Römer 8, 14-17

05.09.2010 | 16:38

Klaus-Georg Poehls

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt. Amen.

Das Abendblatt schreibt gestern, am Donnerstag solle ein Buch erscheinen unter dem nicht gerade bescheidenen Titel „Der große Entwurf – Eine neue Erklärung des Universum“. Autor ist der bekannte Astrophysiker Stephen Hawking und der erkläre einen Schöpfergott für überflüssig. So wird wohl bald eine Debatte aufkochen, die mit neuen Erklärungen daher kommen will, aber in den Grundfragen uralt ist.

„Einen Gott, den es gibt, gibt es nicht“, hat Dietrich Bonhoeffer einmal gesagt. Was er damit deutlich machen wollte: Was gegeben ist, kann man sich auch nehmen, was es gibt, das ist innerhalb unserer Wirklichkeit klar umrissen, ist begrenzt von anderen Gegebenheiten, hat seinen Anfang und sein Ende, im räumlichen und im zeitlichen Sinn. Was es gibt, das kommt von dem her, das unterliegt auch dem, der oder das gegeben hat: Deshalb: „Einen Gott, den es gibt, gibt es nicht“.
 
Gott ist nie Objekt, sonst wäre er Götze, sonst wäre er in der Hand der Menschen, er wäre steuerbar, messbar, begreifbar.
Wenn wir aber davon ausgehen, dass Gott das höchste „Wesen“ ist, dass es neben und über ihm nichts gibt, was ihn einschränken könnte, denn was ihn einschränken könnte, hätte ja Macht über ihn, dann ist Gott „per definitionem das Unsichtbare, Unbegrenzbare: eine buchstäblich unsichtbare, unermessliche, unbegreifliche, unendliche Wirklichkeit“ (H. Küng, Credo, 21), die von der Vernunft her nicht zu beweisen ist, weder in ihrer Existenz noch in ihrer Nicht-Existenz. Und das vergessen die meisten Gottesleugner, dass auch die Nichtexistenz Gottes nicht bewiesen werden kann.

Wäre er beweisbar, dann „gäbe“ es ihn, dann wäre er an Raum und Zeit gebunden, und unsere Vernunft könnte ihn er-fassen. Denn nur was an Raum und Zeit gebunden ist, was es gibt, kann die Vernunft erfassen, weil sie selbst unter den Bedingungen von Raum und Zeit steht.  Wer beweisen will, dass es Gott gibt, der leugnet ihn schon in seiner Göttlichkeit. So wird sich auch Stephen Hawking nur innerhalb von Naturgesetzen bewegen können, von denen er nicht zurückschließen kann, dass sie einen Gesetzgeber haben oder keinen.

Aber:
Der Intellekt und Gott als Begriff und Idee erfassen noch lange nicht, was Gott für mich bedeutet. Denn immer kommt ein Gottes–Bild hinzu, das meine Phantasie, meine Emotion und mein Herz anspricht. Gott ist  nicht nur Weltenlenker, Schöpferkraft, sondern eben auch, so nennt Jesus ihn - „Abba“, ist mein lieber Vater, ist gerecht, sanftmütig, heilig, barmherzig.
Gott als Bezeichnung für ein höchstes Wesen und als denknotwendige Größe wird nun ergänzt  von Gott als Namen: hier wird er zu einer Größe in Beziehung, jetzt verweist der Name „Gott“ auf eine Geschichte, die in einer Botschaft erzählt wird – für uns die Geschichte Jesu und mit ihm die Geschichte Israels. Wir stehen in einer Glaubenskette, in einem Sinnzusammenhang.

Spreche ich den Namen meiner Frau oder meiner Kinder aus, dann rührt sich eben mehr, als wenn ich den Namen einer Tankstelle ausspreche, spreche ich den Namen Gott aus, wie ich ihn Jesus, dem Christus, verdanke, dann regen sich Vertrauen und Freude.

Was ist aber mit der Allmacht Gottes? Gemeinhin verstehe ich unter ihr Gottes Fähigkeit alles geschaffen und gewirkt zu haben, alles lenken und ändern zu können, für alles zuständig und verantwortlich zu sein. Mit zunehmender wissenschaftlicher Erkenntnis schränkte sich seine Allmacht zwar ein, denn nun erklärte und erklärt die Wissenschaft das vorher Wunderbare; aber wo immer ein Mensch mit Wissenschaft und Technik, mit Wirtschaft und Politik und mit seiner eigenen Kraft nicht weiterkommt, da wird der allmächtige Gott herbeizitiert.
Doch dieser Gott wird mehr und mehr überflüssig und unglaubhaft werden – je weiter die Wissenschaft sich entwickelt, je mehr die Psychologie den Menschen stärkt. In dieser Logik wird Stephen Hawking in der Tat Gott abschaffen können.
Auch ist mir der Gedanke an einen Gott unerträglich, der alles macht und lenkt, auch alles neu und anders machen könnte und dann doch nicht eingreift, sondern die Welt und ihre Menschen ihrem Schicksal überlässt.

