Lukas 9, 10-17

23.07.2007 | 00:19

Klaus-Georg Poehls

Gnade sei mit Euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt. Amen.

Liebe Gemeinde,

erstmals hatte Jesus seine Jünger ausgeschickt, um nun selbst in Jesu Sinne den Menschen zu begegnen, ihnen von Gott, dem lieben Vater, zu predigen und mit Gottes Liebe zu heilen, was und wer denn durch diese Liebe heil werden konnte. Und dann heißt es bei Lukas im 9. Kapitel:

Und die Apostel kamen zurück und erzählten Jesus, wie große Dinge sie getan hatten. Und er nahm sie zu sich, und er zog sich mit ihnen allein in die Stadt zurück, die heißt Betsaida.

 

Als die Menge das merkte, zog sie ihm nach. Und er ließ sie zu sich und sprach zu ihnen vom Reich Gottes und machte gesund, die der Heilung bedurften. Aber der Tag fing an, sich zu neigen. Da traten die Zwölf zu ihm und sprachen: Lass das Volk gehen, damit sie hingehen in die Dörfer und Höfe ringsum und Herberge und Essen finden; denn wir sind hier in der Wüste.

 

Er aber sprach zu ihnen: Gebt ihr ihnen zu essen. Sie sprachen: Wir haben nicht mehr als fünf Brote und zwei Fische, es sei denn, dass wir hingehen sollen und für alle diese Leute Essen kaufen.

 

Denn es waren etwa fünftausend Mann. Er sprach aber zu seinen Jüngern: Lasst sie sich setzen in Gruppen zu je fünfzig. Und sie taten das und ließen alle sich setzen.

 

Da nahm er die fünf Brote und zwei Fische und sah auf zum Himmel und dankte, brach sie und gab sie den Jüngern, damit sie dem Volk austeilten.

 

Und sie aßen und wurden alle satt; und es wurde aufgesammelt, was sie an Brocken übrig ließen, zwölf Körbe voll.

 

Eine bedeutsame Geschichte begegnet hier, vom Grundmotiv her lässt sie sich sechsmal in den Evangelien finden: alle vier Evangelisten berichten von der Speisung der 5000, Matthäus und Markus erzählen dazu noch jeweils von einer Speisung der 4000 – so als ob sie gar nicht genug schreiben könnten von dem großen Genug Gottes für alle Menschen.

Lassen Sie mich einen Dreier-Schritt, gleichsam eine trinitarische Betrachtung dieser Geschichte versuchen, indem ich sie mit Gott, Jesus und dem Geist in Verbindung bringe.

Gott sammelt sich sein Volk. So wie er einst tat mit dem Volk Israel, so tut er es neu in dieser Geschichte. Lukas macht das deutlich, indem er von den 5000 Mann spricht. 5000 Männer in Gruppen zu je 50 bildeten den Heerbann des alten Israel in der Wüste, stellten die Versammlung des Gottesvolkes dar (vgl. Num 1, 1-54; Ex 18, 21), die Betonung der Zwölfzahl bei den Jüngern und den Brotkörben stehen auch für die zwölf Stämme Israels. Gott hat nicht Halt gemacht mit dem Volk Israel bei der Sammlung seines Volkes, will Lukas zeigen, seine Bewegung hin zu den Menschen ist weitergegangen und geht weiter.

Den Umkehrschluss hat es gegeben, er hat viel Leid geschaffen und tut es noch: Dass Gott nämlich Schluss gemacht hätte mit seinem Volk Israel; das fand sich und findet sich in christlichem Gedankengut. Aber genau das hat er nicht. Israel bleibt sein erstes und geliebtes Volk. Und wenn sich nun die ersten Christen als Volk Gottes verstehen, wie bei Lukas und den anderen Evangelisten, dann müssen zumindest wir heute sagen: sie durften sich auch als Volk Gottes verstehen.

Und wenn sich heute andere Christen und andere Religionen als privilegiertes Volk Gottes verstehen, ob nun im Sinne der "wahren" Kirche oder ob nun im Sinne der "wahren" Religion, dann dürfen wir uns weder zurückziehen in unsere konfessionelle Nische noch uns in Rechthaberei üben. Vielmehr möchte ich eine tiefe Skepsis jedem Erwählungsgedanken gegenüber pflegen. Klaus-Peter Jörns schreibt einmal: "Gott wird zum Gefangenen der Erwählungsvorstellungen derer, die sich für erwählt halten. Er darf nicht sein, was er nach dem Evangelium Jesu Christi ist: unbedingte und unbegrenzte Liebe" (K.-P. Jörns, Notwendige Abschiede, 202). Wie sollte dieses Liebe aufhören, und wie sollte sie sich beschränken wollen auf nur eine Sorte Mensch und nur eine Sorte Religion?

Gott sammelt sich sein Volk und wir dürfen auch dazu gehören. Das ist alles und das haben wir über den Juden Jesus und über seine Religion Gott zu danken; dieser Dank erklingt in anderer Fassung und in anderen religiösen Traditionen genauso schön.

"Und sie aßen und wurden alle satt; und es wurde aufgesammelt, was sie an Brocken übrig ließen, zwölf Körbe voll."

