Matthäus 6, 16 f.

22.02.2012 | 21:46

Dr. Denise von Quistorp

„Ich aber sage euch“- Impulse aus der Bergpredigt für ein gelingendes Leben“

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen.

 

Liebe Gemeinde,

es ist schon eine erstaunliche Geschichte. Eine Handvoll Menschen beschließt in einer Hamburger Kneipe, zwischen Aschermittwoch und Ostern auf Alkohol, Fernsehen und Zigaretten zu verzichten. 10 Jahre später hat die EKD die Fastenaktion „7 Wochen ohne“ offiziell übernommen und 20 Jahre nach dem legendären Kneipentreffen sind es Millionen Bundesbürger, die fasten.

Ich bin eine von ihnen.

Ich werde mit fasten, weil ich aufräumen möchte,
äußerlich und innerlich. So wie ich im Frühling die Schränke durchsortiere und das Haus lüfte, so möchte ich auch innerlich aus dem Winterschlaf erwachen.

Ich tue das, indem ich etwas anders mache als sonst. Ich mache etwas weniger, z.B. Schokolade essen oder einkaufen. Und ich mache andere Dinge öfter, Stillezeiten mit der Jahresbibel Bibel oder aufmerksamer mit den Menschen um mich herum zu sein.

Ich möchte „mein trottendes Herz ins Stolpern bringen“. Ich möchte aus der Zerstreuung aufwachen und wieder sehen, „was meine schlechten Gewohnheiten und Nachlässigkeiten unsichtbar gemacht haben.“

Es fällt mir nicht leicht, zu fasten, Verzicht zu üben, dabei zu bleiben. Ich bin nicht hart und asketisch. Dass so viele andere auch fasten, hilft dabei sehr, finde ich.

Aber manchmal bin ich irritiert über die allzu sportlichen Wettkämpfe in Sachen Selbstkasteiung. Und darüber, dass so viel über Schokolade und Alkohol gesprochen wird, und so wenig darüber, wofür wir Raum schaffen, wenn wir aufräumen mit unseren schlechten Gewohnheiten.

Vielleicht bin ich aber nur so kritisch, weil mir der Predigttext im Kopf schwirrt? Erinnern Sie, was in Mt.6,16 f geschrieben steht:

„Wenn ihr fastet, sollt ihr nicht sauer drein sehen wie die Heuchler; denn sie verstellen ihr Gesicht, um sich vor den Leuten zu zeigen mit ihrem Fasten. Wahrlich ich sage Euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt.

Wenn du aber fastest, so salbe dein Haupt und wasche dein Gesicht, damit du dich nicht vor den Leuten zeigst mit deinem Fasten, sondern deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird es dir vergelten.“

Als Heuchler bezeichnet Jesus diejenigen, die demonstrativ fasten. Auch wenn man weiß, dass Fasten damals hieß, jegliche Körperpflege zu unterlassen, das Gesicht mit Asche zu verschmieren und eine Leidensmiene zur Schau zu tragen, dass Fasten also viel Aufhebens war, - ist das gleich Heuchelei?

Zumal es gute Gründe für öffentliches Fasten geben kann, damals wie heute:

Warum nicht ein Bekenntnis machen, in Zeiten, in denen Religion verschwindet, zeigen, hier wird noch geglaubt? Oder denken Sie an Fasten als politischen Protest gegen Unterdrückung. Dieses Fasten soll gerade von anderen wahr genommen werden.

Ich glaube auch, dass wir die äußeren Gesten brauchen, weil „wir uns von außen nach innen aufbauen“. Wenn ich äußere Gewohnheiten unterbreche, werden mein Verstand und mein Herz aufmerksam.

Jesus richtet seine Kritik nicht gegen das Fasten selbst. Das ist bemerkenswert, weil er und seine Jünger nicht gerade dafür bekannt waren, regelmäßig zu fasten. Denken Sie an Mt 9,14ff  „Wie können die Hochzeitsgäste Leid tragen, so lange der Bräutigam bei ihnen ist? Es wird aber die Zeit kommen, da der Bräutigam von ihnen genommen wird; dann werden sie fasten“ oder die Stelle, wo Jesus von seinen Zeitgenossen als „Fresser und Weinsäufer“ beschimpft wird (Mt. 11,19).

