Römer 12, 17-21

15.06.2008 | 23:42

Th. Warnke

Liebe Gemeinde,
der Predigttext für den heutigen Sonntag steht wie abgedruckt im 12. Kapitel des Briefes an die Gemeinde in Rom.
Da schreibt der Apostel Paulus:
Vergeltet niemandem Böses mit Bösem.
Ist's möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden. Rächt euch nicht selbst, meine Lieben, sondern gebt Raum dem Zorn Gottes; denn es steht geschrieben (5.Mose 32,35): »Die Rache ist mein; ich will vergelten, spricht der Herr.« Vielmehr, »wenn deinen Feind hungert, gib ihm zu essen; dürstet ihn, gib ihm zu trinken. Wenn du das tust, so wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln« (Sprüche 25,21-22). Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.

 

Paulus ist im Römerbrief an dem Teil angelangt, in dem er der Gemeinde Ermahnungen, aber auch klare Handlungsanweisungen mit auf dem Weg gibt. Das hat er immer gegen Ende seiner Briefe so getan.
Dabei ist das, was wir gerade gehört haben, nicht eben die leichteste Kost.
Das Böse…  wird erwähnt.
Vom Zorn Gottes ist die Rede…   Und Worte wie Rache…   und Feind… klingen nicht gerade weichgespült.
Wenn man sich einlässt auf einen Dialog mit Paulus, mit diesem kleinen Text, dann hört man noch etwas anders mitschwingen in diesen Worten: Eine leise, aber deutliche Sehnsucht nach Gerechtigkeit - eine Sehnsucht, die sich hinter so viel ungerechten, bösen Erfahrungen verbirgt: Erfahrungen wie Ohnmacht… Hilflosigkeit… Gewalt…

Und eben auch die andere Seite davon: den Zorn und die Wut, vielleicht auch der Wunsch nach Rache und Vergeltung.
Das sind menschliche Erfahrungen. Und in unterschiedlicher Dichte und Intensität kennt jeder und jede solche Gefühle.

Hier könnte ein Dialog in uns beginnen, der uns ganz dicht mit uns selbst in Kontakt bringt.
Paulus hat sich diesen Fragen gestellt! Doch er bleibt nicht bei sich, er holt Gott mit dazu.

Paulus selbst hat viel Ohnmacht, Gewalt und Hilflosigkeit erlebt: oft wurde er verfolgt, verhaftet, verleugnet und verhöhnt, gefoltert und einmal sogar gesteinigt.
Immer, wenn seine Meinung, sein Glaube, seine neuen Gedanken so verstörend anders waren, und Menschen sich provoziert fühlten und ihre Denkgewohnheiten verletzt wurden, bekam er es schnell mit den örtlichen Behörden zu tun.
Denn er hatte nicht nur reale Menschen, sondern auch den Rechtsapparat des gesamten Römischen Imperiums gegen sich. Paulus kannte die Gesichter des Bösen, und er bekam die bösen Auswucherungen des römischen Reiches manches Mal zu spüren. Mehr als einmal ist er nur knapp dem Tod entflohen.
Und mit all dem, was sein Leben geprägt hat, schreibt Paulus an die Gemeinde in Rom, an die, die am dichtesten dran waren an der Macht: Rächt euch nicht selbst, meine Lieben,
rächt euch nicht selbst für all die Ungerechtigkeiten, die ihr erlitten habt, - mag man mitdenken - sondern gebt Raum dem Zorn Gottes…

Hier öffnet Paulus eine Tür nach innen, vielleicht das Eingangstor zu jenem inneren Dialog - aber er bewahrt Abstand, er bleibt an der Schwelle stehen und schaut: Gott wird es vergelten, Gott wird das Gleichgewicht wieder herstellen und für Ausgleich, für Gerechtigkeit sorgen… Paulus glaubte in seiner Zeit sehr real an das nahe Ende der Welt und an ein Endgericht Gottes. Er glaubte, dass die Peiniger und all jene, die Zorn und Rachegedanken auf sich zogen, sehr bald schon ihre gerechte Strafe empfangen würden…
Mir ist der Gedanke an so ein Endgericht fern - … Aber dieser Gedanke macht etwas möglich: Man selbst kann den Kreislauf von Gewalt und Gegengewalt durchbrechen. Man kann aussteigen und „Nein“ sagen: Mein ist die Rache sagt Gott, nicht dein!

Noch etwas anders wird möglich, und diesen Weg ist Paulus weitergegangen. Wenn sich der eigene Zorn löst, wird man neu handlungsfähig. Und Paulus hat diesen Raum gefüllt mit dem alten biblischen, alttestamentlichen Satz der Nächstenliebe und der Feindesliebe.
An diesem Punkt haben sich Paulus und Jesus getroffen, ohne dass sie sich je kennengelernt hatten.

Kurz vor dem Abschnitt des heutigen Predigttext im Römerbrief schreibt Paulus: Segnet, die euch verfolgen, segnet und fluchet nicht. Genau diese Worte atmen den Geist jener neuen jüdischen Bewegung. Und wir haben es gehört:

habt mit allen Menschen Frieden…, wenn es möglich ist…
gib deinem Feind zu essen und zu trinken…
überwinde das Böse mit Gutem…

Das sind Aufforderungen zum barmherzigen Handeln. Da geht es um Mitgefühl, da geht es um den Blick aus der Perspektive des oder der Anderen.
Fast als ob die eigene Barmherzigkeit, das eigene barmherzige Tun, die Sehnsucht nach Recht und Gerechtigkeit am ehrlichsten und tiefsten stillt.
Schon der Gedanke hat etwas Versöhnliches…

Aber es ist ein Weg, auf dem man aufpassen muss, dass man nicht über die eigenen Ansprüche und Vorstellungen stolpert. Da braucht es die Gemeinschaft, denn mit anderen zusammen kann man sich immer wieder im Guten erinnern lassen, wohin wir eigentlich unterwegs sind…

Paulus war viel unterwegs gewesen – mit Kraft, mit Feuer und  mit Leidenschaft.
Es war sein Glaube, der ihn in die Welt zog und den er in die Welt trug, und der ihm Kraft gab. Der Glaube an jenen Mann aus Nazareth, mit dem er sich im Geiste so eng verbunden wusste.
Und es war der Glaube, dass eben jener Jesus der war, von dem die Propheten gesprochen hatten: der Christus, der Gesalbte, der Messias, der Retter und der Erlöser.
Das war seine Kraft, die ihn nicht allein sein ließ, wenn er alleine war, - das war sein Trost in der Traurigkeit. Sein Fürsprecher in der Not.
Das waren vor allem auch die Menschlichkeit in aller Unmenschlichkeit, Barmherzigkeit, Wärme und Zartheit in aller Härte. Das war das Gute, mit dem er das Böse überwinden konnte.   Amen

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