Matthäus 11,25-30

10.05.2009 | 18:11

Th. Warnke

Liebe Gemeinde!

Dies ist ein klangvoller Sonntag, der Sonntag Kantate. Er ruft uns den 98 Psalm in Erinnerung: Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder. Er schafft Heil!

Welch großes Ereignis gab es wohl zu feiern damals, das solch einen Liedertext hervorbrachte.

Welch ein Lobgesang!

Eben so einen Lobgesang finden wir im Predigttext für heute.

Er ist selbst eine kleine Liturgie, schön gegliedert in einen Lobpreis, ein Bekenntnis und einen Heilandsruf. Eine „Perle“ im Matthäusevangelium, weil er in so komprimierter Form den ganzen Reichtum des Evangeliums enthält.

Ich lese ihn noch einmal: 

Mt 11:

25 Zu der Zeit fing Jesus an und sprach

Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde,

weil du dies den Weisen und Klugen verborgen hast

und hast es den Unmündigen offenbart.

26 Ja, Vater; denn so hat es dir wohlgefallen.

27 Alles ist mir übergeben von meinem Vater;

und niemand kennt den Sohn als nur der Vater;

und niemand kennt den Vater als nur der Sohn

und wem es der Sohn offenbaren will.

28 Kommt her zu mir, alle,

die ihr mühselig und beladen seid;

ich will euch erquicken.

29 Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir;

denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig;

so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.

30 Denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht.

Womöglich kennen Sie den wunderbaren Choral aus dem Messias von Händel? „His yoke is easy, His burden is light”? Leider fehlt uns ein kleines Orchester, sonst hätten wir dieses Stück zur Aufführung gebracht.

Eigentlich meine ich, das ist die angemessenste Auslegung dieser Verse. Man kann es am Sonntag Kantate ruhig deutlich sagen, dass die Musik es oft sehr viel besser versteht, die tiefe Botschaft des Glaubens, den tiefen Sinn mancher Worte aus der Bibel auszudrücken und unserer Seele und unserem Verstehen empfänglich zu machen.

Da ist soviel Schwung und Freude und gleichzeitig soviel Leichtigkeit und Sanftheit in dem Gesang über das Joch Jesu.

Es gibt offensichtlich eine Last, die wir als Christinnen und Christen zu tragen haben. Aber diese Last ist sanft und leicht – sagt Jesus.

Hier wird nicht geleugnet, dass das Leben auch darin besteht, seine Last zu tragen. Doch dann öffnet Jesus das Fenster, so weit wie es geht. Und da strömt sie aus uns heraus, die Sehnsucht nach Erleichterung, nach Ruhe, nach Ausruhen...

Die wir alle kennen. Manchmal...

  • ...wenn mir die Termine einfach zu viel werden und ich nicht mehr weiß, wie ich das alles schaffen soll.
  • ...wenn wieder einmal eine Arbeit – oder gleich mehrere Arbeiten in einer Woche in der Schule angesetzt wurden und man sich mit diesem Druck durch die Tage hängelt.
  • ...wenn mich die Sorgen vor der Zukunft quälen, weil alles so unsicher scheint. Weil ich unsicher bin, wohin mich die Zukunft führt.
  • ...wenn mich die Nachrichten von den Kriegen, Krankheiten und Hungersnöten erreichen, die Berichte von Amokläufern, Menschen die ihre Familie umbringen, wenn mir die Not der Welt zu viel wird – auch dann sehne ich mich einfach nach Ruhe, nach einer Ruhe, die mir sagt: das ist jetzt nicht dein Problem.
  • ...wenn ich spüre, dass ich die in mich gesetzten Erwartungen gar nicht erfüllen kann. Wenn ich eine ganze Zeit lang den anderen und mir etwas vormachen kann, weil ich es gelernt habe, weil es dazu gehört...
  • ...wenn ich unsicher bin, ob ich die richtigen Freunde und Freundinnen habe, weil sie mir fremd bleiben, ich mich nicht verstanden fühle..., das macht mich manchmal ganz unruhig.
  • ...wenn ich ganz früh morgens wach werde und einfach nicht mehr schlafen kann, weil mich so viele Dinge beschäftigen. Dann endlich müde aufstehe und eigentlich gar nicht weiß, wie ich den Tag bestehen soll....

Ja, dann sehne ich mich nach Ruhe, Ruhe für meine Seele. Dann wünsche ich mir einfach einen Ort haben, an dem ich so sein kann, wie ich bin, ohne etwas leisten zu müssen, mit meinen Fähigkeiten, für die ich dankbar bin, sicher, aber auch mit all meiner Schwachheit, erschöpft, müde und überfordert.

„Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken“ – sagt Jesus seinen Zuhörern: Menschen, die zum einfachen Volk gehörten, die sicherlich oft müde waren von der schweren Tagelohn-Arbeit – die damit gerade mal ihre eigene Familie ernähren konnten. Die Belasteten, die niemals eine wirkliche Chance im Leben erhalten werden. Die Frauen, die sich immer und immer wieder gedemütigt fühlten, Menschen zweiter Klasse. – Und deshalb ist es recht, wenn das arme Volk in Brasilien, die Landlosen, diesen Text auf sich und ihren Kampf um ihre Rechte beziehen. Deshalb ist es recht, wenn wir diesen Text heute am Muttertag Müttern in die Hände legen, die in Armut und mit Krankheit leben und nicht wissen, wie sie ihre Kindern ernähren und versorgen sollen.

Und es ist recht, wenn der irakische Junge, der seine Familie in einem Bombenhagel verloren hat, in diesem Text Tröstung sucht.  „Kommt her zu mir alle! Ich will Euch Ruhe geben.“

Beten wir dafür, dass sie alle diese Stimme hören, die Jesus in ihre, aber auch in unserer Richtung spricht.

All denen - und uns - sagt Jesus: „Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.“

Gelingt es uns, schaffen wir das, uns so in die Hand eines anderen zu begeben? Kritiklos! Willentlich?

Es sind wunderschöne Worte; und auch wenn die Sperrigkeit des Jochs bestehen bleibt, spiegeln diese Worte Jesu die tiefe Schönheit des Glaubens, eine tiefe Weisheit des Herzens: lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.“

Jesus sagt nicht, dass dieses Leben ohne Joch funktioniert. Er ist nicht der Zauberer, den wir uns gewiss manchmal wünschen...

Nein, er sagt: lernt von mir. Denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig. Deshalb ist meine Last sanft und leicht.

Immanuel Kant glaubte zu erkennen: dass das leichte Joch Christi das Sittengesetz des mündigen Menschen sei, in dem jeder die Pflichten „als von ihm selbst und durch seine eigene Vernunft auferlegt betrachten kann, und die er daher... freiwillig auf sich nimmt“.[2] Ich glaube, Jesus redet zu den wirklich Müden! Jenen, die keine Zeit und Energie haben, sich darüber Gedanken zu machen, ob daraus ein Sittengesetz werde, die nicht aus lauter Vernunft erkennen, was sie tun sollten.

„Lernt von mir“, heißt einfach, schaut doch, wie ich es gemacht habe.

Demütig lernte Jesus zu sein, beginnend in der Versuchungsgeschichte, demütig reitet er auf einem Esel in Jerusalem ein, endend am Kreuz.

Solche Demut ist eine Haltung, die sich zugunsten der anderen zurückstellt, aus Liebe.

Das leuchtet nicht immer ein. Ich erinnere mich an eine Diskussion auf einem Kirchentag in der Halle der Spiritualität. Dort waren in einer großen Messehalle verschiedene kleine Themenräume aufgebaut. Ein Raum trug die Überschrift „Demut“. Wenn man hineinwollte musste man sich beugen, in die Knie gehen, da ein Vorhang bis zur Hälfte des Durchgangs hinuntergezogen war. Mnache sagten, es gehe doch darum, den aufrechten Gang zu lernen; viel zu lange wurde der Mensch durch Religion und Kirche erniedrigt.

Aber Jesus redet nicht von solchen Oberflächlichkeiten und Dummheiten und den Verbrechen der Kirche, wodurch Menschen klein gehalten wurden.

Jesus spricht von einer Begegnung, einer inneren Begegnung mit dem Größeren, vor dem man sich auf die Knie sinken lässt und dankbar erkennt woher man kommt und wohin man gehört.

Es ist keine Leistung, die erbracht werden muss. Es ist eine Einsicht, eine Offenbarung, die Gott schenkt.

Matthäus hat dabei die Unmündigen im Blick, nicht die Verständigen, nicht die Weisen und Klugen. Weil die Klugen seiner Zeit, die Schriftgelehrten so anders lebten als sie es dem Volk erzählten.

Matthäus wendet sich nicht gegen die althergebrachte Weisheit, sondern gegen die Trennung von Lehre und Leben. Er verbindet das Christusbekenntnis mit der Ethik.

Wir haben gestern und Vorgestern im Kirchenvorstand über das Leitbild unserer Kirchengemeinde nachgedacht.

Unser Tun, unser Handeln als Christinnen und Christen haben wir benannt, unser verantwortliches sozial-verpflichtetes Mittun in der Gemeinde und in der Welt haben wir benannt, weil wir es elementar beinhaltet sehen in unserem Glauben.

Matthäus bindet dieses Tun zurück an ein Bekenntnis zu Christus: „Alles ist mir übergeben von meinem Vater; und niemand kennt den Sohn als nur der Vater; und niemand kennt den Vater als nur der Sohn und wem es der Sohn offenbaren will.“

Dieser Text fordert uns mit aller Wachheit heraus. Damit wir uns von seiner exklusiven Zuspitzung nicht in die Enge treiben lassen, und doch in einem „ja“ zu ihm, zu diesem Bekenntnis - genau die Weite, Offenheit, Gastfreundschaft und Freiheit finden, die uns so am Herzen liegt.

Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir;

denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig;

so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.

Denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht.

 

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

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