Miserikordias - Gottesdienst in der Europawoche - Apostelgeschichte 16, 9-15

04.05.2014 | 12:00

Gnade sei mit euch und Friede, von dem der da ist und der da war und der da kommt. Amen.

Ob sie sich wohl auch still gesehnt haben, diese „Europäer“, nach dem Christentum und seinen Missionaren? So, wie es der letzte Papst den Ureinwohnern Brasileins unterstellt hat, als er im Mai 2007 behauptete, die katholische Kirche habe die Indianer in Lateinamerika erlöst, und die Stämme hätten die Ankunft der Priester im Zuge der spanischen Eroberung still herbeigesehnt.

Liebe Gemeinde , träumte der Völkermissionar Paulus einen gleichsam päpstlichen Traum, als er den Mann aus Mazedonien vor sich sah und ihn hörte: Komm herüber nach Mazedonien und hilf uns!

Und konnten Paulus und seine Nachfolger sich darauf verlassen, dass dieses stille Sehnen und dieser Hilferuf fortan so lange anhalten sollten, bis auch die Goten und Angeln und Franken und Iren Erlösung gefunden hatten im christlichen Glauben – teils mit durchaus unchristlichen Methoden? Ja, weiter noch, bis man von einem christlichen Abendland sprechen sollte und bis dann dieses Abendland seines Glaubens müde wurde und seinen Werten nicht mehr traute. Europa heute wirkt sich tagespolitisch auf unser Leben aus, aber wohl kaum spirituell, europäische Gemeinschaft ist eine im Streit und nicht im Glauben – und sie ist eine Gemeinheit denen gegenüber, die als Flüchtlinge an ihren Grenzen abgefangen, zurückgestoßen oder inhaftiert werden. Würde Paulus heute vom nordwestlichen Anatolien aus übersetzen nach Griechenland, so würde er die Fahrt als eine über ein Meeresmassengrab erleben können – mit zigtausenden von ertrunkenen Flüchtlingen. Und er würde landen in einem Land, in dessen Stadt Thessaloniki eine deutsche Gemeinde ist, die nicht mehr weiß, wie sie den Menschen auf der Straße helfen soll. Letzten Dienstag erzählte mir ein Gemeindeglied, er wisse von Diabetikern, die ihr Insulin nicht mehr bezahlen könnten. Ich stelle mir das für mich vor: wenn die Krankenkassen nicht mehr funktionieren, wenn ich keinen fände, der mir Insulin besorgt, dann wäre mehr als meine Gesundheit in Gefahr.

Der Name „Europa“, so habe ich gelernt, lässt sich als Kompositum aus den altgriechischen Worten εὐρύς – weit und ὄψ – Sicht verstehen: die weite Sicht. Eine weite Sicht, so denke ich weiter, über die Grenzen des je Eigenen hinaus, eine weite Sicht, die zukünftige Generationen im Blick hat, eine weite Sicht, die die Umwelt oder Schöpfung mit den Augen dessen sehen lernt, der alles sehr gut gemacht hat.

Hier nun kommt für mich jene Frau ins Spiel, die nach unserem Predigttext die erste Christin Europas wird: Lydia.

Wir kommen von Ostern her und sahen in den österlichen Texten, dass es Frauen waren, die zuerst die Botschaft von der Auferweckung Jesu hörten. Und jetzt ist es eine Frau, die sich als erste auf europäischem Boden taufen lässt. Neuanfänge, so scheint es, sind für den christlichen Glauben mit Frauen gegeben. Und das scheint von Anfang an für die Männer des christlichen Glaubens ein Problem gewesen zu sein: Frauen waren im Zwölferkreis der Evangelisten nicht vorgesehen und Lydia kommt in den Briefen des Paulus, nicht einmal in dem an die Gemeinde von Philippi, wo er sie doch getauft hat, namentlich nicht vor.

Doch in Philippi angekommen, sucht Paulus, der so sehr von den jüdischen Autoritäten angegriffen und verfolgt wurde, den jüdischen Gottesdienst auf. Es gab wohl keine Synagoge in Philippi, und so wurden Gottesdienste wegen der notwendigen rituellen Waschungen am Fluss abgehalten.

Paulus geht zum Gottesdienst, die Erfahrungen, die er mit seiner „Kirche“ gemacht hat, hindern ihn nicht, zu seiner „Kirche“ zu stehen. Er sieht manches anders, aber doch hat die jüdische Gemeinschaft das Wort Gottes empfangen, und das macht sie wertvoll.

Viele treten heute aus der Kirche aus, weil sie schlechte Erfahrungen mit ihren Vertretern – und Vertreterinnen - gemacht haben, und weil sie meinen, ihren Glauben könnten sie allein leben.

