Matthäus 6, 24-34 | Fastenpredigtreihe

04.03.2012 | 01:00

Ulrike Drechsler

Liebe Gemeinde,

 

Ich möchte Ihnen etwas übers das Sorgen erzählen und lade Sie ein, auf eine kleine Reise mitzukommen, die ich letztes Jahr im Sommer gemacht habe. Ich war auf einer Pilgerreise in Norwegen, mit 17 mir bis dahin unbekannten Weggefährten, 250 km in gut 10Tagen, mitten in der Wildnis über Stock und Stein, auf unbekannten Pfaden.

Es war eine geistliche Pilgertour und jeden Tag begleitete uns ein anderer Bibeltext. Einer davon hat mich besonders beeindruckt, es ist eben dieser Text aus der Bergpredigt über das Sorgen. 

Jesus sagt: sorgt nicht um euer Leben, was ihr essen oder trinken werdet, auch nicht um euren Leib, was ihr anziehen werdet.

Sorgt euch nicht, das schien ziemlich leicht gesagt, denn die Sorgen bezüglich der Wanderung fingen ja schon in dem Augenblick an, als ich die Zusage für diese Reise erhielt: 20-25 km am Tag zu Fuß durch unwegsames Gelände, über reißende Bäche ohne Brücke oder Steg, würde das gut gehen?

Wie würden die Nächte sein mit 18 Menschen in einem Raum? Was sollte ich nur anziehen, müsste ich mir noch schnell die dringend empfohlene, sündhaft teure Funktionswäsche kaufen oder könnte ich auch in einer normalen Hose über das Gebirge wandern?

Was würden wir essen? Wir waren in den einsamsten Gegenden unterwegs ohne Einkaufsmöglichkeit, würde der mitgebrachte Proviant ausreichen? Sorgen über Sorgen und die meisten davon völlig überflüssig.

Denn es kam ja doch alles ganz anders: Wenn wir den ganzen Tag im Regen gegangen waren, trotz Funktionsklamotten nass bis auf die Haut, und abends nicht wussten, wie wir zumindest Schuhe und Socken wieder trocken bekommen würden, dann hatte ein mitfühlender Mensch mitten im Sommer die Fußbodenheizung des Gemeindehauses, in dem wir Herberge fanden, für uns angestellt.

Wenn wir in der nächsten Herberge nicht kochen konnten und die Vorstellung von trockenem Hasenbrot als Nachtmahl den Magen noch verdrießlicher knurren ließ, dann hatte jemand am Abend liebevoll den Tisch für uns gedeckt und uns einen großen Topf Suppe hingestellt.

Jesus sagt: Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung und der Leib mehr als Kleidung?

Um Essen und Kleidung brauchten wir uns auf der Wanderung also keine großen Sorgen machen. Was war dann dieses „Mehr“ als Nahrung und Kleidung? Was brauchten wir sonst zum Leben?

Ein solches „Mehr“ an Leben fand ich, als wir ins Gebirge hinaufstiegen. Uns öffnete sich eine weite, einsame und ziemlich urtümliche Gegend und man konnte das Gefühl bekommen, als habe noch kein Mensch vor uns je einen Fuß hierher gesetzt.

Und wenn ich den Blick schweifen ließ, dann konnte ich auf eine  atemberaubend schöne Landschaft schauen, wie kein noch so geschickter Landschaftsarchitekt sie jemals würde gestalten können.

Eine solch grandiose Landschaft konnte nur den einen Schöpfer haben und der Anblick dieser unberührten Natur ließ manches Mal sogar den knurrenden Magen vor Ehrfurcht verstummen. Lebensnotwendige Nahrung für die hungrige Seele.

Jesus sagt: Seht die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch.

