Markus 16, 9-14

16.04.2007 | 00:16

Klaus-Georg Poehls

Gnade sei mit Euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt. Amen.

 

Liebe Gemeinde,

 

ich unterstelle, dass es ein frühchristlicher Frauen-Literaturkreis war, der im zweiten oder dritten Jahrhundert beschloss, dass ein Buch so nicht enden dürfe. So trostlos und un-erhört.

 

Gemeint ist das Markusevangelium, in dem die drei Frauen, nachdem sie im Grab Jesu von einem Engel gehört hatten, dass Jesus auferstanden sei, das Grab schnell verlassen und fliehen, denn – Zitat - "Zittern und Entsetzen hatte sie ergriffen. Und sie sagten niemandem etwas; denn sie fürchteten sich."

 

Trostlos und un-erhört. Furcht, Entsetzen und Schweigen am Ende. Und die Botschaft eines Engels verhallt unerhört im Grab.

 

So sollte es nicht bleiben. Mit einem offenen Ende, das wenig Gutes vermuten ließ, wollte der angenommene Frauenkreis nicht leben, und auch nicht mit dem schlechten Eindruck, den die drei Frauen Maria, Maria von Magdala und Salome in der frühchristlichen Literatur hinterließen.

 

Und eine Spur ernsthafter: Es gab doch in ihrer Gemeinde den Glauben an die Auferstehung Jesu und an einen Gott, für den die Grenze des Todes nicht gilt. Und dieser Glaube hatte sich schon bewährt, Anfeindungen und Verfolgungen hatte die Glaubenden schon durchstanden. Es war also höchste Zeit, das überlieferte Evangelium von Markus so umzuändern, dass seine aktuellen Leser es auch als Evangelium, als frohe und frohmachende Botschaft verstanden. Und so wurde Markus einfach weitergeschrieben, es wurde ihm ein neuer Schluss verpasst. Hauptfigur, einzige namentlich Erwähnte: Maria von Magdala, klägliche Nebenfiguren: die elf Jünger. Möglicher Arbeitstitel: "Und sie hatte doch Recht".

 

"Als aber Jesus auferstanden war früh am ersten Tag der Woche, erschien er zuerst Maria von Magdala, von der er sieben böse Geister ausgetrieben hatte. Und sie ging hin und verkündete es denen, die mit ihm gewesen waren und Leid trugen und weinten. Und als diese hörten, dass er lebe und sei ihr erschienen, glaubten sie es nicht. Danach offenbarte er sich in anderer Gestalt zweien von ihnen unterwegs, als sie über Land gingen. Und die gingen auch hin und verkündeten es den andern. Aber auch denen glaubten sie nicht.

 

Zuletzt, als die Elf zu Tisch saßen, offenbarte er sich ihnen und schalt ihren Unglauben und ihres Herzens Härte, dass sie nicht geglaubt hatten denen, die ihn gesehen hatten als Auferstandenen."

 

So nun der zweite Versuch, dem Markusevangelium ein Ende zu geben. Jüngerkritik darin, heute würden wir es Kritik an der kirchlichen Hierarchie nennen, besondere Wertschätzung einer Frau, Maria von Magdala – gut so. Freimütiger Umgang mit der Überlieferung und ein Versuch, sie der Gemeindesituation anzupassen – gut so! (Wenn auch schon mit dem Fragezeichen der drohenden Beliebigkeit)

 

Konfrontation von Auferstehung mit Unglauben – normal so. Schimpfen über Herzenshärte und das Unvermögen, an Auferstehung glauben zu können – gar nicht gut.

 

Herzenshärte gegen Herzensfreude – wir singen "Auf, auf mein Herz mit Freuden" und die Jünger werden von Jesus gescholten. Ein schimpfender Auferstandener steht heute der österlichen Freude entgegen. So richtig gelungen finde ich den zweiten Schluss des Markusevangeliums auch nicht.

 

Deshalb nehme ich jetzt auch meine Rede von einem frühchristlichen Frauen-Literaturkreis, der dafür verantwortlich gewesen sein könnte, zurück.