Jesus wendet sich mit seiner harschen Kritik vielmehr gegen die „Theaterfrömmigkeit“ seiner Zeit. Er nennt die Heuchler, die es beim Fasten auf die Anerkennung der Menschen abgesehen haben. Die sich für ihre Selbst­disziplin bewundern lassen. Bei denen Gott gar nicht vorkommt. „Sie haben ihren Lohn schon gehabt.“

Ihm geht es darum, dass Adressat des Fastens nicht andere Menschen sind, sondern allein Gott.

Allerdings kann Jesus wohl nicht gemeint haben, dass wir uns unsere Anerkennung bei Gott mit Fasten verdienen müssten. Das würde nicht zu seinem Reden von Gott passen.

Denn diese Verse übers Fasten sind Teil der Bergpredigt. Das heißt, wir haben es nicht mit Gesetzen und Verboten oder moralischen Ansprüchen zu tun. Die Bergpredigt enthält keinen Forderungskatalog, „sondern einzig eine Beschreibung dessen, was möglich wird, wenn wir uns wirklich auf Gott einlassen“. 

Jesus nimmt in den Seligpreisungen den Blickwinkel der am Boden Liegenden ein. Da, wo das Leben aussichtslos scheint, gibt er eine Perspektive. Er preist alle glücklich, die ihr Leben einzig auf das Vertrauen auf Gott gründen. Alle können Gottes Gegenwart gewiss sein, ohne Vorleistung und ohne erhobenen Zeigefinger, in allem Leid und Scheitern, allein aus der Liebe und dem Erbarmen Gottes, aus reiner Gnade.

Das ist eine grenzenlose Einladung an uns, im Glauben an Gott von innen heraus frei und unabhängig zu sein. Befreit von dem Zwang, immer anderen gerecht werden zu müssen, von der Angst, überall könnte ein Feind lauern, befreit von der Sorge ums „richtige“ Christsein.

Deshalb wettert Jesus gegen die Heuchler: weil es beim Fasten nicht um den Applaus der anderen geht, sondern „um die Freiheit und Unabhängigkeit, die allein aus der Beziehung zu Gott erwächst.“

Und das, liebe Gemeinde, ist für mich der Grundgedanke des Fastens.

Ich faste nicht, um mir und anderen zu beweisen, alles erreichen zu können. Beim Fasten nehmen wir einen anderen Blickwinkel auf unser Leben ein, machen etwas anders, um uns aus der Zerstreuung zu holen, in der wir uns selbst und Gott verloren haben. Wir wollen wir uns von Abhängigkeiten befreien, vom Alkohol und Konsumzwang, von der Meinung anderer über uns, um wieder neu zur Freiheit gelangen, die im christlichen Glauben gründet. Im Fasten suchen wir die Unabhängigkeit und Geborgenheit, die „in der Abhängigkeit allein von Gott besteht.“ Und dies geschieht im Verborgenen, dabei gibt es keine Öffentlichkeit.

Wir fasten auch nicht, um unseren Glauben zu beweisen. Es ist umgekehrt, zuerst ist da das Geschenk des Glaubens. Verzicht ist die Einstellung, die aus dem Glauben folgt, wenn wir dieses Geschenk annehmen und wieder neu in den Mittelpunkt unseres Lebens stellen wollen.

So wie Dichter und Forscher auf der konzentrierten Suche nach ihrer Wahrheit auf vieles verzichten, so sagen wir in der Fastenzeit „nein!“ zu Ablenkungen, weil wir uns sammeln und auf Gott konzentrieren wollen. Und weil das ganze Leben noch einmal neu beginnen kann, wenn wir es von Gott her begreifen. Das nannte man früher „Umkehr“.

Das Motto der diesjährigen Fastenzeit greift diesen Geist des Fastens ziemlich direkt auf:

„- Gut genug!“- heißt es: 7 Wochen können wir uns üben in einem Leben ohne falschen Ehrgeiz.

Können uns befreit fühlen von dem Zwang, immer das Letzte aus allem heraus zu holen, aus unserer Karriere, unserer Schönheit, und ja, auch aus dem Entwurf zu dieser Predigt.