An manchen Tagen empfand ich unsere Gruppe wie eine Schar dieser Vögel: wir hatten nicht gesät und nicht geerntet und bekamen doch so viel geschenkt. Ganz allmählich konnten wir schließlich entspannt und vertrauensvoll jeden Morgen aufs neuen den Tag beginnen und die Sorgen erst einmal Sorgen sein lassen. Irgendwie vertrauten wir darauf, dass er es schon richten würde, denn „euer himmlischer Vater weiß, dass ihr all dessen bedürft“.

 

 

Nun kann man einwenden, dass dies eine ganz besondere Erfahrung in einer ganz speziellen Situation war, die mit unserem normalen Alltag nicht viel zu tun hat.

Da ist sicherlich etwas dran und ich glaube auch nicht, dass der Bibeltext uns sagen will, dass wir die Hände in den Schoß legen und gar nicht mehr säen und ernten sollen, dass wir uns um gar nichts mehr Sorgen machen sollen.  So leichtfertig hat Jesus das bestimmt nicht gemeint, auch wenn er zum Schluss seiner Rede über das Sorgen, etwas provokant für unsere heutigen Ohren vielleicht, sagt:

Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat.    

 

Ich soll mich nur um den heutigen Tag kümmern, nicht um morgen? Wie soll das gehen? Ich muss mich doch auch darum kümmern, was ich morgen essen und anziehen soll. Andererseits, wenn ich das Vaterunser bete, sage ich „unser täglich Brot gib uns heute“. Ich bitte für heute, nicht für morgen. Und morgen bitte ich erneut „unser täglich Brot gib uns heute“.

Dieses Gebet hat Jesus seinen Jüngern, hat er uns gelehrt und ich denke, er hat es auch gelebt. Vor allem in Bezug auf die Sorgen für den morgigen Tag. Denn er zog mit seinen Jüngern durch Galiläa, ohne Beruf, der ihm Geld einbrachte, ohne Lebensversicherung, ohne zu wissen, was er am anderen Tag essen oder anziehen sollte und ob er in der nächsten Nacht warm und trocken schlafen könnte.

Sorgen, so scheint mir, plagen mich also erst richtig, wenn ich mein Denken auf das Morgen richte. Anders als das klare Heute, ist das Morgen nebulös und ungewiss, ich kann nur ahnen, was sein könnte, ich weiß aber noch nicht, was sein wird. Und wenn ich mich einen Moment zu lange mit dem beschäftige, was sein könnte, morgen und übermorgen, dann scheint die Stunde der Sorge gekommen: sie ergreift von mir Besitz, beherrscht  meine Gedanken und vermiest mir das Heute.

Wenn ich einmal meine Sorgen betrachte, die mich täglich so beschäftigen, muss ich doch feststellen, dass ich, und einige andere vielleicht auch, meist auf einem recht hohen Niveau jammern. Wir verbringen viel Zeit unseres Lebens damit, uns zu sorgen, uns Gedanken zu machen über das „was wär wenn“.

Wir möchten gern in allen möglichen Situationen unseres Lebens alle Eventualitäten bedenken und uns in alle Richtungen absichern. Wir sind emsig damit beschäftigt, unsere Vorratskammern und Kühlschränke mit Nahrungsmitteln zu füllen.

Wir tragen unser Geld auf die Bank und legen es möglichst gewinnbringend an für schlechte Tage. Wir schließen gegen alles Mögliche und manchmal auch unmögliches Versicherungen ab. Wir machen uns für alles im Leben zusätzlich zu Plan A mindestens noch einen Plan B und C, damit morgen nur ja nichts schief geht.

Der morgige Tag, so sagt der Theologe und Philosoph Sören Kirkegaard, der morgige Tag, das ist der Enterhaken, mit dem die unübersehbare Menge der Sorgen Fuß fasst auf dem Schiff des Einzelnen. Der morgige Tag ist das erste Glied in der Kette, mit der ein Mensch mit Tausenden zusammengeschmiedet wird. Wer sich zur Sorge um den morgigen Tag verurteilt, der verurteilt sich selbst auf lebenslänglich.