 

"Auf, auf, mein Herz mit Freuden, nimm wahr, was heut geschicht; wie kommt nach großem Leiden nun ein so großes Licht!"

 

Als Sinnesorgan wird mein Herz angesprochen, als ein Organ der Freude, das von Licht erfüllt wird. Paul Gerhardt lässt das Herz triumphieren, singt von Freiheit, ruft "Viktoria", sieht ein Freudenspiel, ein Liebesgeschehen, hört ein Lachen, sieht die Sonne – und all dies an Jesus hängend, mit ihm durch die Welt, durchs Leben, durch Tod und Hölle bis in den Himmel ziehend.

 

Das wäre mal ein Schluss für das Markusevangelium gewesen – und Stefan Scharff da oben an seiner Orgel würde sagen: und dann könnten wir auch gleich das ganze Evangelium singen.

 

Denn vielleicht passen das Herz als Sinnesorgan des Glaubens und der Gesang auch besser zusammen – für Paul Gerhardt scheint es sicher so gewesen zu sein.

 

Aber der Glaubensgesang braucht eine Vorstufe. Glauben ist, so Hans Küng, "vernünftiges Vertrauen, das Denken, Fragen und Zweifeln einschließt und das zugleich Sache des Verstandes, des Willens und des Gemütes ist" (H. Küng, Credo, 22). Die poetische Rede vom Herzen als einem Sinnesorgan, mit dem ich wahrnehme, was mir Verstand und die anderen Sinne vorenthalten, trifft auf den Widerspruch der Herzenshärte, von der Jesus spricht.

 

Bei dem Stichwort "Herz" mag einem fast automatisch der Spruch des Fuchses einfallen, dem er dem Kleinen Prinzen als Geheimnis mitgibt: " Man sieht nur mit dem Herzen gut." Und dann fährt der Fuchs fort: "Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar."

 

Dem kann nur zugestimmt werden, wenn Werte das Wesentliche sind, wenn sich der Mensch leiten lässt in seinem Denken und Fühlen, Tun und Lassen durch das, was ihm wirklich wertvoll ist.

 

Ob das dann auch Wesentlich ist, ob es dem Wesen eines Menschen wirklich entspricht oder ihm nicht doch die Seele raubt und das Herz verengt, ist immer noch die Frage.

 

Deshalb sieht das Herz nicht nur gut. Mit dem Herzen ist sehr schlecht zu sehen manchmal; es sieht düster oder schwarz, kalt oder hart, es sieht zu blauäugig oder zu eng, je nachdem, wovon es erfüllt ist. Als Erkenntnisorgan ist das Herz weder besser noch schlechter als der Verstand.

 

Die Popularität des Spruches rührt meiner Ansicht von der Sehnsucht her, selbst im Herzen gesehen werden zu wollen, damit endlich mal jemand erkennt, wie es wirklich aussieht in mir.

 

Und das kann und tut Gott. Er sieht mehr als äußere Daten und Eindrücke, sieht das Wesentliche und Bleibende, weiß und versteht, was das Herz eines Menschen bewegt, was es höher schlagen, sich verhärten, was es verzagen oder was es jubeln lässt. Wenn wir das als Vorzeichen nehmen könnten für alles, was vor Augen ist: Gott sieht das Herz an, sieht tiefer, als man einen anderen Menschen erkennen, und tiefer als man selbst in sich hineinblicken kann - und er tut das liebevoll und gnädig, dann, so glaube ich, weicht die Herzenshärte, dann tut sich eine neue Dimension von Wirklichkeit auf, der ich vernünftig vertrauen kann, die mein Denken, Fragen und Zweifeln einschließt, Verstand, Willen und Gemüt berührt und herausfordert.

 

Von ihr spricht auch Friedemanns Taufspruch: "Der Herr befiehlt seinen Engeln, dich zu behüten auf allen deinen Wegen; sie tragen dich auf ihren Händen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt."

