschichte:
nehmen Sie das als gesondertes Kapitel dieser Predigt:
Im Dezember 1878 beginnt Liebermann mit der Arbeit an diesem Bild.
Erste Skizzen für dieses Werk hat er bereits in den Synagogen von Amsterdam und Venedig angefertigt.
Nie zuvor inszeniert er ein Bild mit größerem Arbeitsaufwand:
Die Studien der Einrichtung der Synagogen verbindet er mit individuellen Figuren.
Das Ganze taucht er in beinahe mystisches Licht.
Es geht vom Jesuskind aus - als leuchtende Mitte

Gegen dieses Bild gibt es eine Welle der Empörung
Die Augsburger Allgemeine schreibt, der Künstler habe „den hässlichsten, naseweisesten Judenjungen, den man sich denken kann“ gemalt.
In der Öffentlichkeit wurde Max Liebermann als „Herrgottsschänder“ verunglimpft.
Viel zu menschlich, viel zu jüdisch - den Menschen in Deutschland - damals
Eine heftige antisemitische Hetze bricht los, und der bayerische Landtag musste sich zwei Tage lang mit der Anklage befassen, Liebermanns Darstellung Jesu sei gotteslästerlich

Liebermann hat nach dieser Kampagne nie mehr ein Bild mit biblischer Thematik gemalt.
Bitter – oder?!

Ich finde das Bild anrührend.

Jesu Suche nach der Verortung, auch nach Gemeinschaft, wird sichtbar
Der Junge in der Mitte.
Engagiert hat er die Hände gehoben.
Er spricht.
Ihm gegenüber in Augenhöhe ein Lehrer, vielleicht der Rabbi,
lose hängt der Gebetsmantel um seine Schultern,
in der linken Hand hält er – sicherlich - einen Teil der Tora
Beeindruckt streicht er über seinen Bart.
Der Kleine wird ernst genommen
und der fühlt sich ernst genommen.
So könnte Lernen sein:
der Schüler in der Mitte, umringt von aufmerksamen Lehrern;
kein Frontalunterricht und keine Belehrung von oben herab.
Wer Lehrer und wer Schüler ist, das kann durchaus wechseln – Vielleicht auch ein Bild von unserer Schule – Reformpädagogik
Im Judentum immerhin heißt der Lehrer selber auch „weiser Schüler“
Man hat nämlich nie ausgelernt.
Aber ich will ja nun auch nicht doch in Pädagogik abgleiten

Bei Lehrern aber hieß es damals:
„Wo zwei zusammensitzen und sich über Worte der Hl. Schrift, unterhalten, da ist Gott gegenwärtig“
Das erleben sie mit dem Kind.
Der Glaube hat einen gemeinschaftlichen Ort um der Gotteserfahrung willen

Man kann seine Gemeinde überall suchen
und es ist auch legitim, sich die richtige Gemeinde zu suchen
und mal und hier mal dorthin zu gehen
Aber wer nur die highlights der Gemeinden abgrast, der wird keinen wirklichen Weideplatz finden
 Gott?
Es gehört zur Bleibe auch das Bleiben
und dazu das Menschliche
Weihnachten findet nicht in Jerusalem-City statt
sicher da auch
Weihnachten beginnt aber im Stall
in der Enge, im Normalen, eher an der Grenzen, mit den Fragen,
im Bekannten, im Aushalten,
mit Zumutungen
Wer Gott nur in dem Schönen und Angenehmen und im Glanz sucht – wie will er den finden, der doch im Dunkel wohnen will.

Das ist das Erste:
Der Glaube braucht eine Verortung, ein Haus, feste Zeiten, Gebet, die Bibel und vor allem - die Gemein-schaft
Die Bleibe nutzen
darin – das Vertrauen auffrischen
im Gedächtnis behalten
… tut dies zu meinem Gedächtnis …
Gottesdienst feiern –
die GottesBleibe sich bewusst machen
Muss ich nicht sein, in dem was meines Vaters ist.

 

Und das Zweite:
Wisst ihr nicht, dass ich sein muss in dem, was meines Vaters ist?
Sein, bleiben – heißt auch
bleiben in dem, was Gott beschäftigt
Der Ausdruck der Sohnesbeziehung-
oder der Tochterbeziehung zu Gott

Es wird eine erwachsene Beziehung beschrieben
nichts Kindisches

Eine Beziehung, die wahrnimmt, was dem Vater wichtig ist
auch seine Prioritäten, seine Liebe, sein Leiden
seinen Willen

Wenn wir gefragt werden, was uns beschäftigt
dann können wir eine lange Liste aufstellen
Persönliches, Politisches, Banales, Existenzielles

Was beschäftigt ihn? Unseren Gott.
und wo ist mein Teil,
da mit zu sein –
mitzutun,
mit zu leben.
mitzuleiden

Machen wir uns über das, was Gott beschäftigt, genauso viel Gedanken, wie über unsere Bedürfnisse?!
Müsste das nicht unsere vorrangige Frage sein, wenn wir als Gemeinde fragen?