Lebenslänglich nichts als Sorgen, welch eine grauselige Vorstellung.  Irgendwie muss man das doch durchbrechen können.

Auf der Pilgerwanderung, so empfinde ich es im Nachhinein, gab es so einen Durchbruch. Auf der Wanderung gab es immer nur Plan A, und ich hatte oft das Gefühl, es war nicht unser Plan, sondern der eines andern. Es war Gottes Plan, nach dem unser Pilgerleben ablief:

wenn es regnete, wurden wir nass und wir wurden auch wieder trocken, wenn sich plötzlich ein steiler Abhang auftat, mussten wir ihn hinunter steigen und kamen heil unten an, wir hatten genug zu essen, die Nächte waren ruhig und erholsam. Plan B war in der Tat überflüssig.

 

Wieder zu Hause in meinem Alltag ist mir bewusst geworden, dass ich außer den schönen Erinnerungen an eine unvergleichliche Zeit, noch ein Geschenk aus Norwegen mitgebracht habe:

es gibt da in mir eine neue Gelassenheit, mich öfter mal Gottes Plan anzuvertrauen, mich dem hier und jetzt hinzugeben und ihm die eine oder andere Sorge für das morgen zu überlassen.

Das gelingt noch nicht immer so gut, wie ich es gerne möchte, aber wenn ich es tue, dann, so stelle ich fest, habe ich plötzlich mehr Zeit:

Zeit, seine grandiose Schöpfung wieder wahrzunehmen und mir davon Herz und Seele öffnen zu lassen,

Zeit, alte Beziehungen zu pflegen und neue knüpfen,

Zeit, zu mir selber zu finden und über Wichtigkeiten und Nichtigkeiten in meinem Leben nachzudenken,

Zeit, wieder mit Gott in Kontakt zu kommen, mich von seiner Liebe und Fürsorge berühren zu lassen und neugierig auf den Weg zu schauen, den er für mich vorgesehen hat,

und schließlich auch Zeit, um die ich am Ende meiner Tage Ihn nicht anbetteln muss, weil ich glaube, in meinem Leben etwas versäumt zu haben. 

Abschließend möchte ich Ihnen noch eine klitzekleine Reise zumuten, eine Traumreise: stellen Sie sich einmal vor, ihre Bank stellt Ihnen jeden Morgen 86.400 € auf Ihrem Bankkonto zur Verfügung. Es ist alles für Sie, Sie können es mit vollen Händen ausgeben.

Es gibt dabei nur zwei Punkte zu beachten: Alles, was Sie im Laufe des Tages nicht ausgegeben haben, wird Ihnen abends wieder weggenommen. Das Konto wird unwiderruflich geschlossen. Aber am nächsten Tag, wenn Sie aufwachen, steht Ihnen wieder ein neues Konto mit neuen 86.400 € zur Verfügung.

Der zweite Punkt ist, dass die Bank das Konto jederzeit ohne Vorwarnung wieder schließen kann. Dann ist das Spiel für immer vorbei, kein neues Konto öffnet sich mehr.

Schöner Traum, denken Sie jetzt bestimmt, das gibt es doch gar nicht. Stimmt, ich habe auch noch keine Bank gefunden, die mir jeden Morgen 86.400 € zur Verfügung stellen würde.

Und dennoch gibt es in meinem und auch in Ihrem Leben ein Konto, das sich jeden morgen beim Aufwachen um genau diese Summe füllt: es ist unser Zeitkonto, das jeden Tag neu mit 86.400 Sekunden Lebenszeit gefüllt wird, die wir zu unserer freien Verfügung haben.

Leider gelten für dieses Zeitkonto die gleichen Regeln wie für das eben beschriebene Bankkonto: wir können keine einzige Sekunde horten und auch hier kann der Banker unverhofft das Konto für immer schließen.

Das scheint ziemlich bitter. Aber was hindert mich daran, jeden Morgen meine 86.400 Sekunden vom Konto abzuheben und sie bis zur letzten auszukosten.

 

Amen 

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