Matthäus 5, 13-16
Klaus-Georg Poehls
16. und 17. Mai 2009
Sie hatten einfach nicht ahnen können, dass dieser Tag noch ein gutes Ende nehmen würde. In einem für ihre Anzahl zu kleinen Raum mussten sie sitzen – auf dem harten Boden, während ein paar Privilegierte auf ihren Stühlen Neidgefühle weckten.
Warm war es, die Luft stickig. Die Müdigkeit wurde so nur noch größer. Schon die Nacht war doch sehr kurz gewesen. Man hatte sie einfach nicht in Ruhe gelassen, sie nicht da schlafen lassen, wo sie wollten. Wieder hatte man sie in ihre engen Zimmer gezwungen, die schon intensiv nach Enge rochen und wie Mülleimer mit Tür und Fenster aussahen. Und wer dann raus wollte und frische Luft wollte, der wurde erbarmungslos gejagt und riskierte angeraunzt zu werden von dem, der nun da vorne vor der Leinwand moderierte.
Selbst nachts halb drei, als es doch nun wirklich Zeit wurde, einmal bei den Nachbarn anzufragen, ob es ihnen denn noch gut gehe, wollte man das verhindern.
Und nun Worte über Worte. Texte, die für andere eine Bedeutung hatten, sie sollten ein Text werden, der für alle bedeutsam war. Der Boden wurde immer härter, die Augenlieder immer schwerer – und es hörte nicht auf. Bosau im April 2009 – Ihr erinnert Euch.
Meine lieben Konfis, liebe Eltern, Großeltern und Paten, liebe Gemeinde!
Wir haben eben als Bekenntnis gesprochen, was in Bosau als wirklich bedeutsamer Text herausgekommen ist. Und in der Tat ist ein Bekenntnis mehr als ein schöner Text. Wer sich bekennt, übernimmt Verantwortung, steht für etwas ein, verpflichtet sich zu etwas. Wer sich zum Glauben bekennt, gibt seinem Leben Richtung und seinem Handeln ein Maß. Ich selbst bin einer, der Vorbilder braucht und hat. Drei Vorbilder will ich in dieser Predigt zu Wort kommen lassen, ohne dass die Reihenfolge der Zitate etwas über ihre Rangfolge aussagte:
„Nicht das Beliebige, sondern das Rechte tun und wagen, / nicht im Möglichen schweben, sondern das Wirkliche tapfer ergreifen, / nicht in der Flucht der Gedanken, allein in der Tat ist die Freiheit.
Tritt aus ängstlichem Zögern heraus in den Sturm des Geschehens, / nur von Gottes Gebot und deinem Glauben getragen, / und die Freiheit wird deinen Geist jauchzend empfangen.“ (D. Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung, 184)
Dietrich Bonhoeffer, Theologe, Pastor und Widerstandskämpfer gegen die Nazis schrieb so. Für ihn ist das erste Bekenntnis eines Christen und einer Gemeinde vor der Welt die Tat.
Jene Tat, die aus dem Glauben und aus Gottes Gebot folgt, ja die recht eigentlich tätiger Glaube ist.
Denn Glaube ist Handeln und Handeln ist der Schritt des Glaubens. So wie Liebe sich mitteilen will, sonst wäre sie keine Liebe, so will Glaube gehen, handeln, sonst wäre es kein Glaube.
Im Evangelium, das Ihr Euch mehrheitlich gewünscht habt, war das seltsame Wort vom Salz, das nicht mehr salzt, zu hören. Was in der Natur nämlich ein Unding ist, was gar nicht geht - nämlich dass aus sich heraus ein Ding seine Dinglichkeit leugnet und ein Wesen sein Wesen ablegt, das kann der Mensch sehr wohl. Und so kann er auch das eine meinen und das andere sagen, so kann sie auch das eine wollen und das andere tun.
„Ihr seid das Salz der Erde, ihr seid das Licht der Welt“. Jesus spricht so, Vorbild vieler Vorbilder, die nach ihm kommen. In seiner Bergpredigt spricht er zu Menschen, die er nicht kennt. Das einzige, was er einigen seiner Zuhörer unterstellen könnte, ist, dass sie Suchende sind, dass sie nach Antworten suchen auf die Fragen, die ihr Leben an sie stellt.
Aber da sind auch andere unter ihnen, die nur mal so, aus der Langeweile der Massen, zuhören; wieder andere, die mit gespitzten Ohren darauf lauschen, dass Jesus sich verrät – sich als Scharlatan oder als Gotteslästerer erweist.
Gläubige, Suchende, Zyniker, Skeptiker, Rechtschaffene und Randexistenzen, Schuldige und Schuldlose, Ausgegrenzte und Eingebildete, noch nicht Fertige und Fix und Fertige – sie alle werden von Jesus angesprochen: „Ihr seid das Licht der Welt“.
Bedingungslose, uneingegrenzte Zusage – und doch wohl hoffnungslose Naivität. Besser kann man von Menschen nicht denken, aber: wir wissen es doch besser, oder?
Wir wissen doch von der Gemeinheit, der Niedertracht, der Resignation, der Dunkelheit von Menschen. Wir wissen sogar, dass manche ihr Schicksal zu Recht erleiden, dass sie selber Schuld sind. Wir wissen, dass ein Mensch sein Wesen verleugnen, sogar sein Wesen neu definieren kann, zu einem Übermenschen werden will, wissen, wie anderen ihr menschliches Wesen abgesprochen werden kann.