Paulus sieht demgegenüber im Wort Gottes eine Kraft, die Gemeinschaft schafft, weil der Glaube, der jüdische und der christliche jedenfalls, Gemeinschaft braucht und will – trotz aller schlechten Erfahrungen immer wieder will und braucht.

So sitzt er zusammen am Fluss mit den Frauen. Er ist kein großer Redner und er ist angeschlagen durch seine Krankheit, die er nicht mehr loswird. Hier lerne ich, was Mission ist: Paulus erzählt, was ihm wichtig ist und lieb. Und Mission heißt, hier leihe ich mir von Fulbert Steffensky sein Missionsverständnis aus, „Mission heißt, zeigen, was man liebt. Was man liebt, das zeigt man, und man hält es nicht in einem geheimen Winkel“ (F. Steffensky, Schwarzbrot-Spiritualität, 43) …  „Es ist die gewaltlose, ressentimentlose und absichtslose Werbung für die Schönheit eines Lebenskonzepts. Diese Werbung ist ressentimentlos, indem wir ohne Bekümmerung akzeptieren, dass Menschen andere Lebenswege einschlagen als die des Christentums. … Diese Werbung ist absichtslos. Sie geschieht nicht mit der Absicht, jemanden zur eigenen Glaubensweise zu bekehren, wohl aber mit der Absicht, dass auch der Fremde schön finde, was wir lieben und woran wir glauben“ (Ders., 69).

Und das tut Lydia, denn sie hört mit offenem Herzen. Sie lässt sich taufen, und erst jetzt bekommt sie einen Namen. Denn „Lydia“ war vordem eine Herkunftsbezeichnung: „die aus Lydien“, der heutigen östlichen Türkei. Eine Frau, der von der damaligen Gesellschaft kein Recht auf einen individuellen Namen zugestanden wurde, und dieses Schicksal teilte sie mit Sklaven, Prostituierten und anderen nicht gesellschaftsfähigen Menschen.

Ihre Herkunftsstadt Thyatira war von der Textilindustrie geprägt. Und wenn die ganze sozialgeschichtliche Forschung Recht hat, dann wurde dort, wie in ganz Kleinasien, die Schafswolle nicht mit dem teuren Seeschneckenpurpur gefärbt, sondern mit billiger Pflanzenfarbe. Es wurden  also nur Purpurimitate gehandelt. Lydia, die namenslose, war sicher nicht reich, sondern sie hatte mit Pflanzenfarbe und mit nasser Schafswolle zu tun. Die Arbeitsbedingungen für sie als ausländische Frau in einer Militärstadt wie Philippi waren sicher nicht leicht. Im heutigen Europa wäre sie eine mehr oder minder unerwünschte Arbeitskraft mit Migrationshintergrund.

Sie bekommt Gottes Segen und ihre Herkunftsbezeichnung wird ein christlicher Name, der für eine eigene, unverwechselbare und wertvolle Person steht. Was Paulus liebt, gibt ihr ihren Wert, ihre Würde und Wichtigkeit.

Lydia nimmt den Taufsegen an und sie nimmt ihn ernst. Sie sieht sich als Dienerin Christi, wie Paulus sich als Diener Christi versteht: bevollmächtigt, das Wort Gottes weiterzugeben und Menschen eine Hilfe zu sein.

Und wo es um  das Weitergeben von Segen geht, kann auf angestammte Autoritäten keine Rücksicht genommen werden.

Damals war es die Autorität des Mannes gegenüber der Frau, die Autorität des Thoragelehrten Paulus gegenüber der Anfängerin Lydia, die Autorität eines römischen Staatsbürgers gegenüber einer Ausländerin. Sie als Gastgeberin anzuerkennen und ihr Haus zu betreten, ja mehr noch: sie als Vorsteherin einer neuen Hausgemeinde anzuerkennen, würde Unterstes zuoberst kehren.

Und wenn sie Paulus in ihr Haus nötigt, dann ist sie nicht nur höflich, sondern konsequent: „Erkennt an, dass ich an Gott glaube, und Segen weitergeben kann, dass ich nichts anderes bin als ihr, als du Paulus, auch: Hörerin und Täterin des Wortes“.

Wir haben als Christen einen Dienst in Europa und an Europa. Wir haben zu missionieren, haben gewaltlos und ressentimentlos und absichtslos zu zeigen und davon zu erzählen, was wir lieben, als Christen lieben. Wenn wir Gott denn etwas zutrauen, so wird das reichen. Unser europäisches Haus wird sich öffnen und wir genießen weite Sicht. Das ist noch keine europäische Politik, aber es ist christliche Haltung in und für Europa. Amen.

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