Ich habe ein bisschen in der Bibel dazu geblättert unter dem Stichwort „Wille Gottes“
Da finde ich zwei Aussagerichtungen:

Die Schönste, was Menschen von ihm verstanden haben, ist:
Gott will eine Verbindung
„Ich will aufrichten meinen ewigen Bund zwischen mir und den Menschen 1. Mos 15,2
Und ich will unter euch wandeln und will euer Gott sein, und ihr sollt mein Volk sein. 3. Mo 26,12
Denn das ist der Bund, den ich schließen will mit dem Haus Israel nach diesen Tagen, spricht der Herr: Ich will mein Gesetz geben in ihren Sinn, und in ihr Herz will ich es schreiben und will ihr Gott sein und sie sollen mein Volk sein. Hebr 8,10
Gott,
der uns mit seiner verbindlichen Liebe beschenken will.
Das ist sein Wille.

Wenn Jesus in dem sein und bleiben will, was den Vater beschäftigt, dann nimmt er diese Verbindlichkeit ernst,
lebt darin
kindlich, genießt diese Verbindlichkeit Gottes
 die eine Richtung und dann die andere
er nimmt sie auf
... und macht sie zu seiner Verbindlichkeit.

Das ist die erwachsene Beziehung zu Gott

Mit dem Propheten Micha könnte auch Jesus sagen:

Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was Gottes Sache ist
nichts anderes als dies:
Gerechtigkeit tun, Freundlichkeit lieben und aufmerksam mitgehen mit deinem Gott
also:
Gott lieben
und das wird konkret, praktisch, sichtbar in der Nächstenliebe

Dorothee Sölle hat einmal gesagt
Nichts hat mich so sehr in das Christentum gelockt wie dieses Wissen: Gott braucht mich.
Er braucht das Bleiben, in dem, was IHN beschäftigt
Muss ich nicht sein, in dem was meines Vaters ist.

Wir bekommen kein Gesetzesblatt, das wir abhaken können
Wir bekommen seine unbegrenzte Zuneigung
Die will er zu allen bringen
Dazu braucht Gott uns.

„Einst fragte Rabbi Jizzak seine Schüler:
„Wie kann man den Augenblick bestimmen, wo die Nacht endet und der Tag anbricht?“
Der erste Schüler antwortete: „Wenn im Osten sich der zarte Schimmer der Morgenröte zeigt, dann endet die Nacht und der Tag bricht an.“
„Nein“, sagte der Rabbi, „das ist es nicht.“
Der zweite Schüler meinte: „Wenn ich die Umrisse eines Feigenbaumes von denen eines Ölbaumes unter-scheiden kann.“
Wiederum sagte der Rabbi: „Nein, das ist es nicht.“
Der dritte Schüler sprach: „Wenn ich die Schafe meiner Herde von den Ziegen zu trennen vermag.“
Und nochmals sprach Rabbi Jizzak: „Nein, das ist es nicht.“
Da fragten nun alle drei: „So sag du uns, Meister, wann der Augenblick gekommen ist. wo die Nacht en-det und der Tag anbricht.“
Da antwortete der Rabbi: „Wenn du im Angesicht eines Menschen den Bruder und die Schwester er-kennst, dann endet die Nacht und es wird Tag in der Welt.“

Und der Tag – das ist Gottes Sache

Wisst ihr nicht, dass ich sein muss in dem, was meines Vaters ist?

Ein Text
wie eine Zusammenfassung des Lebens Jesu
der Tenor seines Lebens
Wir können vor diesem Bild beeindruckt stehen bleiben
möglicherweise wie die Lehrer,
die vielleicht doch nicht so weise waren.
Oder wir können uns in Bewegung bringen lassen von diesem Bild des 12 Jährigen Jesus im Tempel
Nicht nur sein Vertrauen braucht die Verortung
und wir können uns auf diese Suche nach unserem Ort machen
und Verortung pflegen
und
wir können uns üben – mit Aufmerksamkeit
danach zu fragen
Was denn nun Gott beschäftigt – in seiner Welt
und mit dem Tun an seiner Seite beginnen
damit das Licht des Tages aufbrechen kann.
Heute schon.
AMEN

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