Römer 8

21.09.2008 | 23:39

Th. Warnke

Gnade und Friede von dem, der da ist, der da war und der da kommt, sei mit Euch allen.
Amen

Es war Johann Sebastian Bach, der zwei Texte, Verse aus dem 8.Kapitel des Römerbriefes und den Choral „Jesu, meine Freude“ in Zusammenhang gebracht hat. In seiner umfangreichsten Motette, der fünfstimmigen Motette „Jesu meine Freude“ hat er das vor 282 Jahren getan. Es war ein Auftragswerk für das Begräbnis der Gattin des Leipziger Oberpostmeister Kees.
In der Motette sind die einzelnen Verse des Chorals einzelnen Textabschnitten des Römerbrieftextes fast antithetisch gegenübergestellt.
Wir hören die Motette unterbrochen von Auslegungen zu den Passagen des Römerbriefes.


Chor
Jesu meine Freude, meines Herzens Weide, Jesu meine Zier. Ach wie lang, ach lange ist dem Herzen bange und verlangt nach dir. Gottes Lamm, mein Bräutigam, außer dir soll mir auf Erden nichts sonst Liebers werden.


Es ist nun nichts Verdammliches an denen,
die in Christo Jesu sind,
die nicht nach dem Fleische wandeln,
sondern nach dem Geist.


Es ist eine knappe Feststellung, fast schon eine Überschrift, dieser erste Vers aus dem 8.Kapitel des Römerbriefes: Wer zu Christus gehört, steht nicht mehr unter dem Verdammungsurteil des Gesetzes.
Paulus fasst das in den vorherigen 7 Kapiteln Gesagte am Anfang des 8.Kapitels nochmals zusammen. Das macht den Text nicht gerade verständlicher. 3 Kapitel vorher beschreibt Paulus die Überlegenheit des durch Jesus Christus vermittelten Heils über die von Adam ausgehenden Unheilswirkungen: die Überlegenheit der Gnade über die Sünde, die Überlegenheit der Rechtfertigung über die Verurteilung, die Überlegenheit des Lebens über den Tod. Er setzt dabei voraus, dass ein Verdammungsurteil aufgrund der Übertretung Adams über alle Menschen kommt. Wie der Mensch sich auch anstrengt, er schafft es nicht, sich daraus zu befreien, er ist nicht aus sich selbst heraus fähig „nach dem Gesetz“ zu leben.
Martin Luther schlug bei der Frage, wie er aus diesem Kreislauf herauskommt, in seinem Turmzimmer seinen Kopf voller Verzweiflung gegen die Wand. Wie er es auch anstellte, er blieb der Sünder, der der es nicht schaffte, so zu leben, wie Gott es gewollt hatte. Luther entdeckte dann den Zuspruch, der hier zusammenfassend formuliert ist: Als Christ, in Christus erreicht ihn die Gnade Gottes, die ihn aus der Verdammnis heraus hin zur Gerechtigkeit führt, ohne sein Zutun, allein aus dem Glauben.


Chor:
Unter deinem Schirmen bin ich vor den Stürmen aller Feinde frei. Lass den Satan wittern, lass den Feind erbittern, mir steht Jesus bei. Ob es itzt gleich kracht und blitzt, ob gleich Sünd und Hölle schrecken; Jesus will mich decken.


Denn das Gesetz des Geistes,
der da lebendig machet in Christo Jesu,
hat dich frei gemacht
von dem Gesetz der Sünde und des Todes.


