Lukas 8, 4-8

15.02.2009 | 17:02

Th. Warnke

Liebe Gemeinde,
Jesus war ein großartiger Didaktiker und ein großer Erzähler. Er verstand es, seine Botschaft verständlich, klar und einprägsam zu erzählen und zwar den Menschen nahe und zugewandt und entsprechend ihrer Bedürfnisse und Möglichkeiten. Oft sprach er in Gleichnissen, um den Menschen Bilder ihrer eigenen Welt, ihrer eigenen Erfahrung anzubieten, in denen sie sich wiederfanden, in denen sie tagtäglich lebten, und mit denen sie verstanden, worum es Jesus ging.
Das Gleichnis vom Sämann spricht von der Welt der Landarbeiter und Bauern.
Die meisten Menschen arbeiteten zur Zeit Jesu in der Landwirtschaft. Und es war ein karger, anstrengender Beruf, der wenig einbrachte. Die ganze Familie arbeitete mit.
Nun waren die Böden in vielen Landstrichen Palästinas sehr steinig, was die Arbeit gewaltig erschwerte. Hinzu kam, dass die Hitze des Sommers die Böden so sehr austrocknete und hart werden ließ, dass keine Feldarbeit möglich war.
Erst wenn im Herbst der erste Frühregen fiel, konnten die Bauern wieder mit ihrer Arbeit auf den Feldern beginnen. Zuerst mussten die vielen Steine aufgesammelt werden; alle hatte dabei mitzuhelfen - auch die kleinen Kinder. Dann konnte die Aussaat beginnen. Der Bauer knotete sich ein Tuch um, in das er das Saatgut füllte. Mit der Hand warf er die Körner im Halbkreis vor sich auf den Acker.
Es ging ein Sämann aus zu säen seinen Samen. Und indem er säte, fiel einiges auf den Weg und wurde zertreten, und die Vögel unter dem Himmel fraßen's auf. 6 Und einiges fiel auf den Fels; und als es aufging, verdorrte es, weil es keine Feuchtigkeit hatte. 7 Und einiges fiel mitten unter die Dornen; und die Dornen gingen mit auf und erstickten's. 8 Und einiges fiel auf gutes Land; und es ging auf und trug hundertfach Frucht.
Die Bauern, die zuhörten, wussten, wovon Jesus sprach. Sie kannten die Sorgen und Ungewissheiten bei der Aussaat, ob denn die Samen auch guten Boden finden würden, ob alle Steine aufgesammelt und entfernt waren, so dass der Boden locker und gut ist, sie kannten die Sorge um das Wetter, um die Tiere und Vögel, die alles abfraßen, um Menschen, die sich nicht scherten, und einfach quer über den Acker trampelten, um das Gestrüpp, das mit der Saat aufging und alles erstickte - sovieles – aber sie kannten genauso die Hoffnung auf eine gute, hundertfache Ernte.

Ernesto Cardenal, ein nicaraguanischer suspendierter katholischer Priester, Politiker und Poet, lebte in den 60er / 70er eine zeitlang auf der Inselgruppe Solentiname gemeinsam mit den Bauern dieser Gegend, am Rande des großen Nicaraguasees.
Statt der Sonntagsmesse trafen sich die Bauern zu einem Gespräch in der Kirche des Ortes. Sie hörten Geschichten aus dem Leben Jesu und unterhielten sich. Auch über das Gleichnis vom Sämann.
Hören wir einige Stimmen aus diesem Gespräch: Nach einer kurzen Stille sagt Manuel etwas zögernd: - Ein Samenkorn ist etwas Lebendiges. Man sät keine toten Körner. So ist auch die Botschaft Jesu etwas Lebendiges. -
Ein Samenkorn ist zuerst ein einziges Ding, aus dem später viele werden – sagt Marcelino.

Oscar: - Ein Samenkorn ist auch etwas, das man essen kann. Man sät Körner aus, um sich später davon zu ernähren. Die Worte Jesu sind wie Körner, die er ausstreut, um uns alle damit zu ernähren.

Ein anderer: Ein Samenkorn ist so ein kleines verschrumpeltes Etwas, und wer nichts davon versteht, könnte meinen, es sei zu nichts nütze. So ist es auch mit dem Wort Gottes, scheint mir, das heißt für einen, der nicht weiß, was es damit auf sich hat.

Ein Samenkorn - das Wort Gottes.
Man muss es verstehen und kennen, erkennen – das Samenkorn, wie das Wort Gottes. Etwas Kleines, auf den ersten Blick nicht unbedingt ansprechend - und doch kraftvoll und lebendig und Leben schaffend.
Einzelnd – und doch wird vieles daraus.
Es ist Nahrung, es erhält Leben.

Mir hat es geholfen, tiefer in das Gleichnis einzudringen, indem ich die klaren und deutlichen Worte der Bauern von Solentiname gelesen habe. Und es hat mich berührt, von ihrer schlichten Demut gegenüber dem Lebendigen und Leben-Schaffenden eines kleinen Samenkornes zu hören. Sie kennen genauso gut die Not und die Sorge, die jede Aussaat begleitet – und gewiss kennen auch sie immer wieder die Hoffnung auf eine gute Ernte. Und ich konnte mir vorstellen, wie sie gemeinsam diskutiert haben, über das, worin sie Experten waren, was sie verstanden, und was dann – in der Geschichte Jesu - mit soviel mehr als ihrem täglichen Leben zu tun hatte...

