Matthäus 6, 19-24

08.10.2007 | 00:32

Dr. F. Schlingensiepen

Liebe Gemeinde,


das Erntedankfest ist das einzige kirchliche Fest, das älter ist als unsere Kirche. Schon im alten Israel haben die Menschen jedes Jahr von neuem Gott gedankt, wenn die Ernte eingebracht war. Alle haben das getan, auch die, die bei der Ernte – wie die meisten von uns – gar nicht mitgeholfen hatten. Sie kannten das schöne Lied noch nicht, mit dem wir heute unseren Gottesdienst begonnen haben; aber der Satz: Von Gott kommt alles her, kam in ihren Liedern und Lobgesängen auch vor.


Gottes Gaben gelten allen; und so ist der geschmückte Altar jedes Jahr wie ein Bild, das spon-tane Freude weckt. (Hier bei Ihnen ist er, wie ich sehe, vornehm zurückhaltend geschmückt; aber die wundervollen Blumensträuße zeigen: Gottes Schöpfung erhält uns alle  nicht nur, durch die Gaben, mit denen sie uns überschüttet, sondern sie ist darüber hinaus wunderschön.


Da wirkt der Anfang des heutigen Predigttextes ein bißchen streng. Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo sie die Motten und der Rost fressen und wo die Diebe einbrechen und stehlen. Aber hören wir genau hin. Der Satz ist nur der Nebengedanke. Der Hauptgedanke kommt gleich im Anschluß: Sammelt euch aber Schätze im Himmel.


Jesus schickt uns beim heutigen Erntedankfest auf eine Schatzsuche. Wie bei dem Spiel, das wir vermutlich alle einmal gespielt haben, sollen wir eine erste Spur verfolgen; und wenn wir den Ort gefunden haben, zu dem sie führt, wird uns gesagt, wie´s weitergeht. Beim Start heißt es: Sammelt Schätze im Himmel. Da fragen wir: Schätze im Himmel, was ist das? und fangen an zu suchen. Und dann kommen wir zu dem Punkt, an dem uns gesagt wird, wo es weitergeht, und da steht: Such dir jemand, der das gemacht hat; such nach einem Menschen, der einen Schatz im Himmel hat. Und wir laufen weiter und finden einen solchen Menschen. Der verrät uns, wie er den Schatz im Himmel gefunden hat und sagt: aber andere haben es ganz anders gemacht als ich. Such dir ein zweites Vorbild und ein drittes. Aber ehe wir jetzt in Gedanken immer weiterlaufen, möchte ich Ihnen von einer Schatzsucherin erzählen, die in diesem Jahr von vielen Menschen gefeiert wird, weil sie 800 Jahre alt geworden ist: die Landgräfin Elisabeth von Thüringen, eine der großen Heiligen des Mittelalters. Sie war eine Königstochter aus Ungarn und ist mit vier Jahren auf die Wartburg bei Eisenach gekommen, um mit den Kindern des Landgrafen von Thüringen erzogen zu werden und später einmal den Thronerben zu heiraten. Mit 14 Jahren war eine Frau damals im heiratsfähigen Alter, und als 14jährige hat Elisabeth den sechs Jahre älteren Landgrafen Ludwig geheiratet. Der musste einmal für mehrere Monate außer Landes gehen und hatte ihr die Herrschaft übergeben, als im Land eine Hungersnot ausbrach. Da ließ die junge Fürstin kurzerhand die Vorratskammern der Wartburg öffnen und soviel Brot backen, dass alle Hungernden satt wurden. Und als die Hungersnot besiegt war, waren die Vorratskammern der Burg leer. Sowas kann man doch nicht machen, haben die Verwandten des Landgrafen gesagt. Die muß verrückt sein. („Verrückt“, so steht es wirklich in einer alten Chronik.) Elisabeths Verwandte auf der Burg hätten es vielleicht vornehmer ausgedrückt; aber gedacht haben sie: „Selber essen macht fett.“ Als der Landgraf  wieder zurückkam, hat er gelacht und seiner Frau Recht gegeben. Er war ein frommer Mann, und er liebte sie.