 

Sie, die da nun satt waren, sie waren Jesu wegen da. So war ihnen noch keiner begegnet. Er zog sie an und sie kamen von weitem. Es waren Menschen, die ihre Würde verloren hatten und sie fühlten sich durch ihn geachtet, es waren Menschen, die ohne Hoffnung lebten und sie fühlten sich durch ihn aufgerichtet, es waren Menschen, die hungerten und dürsteten nach Liebe und Sinn und sie wurden satt bei ihm. Einfache Leute, religiöse Würdenträger, Ahnungslose, Neugierige, Suchende, Skeptiker und Resignierte, Establishment und Abschaum. Von ihm fühlten sie sich angenommen, auf den richtigen Weg gewiesen, von ihm her konnten sie sich selbst neu sehen und annehmen. Bei ihm war das Heil zum Greifen nahe, in seiner Nähe ging es ihnen gut; hier war Brot des Lebens. Nebengedanke, ohne religionsvergleichenden Hintergedanken: die Faszination, die in diesen Tagen vom Dalai Lama ausgeht, mag ahnen lassen, wie die Menschen sich in Jesu Nähe fühlten.

Was die Menschen von Jesus bekommen, ist mehr als sie für sich selbst brauchen. Hier, in der Predigt vom Reich der Liebe Gottes und in der heilsamen und heilenden, liebevollen und segnenden Zuwendung zu dem einzelnen Menschen findet sich der Wille Gottes auf Erden.

Und als der Tag sich neigt, als die Frage da ist, wie die Menschen jetzt satt werden sollen im ganz konkreten Sinn, da wird die Frage nach dem Willen Gottes nicht einfach verlassen. Der Wille Gottes betrifft den ganzen Menschen in seiner spirituellen wie auch körperlichen Dimension.

Die Jünger, die anfangs noch von ihren Großtaten erzählt hatten, von ihren Erfolgen, von sich selbst und ihrer Wichtigkeit – dabei sollten sie schlicht den Auftrag ihres Herrn ausführen – sie werden von Jesus, so stelle ich mir vor, angesehen und angelächelt, und hören: "Gebt ihr ihnen zu essen!". In diesen Worten Jesu kann die Christenheit seither ihre Überheblichkeit, ihre Ohnmacht und ihren Auftrag wahrnehmen. "Gebt ihr ihnen zu essen!"

 

Die Antwort fällt kleinlaut aus. Da die vielen und hier: "Wir haben nicht mehr als fünf Brote und zwei Fische". Es ist nur der Eigenbedarf, den die Jünger vorweisen können, nur das, was für sie selbst reichen soll.

Jesus teilt die große unüberschaubare Menge in kleine Gruppen auf. Aus einer anonymen Masse, in der ein jeder Angst haben muss, zu kurz zu kommen und unterzugehen werden überschaubare Gemeinschaften, die zusammen auf dem Boden lagern, sich wahrnehmen, sich kennen lernen können. Wenn man so will, dann macht Jesus aus einer "Masse Kirche" einzelne Gemeinden.

Da nahm er die fünf Brote und zwei Fische und sah auf zum Himmel und dankte, brach sie und gab sie den Jüngern, damit sie dem Volk austeilten.

 

Lukas erzählt seine Geschichte ganz bewusst nicht im Stile einer klassischen Wundererzählung. Er berichtet das Wunderbare des alltäglichen Glaubens. "Schau zum Himmel auf, danke Gott und handle in seinem Geist". So hat es Jesus gemacht. Und dann passiert kein Wunder, dann geschieht Wunderbares.

Im Geist Gottes teilt Jesus aus und im Geist Gottes, im Geist der Dankbarkeit und der Nächstenliebe teilen die Menschen, was sie haben. Es wird sich noch mehr finden lassen in der Menge, und es wird geteilt, was da ist. Und im Teilen erfahren die Menschen Fülle, im Abgeben Segen, im Brechen des Brotes den Geist Gottes.

12 Körbe bleiben übrig. Es bleibt nach dem Teilen alles übrig, was das Volk Gottes braucht für seinen Auftrag. "Gebt ihr ihnen zu essen!" Und so landet die Geschichte in der Gegenwart und ist offen für die Zukunft. Es steht uns nicht an, die Welt sich selbst zu überlassen, sie gleichsam aus unserem Gesichtskreis wegzuschicken.

Unzählige warten, dass wir ihnen zu essen geben. Ganz praktisch im Sinne all dessen, was ein Mensch für sein Überleben braucht, im Sinne von Essen und Trinken, Kleidung und Obdach.

Und zugleich ganz Geistlich: da herrscht ein Mangel an Liebe und Sinn unter uns, der sich sichtbar ablesen lässt an leeren Augen, an von Essstörungen gequälten Körpern. Ohnmächtig müssen wir erkennen, dass wir nicht heilen, nicht Glauben schaffen und Sinn vermitteln können. Überheblichkeit steht keinem von uns gut.

Aber zugleich hat Gott uns in Anspruch genommen: "Gebt ihr ihnen zu essen! - Versucht, Eure Hoffnung zu teilen, Eure Liebe weiterzugeben, Euren Glauben zu leben!"

Im Geist Gottes wird sich ereignen, was keiner von uns für sich allein schafft.

Und dann soll es auch von uns und denen, mit denen wir teilten heißen: "Und wir aßen und wurden alle satt, und als wir aufsammelten, was an Brocken übrig war, wurden 12 Körbe voll."

Halleluja!

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