Predigt am 1. Weihnachtsfeiertag: 1 Joh 3,1-6

25.12.2017 | 11:28

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und unserem Herrn und Bruder Jesus Christus! Amen.

Liebe Gemeinde!

Sinnenfreudige Tage erleben wir. Vor allem das Auge hat viel zu sehen an Weihnachten. Weihnachtsschmuck, Kerzen, seit Anfang Oktober erst, schön gedeckte Tische, schöne Kleider, viel Grün, viel Rot, mit Schleifen verzierte Geschenke, Engel, Ochsen, Esel, Kinderaugen, frohe, gehetzte traurige, erwartungsvolle Gesichter. Und Licht, viel Licht – bis hin zur weihnachtlichen Lichtverschmutzung.

Das innere Auge sieht Bilder der Erinnerung, sieht Menschen, die nicht oder nicht mehr da sind, aber einmal mit unterm Tannenbaum standen.

In stillen fünf Minuten und zur Ruhe gekommen, sucht das Auge Weihnachtsbilder durch - die jetzigen und die alten. Und was es dann sieht, kann froh und dankbar machen, aber auch sehr nachdenklich und traurig. Weihnachten - das Fest der großen Gefühle, das Fest der Liebe.

Wenn es das wirklich ist, dann stellt sich die Frage: wo sieht denn das von weihnachtlichen Reizen vielleicht schon überflutete Auge diese Liebe? Beschenkte Menschen können es sich leicht machen und sagen: ich sehe sie in meiner Frau, meinem Mann, meinen Kindern, und in den Menschen eben, die mir lieb sind. Nicht umsonst ist Weihnachten zu einem Familienfest geworden.

Doch die Identifikation von Weihnachten mit einem Familienfest und die Identifikation von Liebe mit einem geliebten Menschen schließt zu viele aus. All die, die keinen Menschen haben, all die, die ihre Familie an diesen Tagen eher meiden möchten. Weihnachten darf nicht allein das Fest der Glücklichen und von Harmonie beschenkten sein, sonst würde es zu einem Klischee wie in der Werbung, wo selbst eine Tasse Kaffee Harmonie ausstrahlt. Die Frage bleibt: „Wo sieht das Auge die Liebe, die an diesem Fest der Liebe allen gilt?“

Der Predigttext aus dem 1. Johannesbrief nimmt diese Frage auf:

Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, daß wir Gottes Kinder heißen sollen - und sind es auch! Meine Lieben, wir sind schon Gottes Kinder; es ist aber noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden. Wir wissen aber: wenn es offenbar wird, werden wir ihm gleich sein; denn wir werden ihn sehen, wie er ist.

Als Familie werden wir angesprochen, als Geschwister eines Vaters, Gott. „Gottes Kinder“ heißen wir - ist das ein Name, der gefällt? Und wenn man bedenkt, dass der Name im biblischen Denken mehr ist als Schall und Rauch, sondern Identität stiftet und Wesentliches benennt - fühlen wir uns dann gemeint, fühlen, denken und handeln wir als Kinder Gottes?

Das Bild des Kindes ist ja mehrschichtig und daher nicht eindeutig positiv. Sicher, Kinder sind freier, kennen weniger Sachzwänge, zeigen größeres Vertrauen, sind spielerischer, spontaner. Aber sie sind auch angewiesen auf ihre Eltern, in vielen Dingen abhängig. Viele unserer Kinder sind vereinsamt, verschüchtert und verbogen, und viele sind froh, endlich sagen zu können: „Endlich erwachsen, endlich kein Kind mehr“.

Ähnlich mehrschichtig das Vaterbild. Neben dem Vater als Beschützer, als Spielkamerad oder Lehrer in den Dingen des Lebens, als Vorbild oder vielleicht sogar als Freund, steht der Vater als fremder oder gar bedrohlicher Mann. Es gibt Kinder, die, wenn sie mit ihren Puppen Familie spielen, die Vaterpuppe erst abends hervorholen und dann noch eine Runde Abendbrot spielen oder Gute-Nacht-Sagen. So wie übrigens die Figur des Joseph einmal im Jahr zu Weihnachten vom Boden geholt und an die Krippe zu seiner Familie gestellt wird. Und vielleicht ist es ja auch so, dass Gott, der Vater, auch erst hervorgeholt wird am Abend, wenn alles gelaufen ist, manchmal sogar das Leben ...

„Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, daß wir Gottes Kinder heißen sollen - und sind es auch!“

Die Vaterschaft Gottes und unsere Gotteskindschaft stehen unter dem Vorzeichen der Liebe.

Und auch, wenn Liebe erfahrbar ist, und auch, wenn meine konkreten Erfahrungen von Liebe ahnen lassen, was das Bild von Gott dem Vater und seinen Kindern meint, so bleibt das Wort von der Liebe Gottes unverbindlich und floskelhaft, weil ich nicht weiß, wann und wie ich diese Liebe konkret in meinem Leben erfahre oder gar einklagen darf. „Liebe“ dieses große und inflationär gebrauchte Wort, muß herunterdekliniert werden in mein kleines und manchmal so liebloses Leben. Und das tut dieses Fest: zu Weihnachten ist die Liebe Gottes in einem Kind zur Welt gekommen. Und das heißt doch auch: vorsichtig und behutsam damit umgehen, auch aufmerksam und wachsam, sich überraschen lassen von dem, was wird aus dieser Liebe, dem Lebendigen auf der Spur bleiben.

Max Frisch schreibt im „Tagebuch 1946 - 49“:

Es ist bemerkenswert, dass wir gerade von dem Menschen, den wir lieben, am mindesten aussagen können, wie er sei. Wir lieben ihn einfach. Eben darin besteht ja die Liebe, dass sie uns in der Schwebe des Lebendigen hält, in der Bereitschaft, einem Menschen zu folgen in allen seinen möglichen Entfaltungen. Wir wissen, dass jeder Mensch, wenn man ihn liebt, sich wie verwandelt fühlt, wie entfaltet, und dass auch dem Liebenden sich alles entfaltet, das Nächste, das lange Bekannte.

Der Predigttext beschreibt die Schwebe des Lebendigen, in der die Liebe einen hält, knapper:

Meine Lieben, wir sind schon Gottes Kinder; es ist aber noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden.“

Gottes Kinder also, weil noch so vieles aussteht, weil eben nicht alles ausgemacht ist und vorgezeichnet. Gottes Kinder, weil die Liebe Möglichkeiten schenkt, von denen wir noch gar nichts wissen. Gottes Kinder, weil mehr Liebe und Phantasie und Spielerisches möglich ist, als wir ahnen - egal in welchem Alter. Deshalb Gott als Vater - weil er solche Liebe bereit hält und gibt.

Und ein jeder, der solche Hoffnung auf ihn hat, der reinigt sich...“ - von Resignation, von Starrheit und kann empfangene Liebe weitergeben, weil er oder sie auf die Zukunft der Liebe hofft.

Wer Sünde tut, der tut auch Unrecht, und die Sünde ist das Unrecht. Und ihr wisst, dass er erschienen ist, damit er die Sünden wegnehme, und in ihm ist keine Sünde. Wer in ihm bleibt, der sündigt nicht; wer sündigt, der hat ihn nicht gesehen und nicht erkannt.“

Sünde aber ist als eine Entfremdung zu verstehen. Wenn Gott mir fremd geworden ist, die Menschen um mich herum und ich mir selbst, dann nennt die Bibel das Sünde. Und dann fällt diese Entfremdung schnell zusammen mit einem Unrecht, das ich anderen oder mir antue - und damit auch Gott. Dann sehe ich falsch oder gar nicht.

Ein Rabbi wurde einmal gefragt, wie man die Stunde bestimmt, in der die Nacht endet und der Tag beginnt. Ein Schüler fragte: „Ist es, wenn man von weitem einen Hund von einem Schaf unterscheiden kann?“ „Nein“, sagte der Rabbi. Ein anderer fragte: „Ist es, wenn man von weitem einen Dattelbaum von einem Feigenbaum unterscheiden kann?“ „Nein“, sagte der Rabbi. „Aber wann ist es dann?“ Der Rabbi erwiderte: „Wenn du ins Gesicht irgendeines Menschen blicken kannst und deine Schwester oder deinen Bruder siehst. Bis dahin ist die Nacht noch bei uns“.

„Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen - und sind es auch! Meine Lieben, wir sind schon Gottes Kinder; es ist aber noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden.“

Da gibt es ein neues Sehen und einen neuen Blick auf die Welt seit der Geburt Jesu. Einen Blick der Liebe, die uns in der Schwebe des Lebendigen erhält und sich Gott und die Menschen entfalten lässt als Vater und als Gottes Kinder.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als all unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus! Amen.

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