Es gibt einen Weg also, vorgegangen und vorgegeben von dem, der von sich selbst gesagt hat: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben.
Die Frage allein: Wie kommen wir dorthin? Wie kommen wir auf den Weg? Gibt es Wegweiser?
Zunächst ist Spürsinn gefragt: es geht um das Erspüren von dem, was lebendig macht und von dem, was abtötet, - von dem, was Leben schafft und von dem, was einsam macht, freudlos und erstarren lässt.
Die Frucht des Geistes, schreibt Paulus an anderer Stelle, das, was aus dem Geist wächst, ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, u.a.
Genau hiervon handelt das Gesetz des Geistes.
Nun schreibt Paulus hier im Römerbrief sehr grundsätzlich und konzeptionell, und doch: Immer geht es ihm auch um das ganz alltägliche Leben.
Der Geist wirkt in den Alltag hinein, im Alltag  breitet er sich aus wie eine Art Kraftfeld des Glaubens, hier wirkt er wie eine Richtschnur oder ein Lehrpfad des Lebens.
Und dann sehen wir auf die Wege unseres Lebens, die Wege, die wir jeden Tag gehen.
Wie begegnen wir dem Leben?
Wie schauen wir dem Leben selbst in die Augen?
Was tun wir? - Ganz schlicht.
Welche Gedanken machen wir uns? oder welche Gedanken sind einfach da in uns, weil sie immer irgendwie schon da waren?
Welche Worte sagen wir?
Was und wie hören oder sehen wir?
Was füllt unser Leben?
Und dann schwingt im Hintergrund als Frage das, was Paulus so freimütig behauptet: Hat es dich wirklich frei gemacht, das, was du getan hast, was du gesagt und gedacht hast, was du gehört und gesehen hast? Hat es dich erlöst vom Suchen? von Schwere? Von Angst? Von Spannung?  Vom Alleinsein? Von Unzufriedenheit?
War der Geist spürbar, der das Leben lebendig macht?


Chor:
Trotz dem alten Drachen, trotz des Todes Rachen, trotz der Furcht darzu. Tobe, Welt, und springe; ich steh hier und singe in gar sichrer Ruh. Gottes Macht hält mich in acht; Erd und Abgrund muss verstummen, ob sie noch so brummen.


Ihr aber seid nicht fleischlich, sondern geistlich,
so anders Gottes Geist in euch wohnet.
Wer aber Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein.

 

Es ist nicht der Geist der Vernunft oder der Geist des Fortschrittes. Und wir sind auch nicht von allen Geistern verlassen. „Da ist ein neuer Geist drin.“
Dieser Geist, so sagt Paulus, wohnt in jedem von uns Christen. Wo der Geist Gottes wohnt, da werde ich fähig, meinen alten Ärger, meinen Neid und Hochmut über Bord zu werfen, und meinen Nächsten in die Augen zu sehen. Da beginne ich, zu fragen, was der andere braucht, was ihr gut tut? Da wird das lange Schweigen gebrochen und seit langer Zeit werden Worte gewechselt zwischen Menschen, die sich nichts mehr zu sagen hatten. Wo der Geist wohnt, wo ich ihm Platz gemacht habe, dort fange ich an, meine Umwelt mit anderen Augen zu sehen: als Geschöpfe Gottes, die wie ich leben, sich freuen, hoffen und lieben. Wo der Geist Gottes wohnt, da fangen Menschen an, wiederaufzubauen, was zerstört war. Dort finden sich Menschen zusammen und erleben Gemeinschaft.
Da entsteht auch Kirche. Wenn sich Menschen finden, die daran arbeiten, Zeit investieren und ihr Wissen einbringen, dann ist das ein Zeichen für den Geist Gottes, der auch in dieser Gemeinde wirkt und lebendig macht.


Chor:
Weg mit allen Schätzen, du bist mein Ergötzen, Jesu, meine Lust. Weg, ihr eitlen Ehren, ich mag euch nicht hören, bleibt mir unbewusst. Elend, Not, Kreuz, Schmach und Tod soll mich, ob ich viel muss leiden, nicht von Jesu scheiden.


So aber Christus in euch ist,
so ist der Leib zwar tot um der Sünde willen;
der Geist aber ist das Leben um der Gerechtigkeit willen.