Mit der Allmacht Gottes ist ursprünglich aber nicht all dies gemeint, sondern die sich aus seinem Gottsein ergebende Überlegenheit und Wirkmächtigkeit, der keine andere Macht entgegen steht und entgegenstehen kann, weil sie dann mächtiger wäre und Gottes Gottsein oder Allein-Gott-Sein in Frage stellen würde. Gott „kann nicht anders“ – er muss allmächtig sein.

Wie sehr diese Allmacht Gottes dann eine Rolle spielt für meinen Glauben, mein Vertrauen, meine Hoffnung, ist eine andere Frage. Nicht umsonst stellt auch das Glaubensbekenntnis die Allmacht Gottes hinter Gottes Vatersein. Und damit gewinnen andere Prädikate vorrangige Bedeutung: all-gütig oder (wie im Koran) all-erbarmend.
Gottes Allmacht ist die Voraussetzung für seine liebenden Eigenschaften. Nur insofern er in dieser Welt und doch nicht an ihre Grenzen gebunden ist, nur insofern die Welt in ihm und er in der Welt ist – und dazu braucht es eine Menge Macht – kann er auch mir ein Gegenüber werden, dem ich vertraue und von dem her ich Hilfe und Halt bekomme – im Leben und Sterben und selbst nach dem Tod. Meine Kleinheit und Winzigkeit und Unbedeutendheit können seine Allmacht, durch die er mir nahe kommt, auch nicht einschränken. Wir sollten sie von daher nicht überbewerten.
 
Allmacht und Größe Gottes sind Voraussetzung für Liebe und Nähe Gottes. Liebe und Nähe Gottes wiederum sind Voraussetzung für den persönlichen Glauben, für das Vertrauensverhältnis zu Gott.
Wenn ich das Zugewandsein Gottes nicht in Gott erkenne, dann verliert Gott seine Bedeutung für mich. Dann geht es mir, wie ich von Aborigines in Australien irgendwo las: sie glauben an ein höchstes allmächtiges Wesen, das aber mit der Welt nichts zu tun hat. Und deshalb beten sie es auch nicht an.

Im Umkehrschluss: nur wer vertrauensvoll beten kann, holt den allmächtigen Gott aus seiner Höhe. Jesus hat es vorgebetet mit dem Vaterunser. „Abba, lieber Vater“ - das ist der Geist, in dem wir beten können, ein „kindlicher Geist, wie Paulus im Römerbrief ihn nennt – nicht weil er unreif oder naiv ist, sondern weil er uns uns selbst als geliebte Kinder eines guten Gottes verstehen lehrt.

In diesem Geist finden die Größe Gottes, seine Allmacht und seine Kleinheit für jedes einzelnen Menschenkind zusammen: Gott ist immer mehr als eine Person, als ein persönliches Gegenüber. Er sprengt den Begriff des Persönlichen, aber er sprengt eben auch den Begriff des Unpersönlichen, ist eben auch nicht weniger als Person. Die Größe und Allmacht Gottes nehme ich erst richtig ernst, wenn ich ihm seine nächste Nähe, sein Kleinsein für mich, sein liebevoll geflüstertes Wort an mich auch und vorrangig glaube.

Paulus schreibt: „Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder. Denn ihr habt nicht einen knechtischen Geist empfangen, dass ihr euch abermals fürchten müsstet; sondern ihr habt einen kindlichen Geist empfangen, durch den wir rufen: Abba, lieber Vater! Der Geist selbst gibt Zeugnis unserm Geist, dass wir Gottes Kinder sind. Sind wir aber Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi, wenn wir denn mit ihm leiden, damit wir auch mit zur Herrlichkeit erhoben werden.“

Der Ort, an dem sich Gottes Geist unserem Geist mitteilt, ist das Gebet.
Es muss nicht das Vaterunser, aber es muss wohl Gott als Vater sein, als lieber Vater, zu dem ich bete, an den ich mich wende, dem ich mich zumute, un-verschämt. Er wird mich nicht beschämen, und alles, was vor ihn kommt als mein Gebet, nicht verwerfen - als lächerlich, zu klein oder zu groß, zu unangemessen.
Im Gebet geschieht Verwandlung: Bonhoeffer schrieb: „Gott erfüllt nicht alle unsere Wünsche, aber all seine Verheißungen.“ Alles Bitten und Flehen, alles Handeln mit Gott, jede Klage und jede Anklage gegen Gott hat Platz und ein eigenes Recht vor ihm. Doch im Beten selbst wandeln sie sich und finden Zugang zum Willen Gottes. Ich kann sie hinter mir lassen, kann das Kreisen um mich selbst durchbrechen. Gottes Geist teilt sich meinem Geist mit, auch im Seufzen, schließlich auch wortlos. Die Hoffnung bekommt Flügel, mein Bitten bekommt seine Richtung: „Dein Wille geschehe.“
Und das ist nicht die Identifizierung von dem, was geschehen ist und geschieht, mit dem Willen Gottes, sondern das ist die Ausrichtung meines Denkens, Fühlens und Handelns auf Gottes Willen für seine Menschen und seine Schöpfung hin.
So stellt mich das Gebet neu in diese Welt hinein, mit neuem Bewusstsein, mit neuer Hoffnung. Es ist erhört, der knechtische Geist hat sich zurückgezogen, die wunderbare Freiheit der Kinder Gottes lässt aufatmen und anpacken.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als all unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

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