Es lohnt sich sehr, diese Schatzsucherin näher kennen zu lernen. Im Internet kann man jetzt ganz viel über sie finden; und was da steht, kann einen bei der Schatzsuche, auf die wir selber gehen sollen, schon sehr nachdenklich machen. Der Chor hat eben Bachs Motette Jesu, meine Freude gesungen. Da heißt es von Jesus: Außer dir soll mir auf Erden, nichts sonst Liebers werden. Das war das Motto der Heiligen Elisabeth Und das Weg mit allen Schätzen! Hat kaum jemand so radikal praktiziert wie diese Landgräfin aus dem Mittelalter. So hat sie gelebt. Wer denen hilft, die auf Hilfe angewiesen sind, dessen Vorratskammern leeren sich vielleicht (Gott sagt uns übrigens: Seid ganz ruhig; ich sorge schon dafür, dass sie sich wieder füllen;) aber vor allem gilt: wer das Seine so vorbehaltlos wegschenkt, der sammelt sich Schätze im Himmel.


Nun hatte ich aber gesagt: die Schatzsuche geht weiter. Wir könnten ganz leicht noch viele andere Vorbilder entdecken. Jede und jeder hat es ein wenig anders gemacht, manche auch sehr anders; aber alle bringen sie uns zum Nachdenken. Die entscheidende Frage ist doch: Wie sollte ich es machen? Was will Gott von mir?


Aber hier kommen wir bei unserer Suche zu einem Punkt, an dem wir einen weiteren Satz unseres heutigen Predigttextes finden. Jesus sagt uns nämlich etwas ganz Wichtiges über den Schatz, den wir finden sollen: Wo dein Schatz ist, da ist dein Herz. Einen solchen Schatz gibt es also schon. Wir müssen nur unser Herz fragen: Woran hängst du? Mit anderen Worten es geht um etwas, was jeder für sich hat; da ist keiner wie der andere; denn Dein Herz, das hast nur du. Und beim Nachdenken, was wir uns von Kindertagen an so alles mit so heißem Herzen gewünscht haben, so sehr, dass wir an gar nichts anderes denken konnten, schmunzeln wir vielleicht, weil diese Dinge ihre Attraktion für uns längst verloren haben. Unsere Wün-sche verändern sich im Lauf des Lebens. Was davon verdient da noch den Namen Schatz? Und was ist gar ein himmlischer Schatz?


Ich denke, eine Überlegung ist es wert, dass wir ihr einen Augenblick nachgehen. Unsere Sprache liebt die beiden Worte „Schatz“ und „Herz“ und spielt mit ihnen. Wir sagen „herz-lich willkommen“ oder „herzlichen Dank“, und mit der Silbe Herz ist dann der ganze Mensch gemeint, nicht „das klopfende Ding“ in der Brust. Man kann sein Herz an etwas hängen, man kann sein Herz sogar verschenken. Und mit dem Wort „Schatz“ ist es ähnlich; denn wir nenn-nen ja nicht nur Gold und Silber oder große Vorräte einen Schatz und auch nicht nur ein großes Wissen, das man ansammeln kann, um davon zu leben; sondern wir sagen zu dem Menschen, den wir am allerliebsten haben, „mein Schatz“ oder sogar „mein Herz“ und freuen uns, dass dieser Mensch noch nicht im Himmel ist, sondern hier bei uns auf der Erde. Wichtig ist freilich, dass man einen solchen Schatz gar nicht „sammeln“ kann; man kann ihn nur finden, und wer ihn gefunden hat, weiß: Dieser Schatz ist ein unverdientes, großes Geschenk.


Wer einen solchen Schatz gerade gefunden hat, dem fällt plötzlich das Schenken so leicht wie der Heiligen Elisabeth. Als Verliebte  werden die größten Langeweiler plötzlich kreativ.
Einen solchen Schatz haben und sich an ihm und mit ihm zu freuen, das gehört zu den größten Gaben Gottes. Jesus sagt: Wenn es so bei euch ist, um so besser. Zwei sehen mehr als einer. Dann könnt ihr euch miteinander auf die Suche nach den himmlischen Schätzen machen.
Es stimmt: Dein Herz hast nur du; aber in diesem Herzen ist Platz für andere.