Wieder so ein Grundsatz aus der Feder des Paulus: Neue Wege im Leben zu gehen bedeutet mit alten Wegen zu brechen.
Neue Prioritäten zu setzten bedeutet alte Prioritäten zu lassen.
In solchen Dingen war Paulus schon immer sehr radikal und konsequent gewesen.
Aber nicht um jeden Preis, nicht allein um des Neuen willen; Paulus hat die Gnade und das Erbarmen, das mit Jesus in die Welt gekommen ist, selber erfahren. Blind wurde er in Folge dieser Begegnung. Drei Tage vergingen, in denen er ganz bei sich war, Rückschau hielt, abwog, sich neu ausrichtete. Drei Tage, in denen das, was seinem Leben bisher Wert und Sinn gaben, fühlenden und wachen Bewusstseins abstarben.
Der Leib, mit dem wir uns ausfüllen, kann nicht wirklich lebendig werden, wenn wir ihn von der Quelle, aus der er kommt, abschneiden oder fernhalten.
Woanders schreibt Paulus es mit tiefster Überzeugung, dass der Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist. Ganz und gar erfüllt von dieser Kraft.
Hier aber ist er verkümmert, tot, weil es kein Zusammenkommen gibt, keine Verbindung.
Wer sich von dem Licht Christi berühren lässt, spürt es. Der spürt die eigene Verzweiflung, die eigene Ohnmacht, die eigene Schuld, das Unrecht und die Hilflosigkeit, weil das Licht Christi den Schatten erleuchtet – gnädig erleuchtet.
Wer sich berühren lässt von diesem Licht, spürt aber auch jene andere Kraft des Lebens, die neue Freude weckt, Hoffnung stiftet, Recht und Gerechtigkeit atmet.
Da ist ein anderes Leben noch…
der Geist ist das Leben um der Gerechtigkeit willen
Dies ist der schmale Grat auf dem wir stehen und uns selber entscheiden müssen.


Chor:
Gute Nacht, o Wesen, das die Welt erlesen, mir gefällst du nicht. Gute Nacht, ihr Sünden, bleibet weit dahinten, kommt nicht mehr ans Licht! Gute Nacht, du Stolz und Pracht; dir sei ganz, du Lasterleben, gute Nacht gegeben.


So nun der Geist des, der Jesum von den Toten auferwecket hat, in euch wohnet, so wird auch derselbige, der Christum von den Toten auferwecket hat, eure sterblichen Leiber lebendig machen, um des willen, dass sein Geist in euch wohnet.


Wir nehmen die Begrenztheit unser selbst aufgebauten Sicherheiten an, behaupten nicht: wir hätten damit alles in der Hand, wir könnten damit unsere Geschichte machen und ihren Fortschritt sichern. Wir sind nicht Gott, sondern nur Geschöpfe. Und so bleibt nichts anderes übrig, als das Leben mit all seinen Unsicherheiten und Gefährdung, mit seinem Elend, seiner Schuld und Todesverfallenheit anzunehmen.
In der Annahme dieser Begrenztheit öffnet sich das, was Paulus mitteilen will: Gott schenkt Leben. Das Leben darf an Gott festgemacht werden. Er ist nicht weit weg, sondern sehr nahe gekommen durch seinen Sohn, Jesus Christus. Dieser hat sein Leben mit uns Menschen geteilt, hat die Begrenztheit und den Tod selbst angenommen. Alle Sicherheiten, an denen wir Menschen normalerweise so kleben, hat er von sich geworfen, und ist den Weg gegangen, der zunächst am Kreuz endete. Gott aber hat ihn auferweckt. Und damit endet eben dieser ‚Geist des Lebens in Liebe’ nicht an diesem Kreuz, sondern wirkt weiter in denen, die sich in ihrem Leben zu Jesus Christus bekennen, sich Christen nennen.


Chor:
Weicht ihr Trauergeister, denn mein Freudenmeister, Jesus, tritt herein. Denen, die Gott lieben, muss auch ihr Betrüben lauter Zucker sein. Duld' ich schon hier Spott und Hohn, dennoch bleibst du auch im Leide, Jesu meine Freude.


Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

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