„Ihr seid das Salz der Erde, ihr seid das Licht der Welt.“ Wen sieht Jesus denn, wenn er so von Menschen spricht?
Offensichtlich sieht er nicht den durchbilanzierten Menschen in der Summe seiner Stärken und Schwächen. Der Blick Jesu auf einen Menschen ist hellsichtiger. Ich sage: Jesus sieht im Menschen immer den, der sich selber voraus liegt, der immer mehr ist als die Summe seiner Stärken und Schwächen.
Jesus sieht glaubend auf den Menschen; hätte Jesus ein Glaubensbekenntnis verfasst, dann wäre der Mensch als ein geliebtes Geschöpf Gottes darin vorgekommen.
Wertvoll, unverwechselbar der Mensch von Gott her mit einem Recht auf Einzigartigkeit und auf Zukunft, sich selbst immer voraus als ein Kind Gottes, eine Schwester, ein Bruder der Menschen, bestimmt dazu, Licht der Welt zu sein, begnadet mit Eigenschaften, die es hell werden lassen, wo Dunkelheit herrscht, die dem Leben Geschmack geben, wo Fadheit vor sich hin wabert
„So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.“
Jesus ermuntert: Gib dein Wesen nicht preis, werde nicht unwesentlich, sondern wesentlich. Werde, was du von Gott her schon bist: Salz der Erde, Licht der Welt.
Sieh im anderen, was er von Gott her ist: einer, der es hell machen kann in dieser Welt, eine, die dem Leben Geschmack gibt. Nicht, weil er oder sie tolle Leistungen vollbringt, besonders gut aussieht, einem Schönheitsideal entspricht, vor Selbstbewusstsein kaum noch gehen kann, sonder weil er oder sie Gottes Tochter und Gottes Sohn ist. Nur deshalb. Das sei dein Glaube und das sei dein Tun.
Ihr, meine Lieben, seid das Salz der Erde, ihr seid das Licht der Welt. Normalerweise müsst Ihr Euch wahrscheinlich ganz anderes anhören: voll daneben, blöd, peinlich, problematisch, zickig – hoffentlich auch: cool, toll, nett, einzigartig. Heute: Salz der Erde, Licht der Welt.
Das war Euch auch im Konfer nicht immer anzusehen. Manchmal ist einem der Blick verstellt. Denn so, wie ich denke und fühle, so sehe ich auch. Und dann sehe ich laute, gelangweilte, störende Konfis oder sonstige Menschen.
Es braucht den anderen Blick, den Blick Jesu, den Blick der Liebe. Es braucht Orte und Zeiten, wo ich diesen Blick übe und schärfe – ich meine den Gottesdienst, ich meine die Kirche – und dann sehe ich, was ich glaube. Heute steht Ihr im Blickpunkt. Heute können wir sehen, was wir glauben: Ihr seid das Salz der Erde, ihr seid das Licht der Welt.
Nelson Mandela hat 1994 bei seiner Antrittsrede als Präsident von Südafrika gesagt:
„Unser Licht, nicht unsere Dunkelheit macht uns am meisten Angst. Wir fragen uns, wie kann ich es wagen,
brillant, hinreißend, talentiert und fabelhaft zu sein?
Doch in der Tat, wie kannst du es wagen, dies alles nicht zu sein?
Du bist ein Kind Gottes.
Wenn du dich klein machst, erweist du damit der Welt keinen Dienst. Es ist nichts Erleuchtetes daran, dich zu ducken,
damit sich andere Leute in deiner Gegenwart nicht unsicher fühlen.
Wir sind geboren worden, um den Glanz Gottes, der in uns ist, zu verwirklichen.
Und er ist nicht nur in einigen von uns; er ist in jedem Menschen.
Und wenn wir unser eigenes Licht strahlen lassen, geben wir unbewusst den anderen Menschen die Erlaubnis, dasselbe zu tun.
Wenn wir uns von unserer eigenen Angst befreit haben, befreit unsere Gegenwart automatisch auch andere.“
So spricht ein Mensch, der sich als empfangender Mensch empfindet, der Gott als schenkenden Gott glaubt und sich so Gott verdankt. Und das, was Euer Glaubensbekenntnis und damit auch Euch auszeichnet, ist dieser eine Satz, der trotz aller anfänglich geschilderten Widrigkeiten in Euer Bekenntnis Eingang gefunden hat: „Wir danken Gott durch Jesus im Heiligen Geist für Liebe und Hilfe in allen Zeiten.“
Ihr habt Dankbarkeit in Euren Glauben geholt. Danken wird so Ausdruck des Glaubens und eine Lebenshaltung. So werdet Ihr es hell werden lassen, wo immer Ihr seid und hingeht.
Ich persönlich habe viel über Dankbarkeit gelernt in Afrika, zuletzt in Tansania, wo ich mit wunderbaren Jugendlichen unsere Partnerdörfer besuchte. Dort heißt „vielen Dank“ auf Kisuaheli „asante sana“. Und das ist nicht nur höflich gemeint, erst recht keine Floskel, sonder es bedeutet zugleich: „Es hat sehr wohlgetan“.
Ich danke Euch sehr: Ihr wart und seid eine Wohltat - asante sana! Amen.