 

Engel sind Boten für die Wirklichkeit Gottes, die uns umgibt, die uns durchwebt, von der Jesus erfüllt war in seinem Leben, Sterben und Auferstehen. Sie sollen mich Gottes Liebe spüren, mich Heil ererben und heil werden lassen.

 

So sind sie nichts anderes als mittelbare Wesensäußerungen Gottes; sind Symbole seiner Liebe.

 

Das klingt manchem vielleicht ein wenig fade. Aber Symbole sind mehr als bloße Zeichen, sie geben Teil an der Macht dessen, was sie symbolisieren.

 

Und so begegnet mir in einem jeden Engel die Liebe Gottes – sei er ein Gedanke, ein Lichtstrahl, ein schönes Bild, ein Flügelschlag, oder ein ganz besonderer Mensch. Mein Engel eben: Freund, Vertraute, mein Kind, ein Fremder - leiser Ton, milder Wind, Sonnenstrahl, mein Jubel und mein Trost.

 

"Auf, auf, mein Herz mit Freuden, nimm wahr, was heut geschicht: Auferstehung geschieht, heute schon.

 

Die Geschichte Gottes mit uns und unsere Geschichte mit Gott hat ein schöneres Ende als das Markusende ahnen lässt: ein Ende mit Jubel, einem Jubel in den wir heute einstimmen können, in den Frauen und Männer und alle Engel einstimmen können. "Denn der Herr ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden! Halleluja."

Zurück

Theologin Petra Bahr neu im Deutschen Ethikrat

21.05.2020

Hannover (epd). Die evangelische Theologin und Ethik-Expertin Petra Bahr hat acht Wochen nach dem Beginn der Corona-Krise an die Eigenverantwortung der Menschen appelliert. In der aktuellen Phase der Krise mit vorsichtigeren Lockerungen werde es viel schwieriger, angemessen mit der Bedrohung durch das Coronavirus umzugehen als vorher, sagte die hannoversche Regionalbischöfin am Donnerstag dem Evangelischen Pressedienst (epd).

weiter...

Kleine Abendmusik vom Turm

13.05.2020

Unsichtbar, aber voller Kraft: Jeden Mittwoch und Sonntag schallen – seit zwei Wochen schon - nach dem abendlichen Glockengeläut um kurz nach 18 Uhr Trompeten-Choräle aus dem Kirchturm in den Ort hinunter. Der Turmbläser, dessen Musik viele Menschen aus dem Umfeld der Kirche erfreut, möchte ungenannt bleiben. Wir fühlen uns reich beschenkt – und danken ihm herzlich!

Der zentrale ökumenische Gottesdienst zum 75. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges

08.05.2020
EKD-Newsletter: Die Aufzeichnung des Ökumenischen Gottesdienstes aus dem  Berliner Dom ist noch in der Mediathek der ARD verfügbar: Am Gottesdienst wirkten der Ratsvorsitzende der EKD, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Georg Bätzing, sowie der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK), Erzpriester Radu Constantin Miron, mit.
 
Die Predigt hielten Heinrich Bedford-Strohm und Georg Bätzing gemeinsam. Der Gottesdienst stand unter dem Leitwort „Frieden!“ und fragte nach der Verantwortung, die aus der Befreiung von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft vor 75 Jahren heute für ein friedvolles Miteinander erwächst.

Willkommen zurück: Gottesdienst in der Blankeneser Kirche!

07.05.2020

 

So 10. Mai, 10 + 11 Uhr | Kirche | Predigt: Pastor Thomas Warnke
Musik: Kantor Stefan Scharff, Karin Klose, Gesang
Die Kirchengemeinde schreibt: "Wir dürfen wieder Gottesdienst in der Kirche feiern. Und so wagen wir am kommenden Sonntag „Kantate“, dem 10. Mai, einen Neuanfang. Strenge Auflagen sind zu bedenken: Sicherheitsabstände von zwei Metern, Hygiene-Regeln, Masken-Pflicht. Singen ist noch nicht erlaubt, dafür aber Summen – und natürlich musikalische Begleitung durch Orgel und Solisten. Trotzdem wird es ein schöner, ganz besonderer Gottesdienst werden!

weiter...