Ein Festtag wie der heutige will alle Liebenden, aber auch Familien, Freundeskreise und ganze Gemeinden auf die Suche nach den himmlischen Schätzen schicken. In jedem Herzen ist Platz für andere. Für die, die wir lieben, und für die, die uns brauchen. („Platz für den Landgrafen und Platz für Hungernde.“)


Und hier kommen wir bei unserer Suche an einen weiteren Punkt, und finden wieder ein Jesuswort. Er sagt, dass es bei der Schatzsuche auf das Auge ankommt. Das Auge ist das Licht des Leibes. Wenn dein Auge lauter ist, wird auch dein ganzer Leib licht sein.


Blicken wir noch einmal zur Wartburg hinauf. Die junge Landgräfin hat gesehen: da unten in Eisenach kommen die Menschen um vor Hunger, und bei uns hier oben sind die Vorratskam-mern voll; also bringen wir ihnen Brot. Die andern da oben haben sie dafür scheel angesehen. Das nennt Jesus Herzensfinsternis. Hätten sie mitgemacht und geholfen, das Brot hinunter zu tragen, sie hätten ein Fest aus der Sache machen können, und ihre Herzen wären hell geworden.


Und nun kommt unsere Suche ans Ziel; um es gleich zu sagen: sie kommt an ein ziemlich merkwürdiges Ziel. Wir finden nämlich ein drittes Wort Jesu: Niemand kann zwei Herren dienen: Entweder wird er den einen hassen und den anderen lieben, oder er wird an dem einen hangen und den anderen verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.


Das klingt wie eine schroffe Warnung, als wären wir alle – egal, wieviel wir am Monatsende im Geldbeutel haben – in der Gefahr, Tänze um das goldene Kalb aufzuführen. So verstanden wäre es eher ein Predigttext für den Bußtag als für das Erntedankfest. Aber gerade das heuti-ge Fest kann uns helfen, das Jesuswort richtig zu verstehen. Es ist ein Ruf in die Freiheit. Die beiden Herren, von denen hier die Rede ist, zerren nicht – der eine links, der andere rechts – an unseren Armen, sondern wir können wählen, welcher von uns unser Herr sein soll. „Mammon“, das ist ein Wort für Geld, das zum Herrn geworden ist. Das Geld auf unseren Gehaltszetteln gehört zu den Dingen, die wir für unseren Lebensunterhalt brauchen wie die Gaben hier auf dem Altar. Aber so wie wir Nahrung und Kleidung nicht über uns herrschen lassen, obwohl wir beides zum Leben brauchen, so sollen wir auch das Geld nicht an die erste Stelle rücken; denn dann wird der Götze Mammon daraus. Dann meinen wir plötzlich, mit Geld könnten wir Sicherheit und Leben und Glück einkaufen und werden zu Sklaven, die tun müssen, was der Götze will. (Ein Thema für den Bußtag wäre das schon. Es glaube doch keiner von uns, für ihn sei das keine Gefahr. Keine Gefahr ist es nur für Menschen wie die Heilige Elisabeth; von der können wir lernen; aber wir sind nicht wie sie und sollen es auch gar nicht sein.) „Liebe Gott und tu, was du willst“, sagt der Kirchenvater Augustin. Wer Gott liebt, kann nämlich gar nichts falsch machen.


Am Ende der Schatzsuche steht einer und wartet auf uns und sagt: Geht euren Weg durchs Leben mit mir. Ich, Jesus, bin der „Freudenmeister“, der zum wahren Leben führt. Für jeden von euch habe ich einen besonderen Plan und besondere Aufgaben. Ihr werdet erkennen, was ich von euch will, wenn ihr eure Augen aufmacht. Auf die Augen kommt es an. Sie zeigen uns die Schönheit der Schüpfung, sie zeigen uns die Liebe Gottes und die Menschen, die uns brauchen, an die wir Gottes Liebe weitergeben können.


Bei Paul Gerhard gibt es einen Vers, der die Gaben des Erntedankfestes mit den Schätzen im Himmel verbindet; ein fröhliches Leben hier mit dem ewigen Leben bei Gott; und mit diesem Vers will ich schließen: Ach, denk ich, bist du hier so schön und lässt du´s uns so lieblich gehen auf dieser armen Erden: was will doch wohl nach dieser Welt dort in dem reichen Himmelszelt und güldnen Schlosse werden!

Amen.

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