Matthäus 28, 16 – 20

19.07.2009 | 17:24

Klaus-Georg Poehls

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Die elf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg, wohin Jesus sie beschieden hatte. Und als sie ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder; einige aber zweifelten. Und Jesus trat herzu und sprach zu ihnen: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.

Liebe Gemeinde!
Der Schluss des Matthäusevangeliums ist uns als Predigttext beschert. Als Missionsbefehl bekannt, weil so in unserer Bibel überschrieben, ist er hineingezogen in den unguten Ruf von Mission, wie sie sich ihn als Weggefährtin von Kolonisation verdient hat. Gleichwohl ist er bemerkenswert. Denn er ist nicht das Ende, er ist der Anfang einer jeden Glaubensgeschichte. Und so steht er oft genug am Anfang eines kleinen Lebens, wenn er bei der Taufe eines Kindes jetzt als so genannter „Taufbefehl“ gelesen wird.
Bedenken wir: in den ersten Abschriften der biblischen Bücher gab es keine Überschriften, und das war auch gut so und könnte gern auch wieder so sein. Denn wir könnten bei dem heutigen Predigttext nämlich freier unser Augenmerk auf die Verheißung am Ende richten, auf die Aufforderung, zu halten und zu bewahren, was Jesu Lehre war, auf die Frage, was denn seine Lehre war, was er uns den anbefohlen hat, als nur auf das große Wort „Mission“ fixiert zu sein.  

Matthäus lässt in Jesus einen Gott nahe kommen, dessen Macht sich nur im Wort erweist. Nur dieses Wort kann und soll Menschen in Bewegung setzen und um die Welt wandern; und es soll weitergetragen werden nicht von Besserwissern und Bessergläubigen, sondern von Jüngern, die Demut zeigen und zweifeln.
Die elf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg, wohin Jesus sie beschieden hatte. Und als sie ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder; einige aber zweifelten.

Was sich da aufzuteilen scheint in gute und gläubige Jünger und ungläubige und Zweifler, das ist Ausdruck des Zwiespaltes, der jedem Glaubenden vertraut ist, ja der zum Glauben gehört.
Kein Gotteswort kann mir so nahe kommen, ja der Auferstandene selbst, so Matthäus, kann mir nicht so nahe kommen in seiner Macht über Himmel und Erde, dass nicht der Zweifel bleibt. Das gilt es zu lernen: Die Freiheit des Glaubens besteht auch darin, dass Zweifel möglich bleibt.
Hier läuft ein Offenbarungsgeschehen ab, hier erweist sich der Auferstandene als der Bevollmächtigte Gottes, hier werden klare Worte gesprochen – und einige zweifeln. Die eindeutigste Schilderung göttlichen Geschehens bleibt zwei- oder mehrdeutig. Und diese Mehrdeutigkeit hat Matthäus als den Zweifel einiger Jünger in das Zentrum des Glaubens geholt – in die Offenbarung des Auferstandenen als Welten- und Himmelsherrscher, in die Beauftragung der Jünger.
Göttliches und Menschliches begegnen einander, suchen die gegenseitige Beziehung zu klären, aber es bleibt alles im Rahmen des Menschlichen, hier geschieht nichts jenseits menschlicher Sinneswahrnehmung, jenseits menschlicher Möglichkeiten. Und so bleibt es uneindeutig, bezweifelbar und zweifelhaft. Wäre es anders, dann hätte Gott uns unsere Freiheit, unsere Würde genommen; er hätte uns überwältigt mit seiner Macht, die einen Menschen manipuliert, aber nicht gewonnen hätte.

Weil Gott so nicht ist, gehört der Zweifel wesentlich zum Glauben, ist Teil von ihm. Und so bleibt er, auch nach Ostern, auch angesichts der Macht der Auferstehung, sagt Matthäus.
Dennoch Gott zu glauben, im Angesicht seiner ohnmächtigen Macht, im Angesicht seiner Präsenz, die als nicht präsent gesehen werden, die immer bezweifelt werden kann, das erfordert den Mut des Vertrauens.
Es ist das Vertrauen, das es die Ohnmacht von Gottes Macht ist, die sich als mächtig erweist, es ist das Vertrauen,  dass Gott es ist, der gegenwärtig ist in der Gottlosigkeit dieser Welt, es ist das Vertrauen, dass der Zweifel der Wahrheit Gottes genauso nahe sein kann, wie der Glaube.