Wir können stattdessen den Blick schulen für den Punkt, an dem es reicht,

an dem wir versorgt genug sind, erlöst genug, um den Glauben als Geschenk an zu nehmen und die Gnade zu entdecken, mit der wir angenommen und gesegnet sind. Denn wir haben einen Wert jenseits aller Leistungen, wir sind Gott recht, gerade so, wie wir sind.

Diese uns zugesagte Gnade „ist umsonst, aber nicht billig.“

Denn in der Bergpredigt folgen auf den Zuspruch der Seligpreisungen

im nächsten Kapitel Ansprüche, die deutlich machen:

Wie Gott sich zu den Menschen verhält, können auch wir Menschen uns untereinander verhalten, wenn wir uns wirklich auf Gott einlassen.

Wenn Jesus die alten Gesetze zitiert, geht er durch ihren Wortlaut hindurch auf ihren ursprünglichen Sinn: „Ich aber sage euch!“ – Wenn er vom Gesetz, vom Beten, Vergelten, Sorgen, vom Fasten spricht, setzt er nicht auf die Buchstaben, sondern auf den Geist, den göttlichen Impuls, der ihnen zugrunde liegt.

Und dieser göttliche Impuls ist die Liebe zu den Menschen. Auch beim Fasten.

„Warum fasten wir …. warum kasteien wir unseren Leib und du siehst es nicht an?“ fragt ratlos das Volk in der Unterdrückung, in Jesaja, 58, 3 ff. Und Gott antwortet über den Propheten: „Das ist ein Fasten, an dem ich Gefallen habe: Lass los, die du mit Unrecht gebunden hast… lass frei, die du bedrückst. Brich dem Hungrigen Brot und die ohne Obdach sind im Elend sind, führe ins Haus. Wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn, und entzieh dich nicht deinem Fleisch und Blut.“

Menschlichkeit und Güte zeigen ist danach die rechte Art des Fastens. So wie auch die „Gesetzeserfüllung“ der Bergpredigt meint, Gott und dem Nächsten in Liebe zu dienen. Auch wenn wir fasten.

Dann heißt fasten, mich nach innen meiner Beziehung zu Gott zu vergewissern und nach außen meiner Beziehung zu den Menschen. Dann tauche ich beim Fasten in Gott ein und beim Nächsten wieder auf. Dann verzichte ich darauf, immer nur das Eigene zu wollen und verschenke stattdessen Zeit, Liebe, Lob, Gastfreundschaft, mache Besuche und pflege Kontakte, selbst beschenkt und „gepflegt“ wie ich bin durch die Gnade Gottes. Ich verzichte auf Ausreden und übernehme Verantwortung.

Diese Beispiele sind übrigens aus den Themen der Fastenaktionen der letzten Jahre, die für mich die Anstöße aus dem Jesaja wider spiegeln.

Es fällt mir immer noch nicht leicht, zu fasten, Verzicht zu üben, dabei zu bleiben. Ich bin nicht hart und asketisch.

Aber die Bergpredigt gibt mir einen neuen Impuls für diese Fastenzeit:

Dass es nämlich nicht um eine Zeit anstrengender Selbstkasteiung geht. Sondern um „7 Wochen mit“ - mit Gott und mit dem Nächsten. Und dann kann die Fastenzeit sogar zu dem bei Jesaja versprochenen Fest geraten, denn

 „das Dunkle wird Mittag, wir alle werden zu Wasserquellen, zu Maurern, die Lücken zumauern und damit ein Zuhause für andere bauen.“

Amen.                                                                       

 

Denise v. Quistorp

 

Quellen:

Drewermann, Eugen: Das Matthäusevangelium. 1. Teil. Olten: Walter Verlag 1992. S.367 ff und 536 ff
Zahrnt, Heinz: Jesus aus Nazareth. München: Piper 1987. S.163 ff
Sölle, Dorothee; Fulbert Steffensky: Löse die Fesseln der Ungerechtigkeit. Predigten. Stuttgart: Kreuz Verlag 2004. S. 141 ff
Bergpredigt. 13 Predigten in der Stiftskirche Tübingen. Stuttgart: J.F.Steinkopf Verlag 1973. S. 92 ff

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