...und noch etwas ist mir beim Lesen deutlich geworden. Viele Ausleger und Prediger aus dem deutschen Raum beziehen den Sämann, von dem Jesus erzählt, gern auf sich selbst, auf das eigene Arbeiten und Tun für Gott, auf ihr Mittun - wenn man so will - als Arbeiter und Arbeiterinnen im Weinberg Gottes. Sämänner und -Frauen für das Reich Gottes.
Dieser Anspruch und diese Sicht sind durchaus legitim. Aber irgendwie ist es auch typisch für uns, die Dinge aus der Perspektive des Tuns und des Machens, des Handelns zu betrachten.

Die Bauern in Solentiname sehen sich in einer anderen Position, in einer anderen Rolle, woanders verortet in der Geschichte; sie verstehen sich selbst als den Boden, auf dem gesät wird.
Hören wir noch einmal Marcelino: Diese Geschichte von den Samenkörnern, - sagt er - die wir jetzt gerade hören, ist das Samenkorn selbst. Vielleicht haben wir das auf den ersten Blick gar nicht gemerkt. Aber wenn wir diese Worte wirklich hören, senkt sich das Samenkorn des Reiches Gottes tief in uns ein. Genau das will uns Jesus sagen. Aber er spricht nur für die, die Ohren zum Hören haben.

Womöglich muss man hinsichtlich des Wachsens von Samenkörnen eben so ein Experte sein, um diesen Blick und dieses Verständnis zu entwickeln.

Das ist große Mystik, die dieser einfache Bauer aus Solentiname uns hier erzählt.
Er spricht nicht vom Tun und Machen, sondern vom ruhig und still werden, von dem Wirken- und Wachsen-lassen des Samens vom Reich Gottes, er spricht von dem Hinabsinken des Samens, des Wort Gottes - in uns hinein. In unseren inneren Boden…
Wir sind der Boden, wir können bereit sein, locker und gut, oder eben hart, steinig, dornig, trocken...
Wir können das Wort Gottes wachsen lassen.
So, wie die Samen in einem guten Boden wachsen. Mit Geduld, mit Pflege, mit gutem Dünger, und wieder mit Geduld und Zeit.

Nun hören wir diese Geschichte vom Wachstum in einer Zeit, in der fast die ganze Welt darüber nachdenkt, wie Wachstum angekurbelt und beschleunigt werden könnte. Mit unbegreiflichen Zahlen wird da jongliert, die ein normaler Mensch gar nicht mehr begreifen kann. Manche werden nicht müde, die Entwicklungen immer dramatischer zu zeichnen, - andere machen so weiter wie immer und zahlen sich – als wäre nichts gewesen - millionenschwere Bonuszahlungen aus.
Woanders wird eine Bank zu einer staatlichen Geldvernichtungsanlage.
Und überall tut und macht man oder versucht man etwas im Namen des Wachstums.
Vielleicht müssen wir – und das meine ich ganz ernst – vielleicht müssen wir neu lernen, wie Wachstum eigentlich geschieht, und genauso ernst müssen wir uns ganz grundsätzlich fragen: was eigentlich wachsen soll, wozu und warum?
Annähernd 2000 Jahre ist es her, dass Jesus palästinischen Menschen von dem Wachsen des Reiches Gottes erzählte. Und ist es nicht allmählich an der Zeit, den Boden dafür endlich zu bereiten, haben wir nicht genug Zeiten von harten, steinigen dornigen Böden hinter uns?
Ist es nicht das Vertrauen, dass auch wir dem Samen, den Jesus gestreut hat, in uns tragen?
Ist es nicht die Zeit, mal aufzuhören mit dem Tun und Machen und endlich das, was Gott gesät hat, zum Wachsen zu bringen?


Es wäre gut, wenn die momentane Krise diese Fragen neu ins Bewusstsein treibt.

Ich glaube Lukas hat Ähnliches versucht.
Am Anfang des Gleichnisses lesen wir von einer denkwürdigen Durchmischung des Auditoriums:
Als nun eine große Menge beieinander war und sie aus den Städten zu ihm eilten, redete er in einem Gleichnis...

Jesus ist irgendwo auf dem Land und spricht zu den Bauern. Menschen aus der Stadt kommen dazu. Weil sie wissen wollen, was es mit den Wachsen auf sich hat. Eine Art Wachstums-Alphabetisierungsprogramm für Städter? Oder – offener und gemeinschaftlicher gedacht: - eine Art Zukunftswerkstatt zum Thema Wachstum.
Wie gut stünde uns so ein Projekt in diesen Tagen…
Stellen wir uns vor, es gab im Anschluss an die Predigt von Jesus ein Gespräch, eine Diskussion, ein Austausch beider Gruppen.
Heute wäre es vielleicht ein Besuch bei den Bauern von Solentiname…
Ein Gespräch, in dem beide Gruppen sich austauschen über das Wachsen des Reiches Gottes in uns und auf der Welt. Ein Gespräch durch soviel Zorn und Wut, durch soviel Schmerz und Enttäuschung hindurch…
Und vielleicht kommt man tatsächlich an bei der Liebe zum Leben und bei der Demut vor dem Lebendigen und bei der Geduld des Wachsen-Lassens.
Amen

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