Der Zweifel bleibt und das ist gut. Der Zweifel stellt immer neu die Möglichkeit von Wahrheit in Aussicht, er ist ihr nahe, ringt um sie. Er beschert Nachdenklichkeit und Besonnenheit, und ist so Hilfe für einen vorsichtigen und respektvollen Umgang mit der Wahrheit anderer Menschen und anderer Religionen.

Und als mit dem Zweifel beschenkter Glaubender höre ich dann das „Machtwort“ Jesu:
Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe.

Alle Gewalt im Himmel und auf Erden – will heißen: alle Macht Gottes findet sich in dem, der da spricht. In seiner Botschaft und in seiner Vollmacht ist er kein anderer als der, der vor seinem Tod zu den Menschen sprach. Und deshalb ist diese „Gewalt im Himmel und auf Erden“ wieder nichts anderes als die werbende rettende und vergebende Kraft Gottes. Matthäus lässt Jesus bewusst so sprechen, glaubt Jesus ganz bewusst so, damit eine Verlängerung oder Fortsetzung der Passion Jesu in die Kirchen- und Missionsgeschichte hinein gerade nicht geschieht. Und wir wissen: sie geschah in weiten Teilen doch.

Die einzige Macht nämlich, die Kirche auszuüben berechtigt ist, ist die Verkündigung des Wortes Gottes. Und auch hier nicht in einem unkritischen Sinne, so als ob alles, was in der Bibel stünde, Gottes Wort sei, sondern im kritischen Blick daraufhin, ob unser Wort sich an der Botschaft Jesu von der Liebe Gottes messen lassen kann.

Kein Wort der Kirche, kein Wort der Gemeinde darf zurück hinter die Worte, die vorhin vom Propheten Jesaja zu hören waren, und was immer hinter der Schönheit dieser Worte zurückbleibt, wirft einen Makel auf uns. Wo wir es selbst nicht schöner sagen können, bleibe doch die Schönheit dieser Worte:

Und nun spricht der HERR, der dich geschaffen hat, Jakob, und dich gemacht hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein! Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, dass dich die Ströme nicht ersäufen sollen; und wenn du ins Feuer gehst, sollst du nicht brennen, und die Flamme soll dich nicht versengen …. weil du in meinen Augen so wertgeachtet und auch herrlich bist und weil ich dich lieb habe. So fürchte dich nun nicht, denn ich bin bei dir.

Das ist die Verheißung, die jeden Raum und jede Zeit erfüllt, einen Neuanfang eröffnet und mich auf den Weg in diese Welt hinein setzt. Es ist eine Verheißung, die zuerst dem jüdischen Volk galt, die dem Juden Jesus galt und durch ihn auch uns.

Wenn nachher im Grotiusweg derer gedacht wird, die aus dem sogenannten Judenhaus dort in den sicheren Tod deportiert wurden, dann muss immer auch bedacht werden, dass unsere Gemeinde damals diesen Menschen genau diese Verheißung ihres eigenen Gottes schuldig geblieben ist.
Deshalb sollte unsere Gemeinde heute eine sein, die die Schönheit von Gottes Verheißung auch in den anderen Religionen sucht und sich daran freut, die Gott zutraut, dass er auch andere Menschen so wie uns beauftragt hat, seine unumstößliche Nähe, sein Dasein zu verkünden. Und mit solchen Menschen anderen Glaubens müssen wir gemeinsam den Missionsversuchen derer entgegentreten, die exklusives Heil für sich auf der einen Seite und allgemeine Verdammnis für den Rest auf der anderen Seite verkünden - religiös oder politisch.

Mission, um dieses Wort noch einmal aufzunehmen, geschieht in Gegenseitigkeit und auf Augenhöhe und sie wird mit der Nachdenklichkeit und der Besonnenheit des Zweifels buchstabiert.
Ich habe keine Sorge um den Bestand unserer Kirche, solange sie nicht gewinnen will, sondern Menschen Leben in Freude und Fülle gewinnen lässt, dafür arbeitet und so Gott ehrt. Das ist unsere Mission.
Amen. 

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